Wenn Sie Stellenanzeigen studieren, werden Sie kaum um eine spezielle Aussage herumkommen. Unter „Wir bieten“ ist da häufig „flache Hierarchien“ zu lesen. Hierarchien, die als niederschwellig bezeichnet werden können – also kaum vorhanden sind? Wie es scheint, handelt es sich hierbei inzwischen um eine Charakteristik, die viele Unternehmen anstreben. Doch was verbirgt sich eigentlich dahinter? Woher kommt diese Entwicklung? Und tun traditionelle Unternehmen mit klar definierten Hierarchien gut daran, auch auf dieses Konzept zu setzen?

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Inhalt
1. Flache Hierarchien: Was versteht man überhaupt darunter?
2. Die Vorteile von flachen Hierarchien
3. Erfolg durch flache Hierarchien: 3 Beispiele

Flache Hierarchien: Was versteht man überhaupt darunter?

Um über Sinn und Wirkung von flachen Hierarchien sprechen zu können, muss zunächst einmal definiert werden, was darunter verstanden wird. Das Internet ist erwartungsgemäß voll von Erklärungen, die uns näherbringen sollen, was unter dieser speziellen Machtstruktur zu verstehen ist. Um Ihnen eine umfangreiche Lektüre zu ersparen, haben wir die wichtigsten Aspekte an dieser Stelle stichpunktartig zusammengefasst:

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  • vereinfachte Unternehmensstruktur
  • wenige Führungsebenen
  • Ranghöhere nehmen weniger Einfluss auf die Entscheidung der anderen
  • alle Mitarbeiter arbeiten eigeninitiativ und eigenverantwortlich
  • Entscheidungen werden schneller getroffen
  • das Unternehmen ist insgesamt flexibler und anpassungsfähiger
  • oftmals keine räumliche Trennung zwischen der Geschäftsführung und anderen Mitarbeitern
  • direkte Kommunikation
  • familiärer Umgangston

Das Denken, Hierarchien bewusst flacher zu gestalten, kann durchaus als großer Veränderungsschritt gewertet werden. In den letzten Jahrzehnten galten steile Hierarchien als unverzichtbar, wenn ein Unternehmen erfolgreich sein wollte. „Steil“ bedeutet, dass es Menschen gibt, die entscheiden, was getan werden muss und Menschen, die die Entscheidungen in die Tat umsetzen. Steile Hierarchien sind durch zahlreiche „Zwischen-Etagen“, Beispielsweise Teamleiter, Abteilungsleiter und so weiter, geprägt, die die Anweisungen und Befehle weitergeben. Diese teils sehr opulente Unternehmensstruktur führt dazu, dass die Firma im Falle von Veränderungen und wichtigen Entscheidungen sehr träge agiert – immerhin müssen Entscheidungen erst von zahlreichen Instanzen abgesegnet werden. Es zeichnet sich an dieser Stelle bereits sehr gut ab, worin die großen Vorteile von flachen Hierarchien liegen. Dennoch wollen wir diese im kommenden Absatz noch einmal genauer beleuchten.

Die Vorteile von flachen Hierarchien

Wie eingangs bereits beschrieben, werden flache Hierarchien inzwischen als erstrebenswert gewertet. Kein Wunder, denn sie bieten sowohl für den Chef als auch seine Angestellte zahlreiche Vorzüge. Vor allem junge Unternehmen – allen voran die zahlreichen Startups – haben das längst erkannt und zu ihrem Vorteil genutzt.

Gutes Arbeitsklima

Per „Du“ mit dem Chef, Gespräche, die stets auf Augenhöhe stattfinden, eine entspannte Atmosphäre: Flache Hierarchien sorgen automatisch dafür, dass das Klima am Arbeitsplatz ausgesprochen locker und angenehm ist. Das wiederum steigert die Zufriedenheit der Mitarbeiter und sorgt dafür, dass sie mit Freude zur Arbeit kommen.

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Förderung der Mitarbeiter

Eine verschlankte Struktur im Unternehmen und der Wegfall von einzelnen Entscheidungs- und Verantwortungsträgern sorgen dafür, dass alle Angestellten etwas zu sagen haben. Jeder ist für das, was er tut, verantwortlich – was nicht selten zu einer Steigerung der Arbeitsqualität führt. Auch die Aussicht darauf, Entscheidungen zu treffen, wirkt sich positiv auf die Arbeitsmoral aus. Insgesamt kann gesagt werden, dass flache Hierarchien Angestellte auf verschiedenen Ebenen fördern.

Niedrigere Kommunikationsschwellen

Wie lang dauert es in Ihrem Unternehmen, ehe eine Information „von ganz unten nach ganz oben“ gelangt ist? Generell gilt: Je größer ein Unternehmen (und je steiler die Hierarchien), desto länger dauert es, bis dieser Prozess abgeschlossen ist. Gerade in dringenden Fällen oder wenn schnelle Entscheidungen getroffen werden müssen, ist diese Form der Strukturierung denkbar unpassend. Liegen hingegen flache Hierarchien vor, muss die Kommunikation weitaus weniger Hürden meistern, ehe sie ihr Ziel erreicht.

Flexibles Reagieren auf unterschiedliche Situationen

Wir befinden uns in einer schnelllebigen Zeit. Das ist in nahezu jeder Branche spürbar. Was heute sehr gut funktioniert, kann morgen schon wieder Schnee von gestern sein. Gerade die, die in einem stark digital geprägten Bereich tätig sind, werden genau wissen, was damit gemeint ist. Im Anbetracht dessen, dass unser gesamtes Umfeld wahnsinnig flexibel geworden ist, erscheint es nur konsequent, wenn auch Unternehmen diese Eigenschaft annehmen. Das schaffen sie, indem sie flache Hierarchien einführen. Die bereits angesprochene Kommunikation ist nur ein Bespiel, das diese Aussage unterstreicht. Auch im Hinblick auf Entscheidungen, die in Startups beispielsweise oft blitzschnell gefällt werden, zeigen die Wirkungsweise der flachen Hierarchien hervorragend auf.

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Entlastung der Führungskräfte

Wenn Mitarbeiter gefördert und gestärkt werden, hat das die Folge, dass Führungskräfte unweigerlich ein Stückweit entlastet werden. An dieser Stelle ist es allerdings auch wichtig, zu erwähnen, dass ein Unternehmen ohne verantwortungsvolle Führungskraft nicht lang existieren kann. Egal, wie flach die Hierarchien sind, es muss immer mindestens eine Person geben, die an der Spitze der Pyramide steht und das letzte Wort hat. Wer hier steht und Entscheidungsmachten abgibt, wird jedoch eine deutliche Entlastung und Minderung des Drucks zu spüren bekommen.

Stärkung der Gruppendynamik

Auch wenn flache Hierarchien bedeuten, dass jeder für sein eigenes Handeln verantwortlich ist, heißt das nicht, dass hierdurch Einzelkämpfer herangezogen werden. Der Wegfall sturer Strukturen im Unternehmen hat nämlich auch den Vorteil, dass die einzelnen Mitarbeiter wieder mehr als Team zusammenwachsen. Indem alle die Möglichkeit erhalten, sich einzubringen und zu entscheiden, wird der Dialog gefördert. Man arbeitet gemeinsam an Lösungen und wächst als Gruppe zusammen. Auch der Chef hat im Falle von flachen Hierarchien sehr gute Chancen, als Mitglied des Teams akzeptiert und in der Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Er erhält die Rolle des Mitgestalters und lässt die des Kommandeurs hinter sich. In Unternehmen mit steilen Hierarchien ist das absolut undenkbar. Hier gilt die Führungskraft immer als eine Art unnahbares Wesen, das über allen Dingen steht (oder gar schwebt).

Gesteigerte Identifikation mit dem Unternehmen

Eng mit dem Teamspirit verbunden ist auch die Identifikation mit einem Unternehmen. Flache Hierarchien können auch hier überaus hilfreich sein und dazu führen, dass Mitarbeiter stolz auf ihren Arbeitsplatz sind. Dieser Punkt ist umso wichtiger, wenn Führungskräfte die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter steigern wollen.

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Erfolg durch flache Hierarchien: 3 Beispiele

Das traditionelle Bild eines erfolgreichen Unternehmens sieht vor, dass an dessen Spitze der große Boss sitzt. Dieser wird von diversen Räten und Beratern flankiert. Eine weitere Etage tiefer sitzen Abteilungsleiter, die die Beschlüsse der Geschäftsführung an die Mitarbeiter weitergibt. Diese bilden das Fundament des Unternehmens, auf dem alles andere aufbaut. Trotz dieser wichtigen Aufgabe haben sie keinerlei Entscheidungsgewalt, sondern agieren nur als ausführende Kraft. Das Modell der steilen Hierarchien hat sich über Jahrzehnte (um nicht zu sagen: Jahrhunderte) als erfolgreich erwiesen. Warum sollte man es also nun infrage stellen?

Die Antwort: Weil auch flache Hierarchien das Zeug haben, einem Unternehmen zum Erfolg zu verhelfen. Beweise hierfür gibt es wie Sand am Meer. Nahezu alle Startups, die die Gründungsphase überstehen und sich als erfolgreiches Business etablieren, arbeiten mit flachen Hierarchien und heben sich dadurch von der Masse ab.

Auch große Unternehmen und global Player setzen auf diese Unternehmensstruktur. Ein gutes Beispiel hierfür ist Automattic, die Firma, die hinter dem Content Management System WordPress steht und damit eines der einflussreichsten Internetunternehmen dieser Zeit ist. Das Team von Automattic umfasst knapp 500 Menschen – die überall verteilt auf dem Erdball leben und arbeiten. Wie das möglich ist? Das Unternehmen gewährt jedem Mitarbeiter ein Höchstmaß an Autonomie und setzt auf flache Hierarchien. Das bedeutet auch, dass es den Angestellten freigestellt ist, von zuhause oder unterwegs aus zu arbeiten.

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Flache Hierarchien funktionieren jedoch nicht nur bei global agierenden Internetfirmen. Unser zweites Beispiel – der Outdoor-Ausrüstungsanbieter Vaude – beweist, dass die Strukturen überall funktionieren können. Vaude ist ein Unternehmen, das zu allererst durch seinen nachhaltigen Ansatz aus der Masse hervorsticht. Der Outdoor-Experte hat sich dem Thema Umweltschutz verschrieben und stellt beispielsweise Sportbekleidung aus recycelten Fischernetzen her. Vaude, ein klassisches Familienunternehmen, wurde bereits 1974 gegründet. 2009 übertrug Gründer Albrecht von Dewitz die Unternehmensführung an seine Tochter Antje. Diese brachte frischen Wind in die Firma und setzte ganz bewusst auf flache Hierarchien. Die Mitarbeiter durften mitentscheiden und erhielten zahlreiche zusätzliche Privilegien. Hierzu gehören beispielsweise ein betriebsinterner Kindergarten, flexible Arbeitszeiten, Jobsharing-Modelle und Mobilitäts-Konzepte. Der Plan geht auf: Zufriedene Mitarbeiter liefern eine gute Arbeit und tragen somit maßgeblich zum Erfolg eines Unternehmens bei.

Ein drittes Beispiel für gelebte flache Hierarchien bietet das Unternehmen Gore:

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Mehr Informationen

Fassen wir also noch einmal zusammen: Flache Hierarchien kommen längst nicht mehr nur in schnelllebigen Startups zum Einsatz. Auch immer mehr Traditionsunternehmen und Global Player setzen auf diese Firmen-Struktur – und das nicht ohne Grund. Durch den Wegfall steiler Hierarchien profitieren im Grunde genommen alle. Die Mitarbeiter, weil sie verantwortungsvoller und selbstbestimmter arbeiten und sich entfalten können und die Führungskräfte, weil ihr Unternehmen schneller und flexibler auf neue Situationen reagieren kann. Die gesteigerte Zufriedenheit in Kombination mit mehr Motivation kommt allen Akteuren zugute. Es ist also durchaus sinnvoll, über eine entsprechende Umstrukturierung nachzudenken. Diese kann selbstverständlich schrittweise erfolgen und muss nicht von heute auf morgen umgesetzt werden. Gut Ding will schließlich Weile haben.

Haben Sie vielleicht schon Erfahrungen mit flachen Hierarchien gemacht? Wird diese Struktur bereits in Ihrem Unternehmen gelebt? Wir würden uns sehr darüber freuen, wenn Sie Ihre Eindrücke mit uns und den anderen Lesern von arbeits-abc.de teilen würden.

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Bildnachweis: Photo by Husna Miskandar on Unsplash

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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