Was ist dran an dem angeblichen Zusammenhang von Burnout und ständiger Erreichbarkeit? Und sind die sozialen Folgen vielleicht viel drastischer als jene wirtschaftliche? Wir wollen das Thema noch einmal aus einer anderen Perspektive aufgreifen – der des Arbeitnehmers:

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Ständige Erreichbarkeit macht krank

Wenn auch nach Feierabend noch E-Mails, SMS oder gar Anrufe von der Arbeit eingehen, können Arbeitnehmer niemals komplett Abschalten und das macht auf Dauer krank. Immer mehr deutsche Arbeitnehmer geben daher in Studien an sich durch die ständige Erreichbarkeit zunehmend belastet zu fühlen.

Der Fehlzeiten-Report des WidO stellte zudem fest, dass diese Belastung der Grund für psychische Folgeerkrankungen sein kann, wie zum Beispiel das sogenannte Burnout-Syndrom. Besonders groß ist die Belastung dann, wenn der Arbeitnehmer das Gefühl hat, dass sich Arbeit und Freizeit gegenseitig ausschließen und er diese nicht mehr vereinbaren kann. So müssen immer häufiger Freizeitaktivitäten verschoben werden, weil die Arbeit ruft. Immer mehr Menschen klagen bei den Ärzten daher über Niedergeschlagenheit, Erschöpfung und Kopfschmerzen.

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Wieso macht die ständige Erreichbarkeit krank?

Das Problem liegt dabei meist nicht einmal in dem Plus an Arbeit, sondern in der Unfähigkeit abzuschalten. Denn wenn Anrufe oder E-Mails erwartet werden, befindet sich der Arbeitnehmer dauerhaft im „Arbeitsmodus“. Die alleinige Erwartung der Arbeit reicht demnach schon für einen vermehrten Stress aus, auch wenn das Handy schlussendlich doch still geblieben ist. Jeder achte Arbeitnehmer beschwert sich bereits darüber Arbeit und Freizeit nur noch schwer vereinen zu können. Jeder zehnte nimmt die Arbeit sogar nach Dienstschluss mit nach Hause. Was früher eine Ausnahme war oder nur in wenigen Branchen mit Bereitschaftsdienst üblich, ist mittlerweile quasi zum Standard geworden. Denn eine weitere Studie ergab, dass 66 Prozent aller Arbeitnehmer außerhalb ihrer regulären Arbeitszeiten erreichbar sind. 29 Prozent davon gar jederzeit, sprich auch im Urlaub oder an Sonn- und Feiertagen.

Statistik: Sind Sie außerhalb der regulären Arbeitszeit für berufliche Angelegenheiten erreichbar? | Statista
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Wirtschaftlich hui, für die Gesundheit pfui

Natürlich ist das, wie die Kollegen bereits beschrieben haben, aus wirtschaftlicher Sicht ein Segen für die deutsche Konjunktur. Doch Mediziner und Gesundheitsforscher schlagen Alarm: Stress wird zwar subjektiv wahrgenommen, doch dass der Druck am Arbeitsplatz in Deutschland stetig zunimmt ist mittlerweile auch wissenschaftlich belegt. Nach einer Schätzung des Bundespsychotherapeutenkammer in Berlin fallen 12,5 Prozent der Fehltage in den Bereich der psychischen Erkrankungen. Es sind erschreckende Zahlen, die zum großen Teil auf Stress zurückzuführen sind. Und dieser entsteht oftmals leichter als vermutet: Laut Statistischem Bundesamt fühlen sich etwa elf Prozent der deutschen Arbeitnehmer im Job unter Zeitdruck. Zum Ausgleich wird vermehrt die Arbeit mit nach Hause genommen oder in der Freizeit erledigt, nicht selten gar als unbezahlte Überstunden. 44 Prozent der Befragten fühlen sich durch Telefonate und E-Mails gestört, sowohl bei als auch nach der Arbeit.

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Die Erreichbarkeit findet neue Kanäle

Doch Telefonate und E-Mails sind mittlerweile nicht mehr das einzige Problem. Soziale Netzwerke wie Twitter oder Xing dienen immer mehr auch der Kommunikation mit den Arbeitskollegen oder gar dem Vorgesetzten. Dort, wo sich immer mehr Menschen in der Freizeit aufhalten, sind sie zwangsläufig auch für die Arbeit stets erreichbar. Dem zu entgehen ist in unserer digitalen Welt beinahe unmöglich geworden, natürlich mit Unterschieden je nach Branche und Art der Tätigkeit. So ist man plötzlich mit dem Chef auf Facebook befreundet oder kommentiert den Tweet des Arbeitskollegen. Für junge Arbeitnehmer gehört das immer mehr zum normalen Arbeitsalltag. Die sogenannten Digital Natives sind mit dem hohen Maß an Kommunikation aufgewachsen: Während sich 61 Prozent der älteren Arbeitnehmer durch die Vielzahl an Informationen gestresst fühlen, sind es bei der Generation unter 30 nur noch 30 Prozent. Vor allem für die jungen verwischen daher die Grenzen zwischen privater und beruflicher Kommunikation, sagen die Experten. Sie täten das aber freiwillig und könnten besser mit den Informationen umgehen. Die älteren müssten hierbei von den jüngeren lernen.

Verhaltensmuster lernen oder ablegen?

Doch ist es wirklich besser, sich neue Verhaltensmuster von der jüngeren Generation abzukupfern? Oder wäre es nicht sinnvoller alte Verhaltensmuster loszuwerden und in Deutschland ein Umdenken zu erzwingen? Denn es sind zwar weniger Arbeitnehmer in der Generation unter 30, die sich durch die ständige Kommunikation gestört fühlen, doch mit 30 Prozent immer noch ausreichend viele. Während also die psychischen Erkrankungen wie Burnout in Deutschland immer mehr zunehmen, sollte die ständige Erreichbarkeit noch einmal überdacht werden. Laut Bewusstseinscoach Ulrich Heister kannst du das lernen: Selbstbilder seien veränderbar und Verhaltensmuster ablegbar. So kannst du lernen, trotz der Erreichbarkeit abzuschalten und dadurch den Stress dauerhaft zu reduzieren.

Noch besser wäre es natürlich auf der Unternehmensseite Änderungen vorzunehmen und die Erreichbarkeit der Mitarbeiter einzuschränken. Denn gestresste Mitarbeiter sind weniger produktiv und psychische Krankheiten langwierig und kostenintensiv. Wer umdenkt schafft daher eine Win-Win-Situation. Und wenn der Arbeitnehmer dennoch nach der Arbeit mit dem Chef über Facebook chatten möchte, so kann er dies ja auf freiwilliger Basis immer noch tun…

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Bildnachweis: PeopleImages/iStock.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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