Viele Frauen stellen es sich so einfach vor: Ich suche mir eine Anstellung in einem großen Unternehmen mit gutem Verdienst und wenn ich schwanger werde, wechsle ich in ein Teilzeitarbeitsmodell. Flexible Arbeitszeiten und moderne Varianten, wie Job-Sharing, Lebensarbeitszeit, Home Office uvm. gehören schließlich zu den großen Vorteilen solcher Unternehmen und sind mit einer der Hauptgründe für deren Beliebtheit bei Arbeitnehmern. Wer hier einmal eine unbefristete Stelle ergattern konnte, für den geht es nur noch bergauf, so die landläufige Meinung. In einem trügenden Gefühl von Sicherheit beginnen dann viele Frauen mit der Planung, Karriere und Kinder bestmöglich unter einen Hut zu bringen. In der Praxis jedoch, ist das häufig alles andere als einfach. Für Personaler lohnt es sich nämlich mehr, Mütter kurzerhand aus dem Unternehmen zu mobben. Teilzeit? Das rechnet sich für die meisten Unternehmen nicht.

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Kinder und Karriere? Für Mütter immer noch schwierig

Im Artikel „Kinder – Das Aus für die Karriere?“ lautete das traurige Fazit bereits, dass es für Mütter bis heute sehr schwierig ist, einen Kinderwunsch mit einer Karriere zu vereinen. Hohe Gebühren für die Kitas, Hausarbeit, Kinderbetreuung – nach der Geburt bleibt für Mütter nur noch wenig Zeit für einen beruflichen Aufstieg. Denn bislang sind es immer noch in 94 Prozent der Fälle die Väter, die in ihren Vollzeitstellen bleiben und dadurch das Haupteinkommen generieren.

Jede zweite Mutter hingegen, arbeitet in einem Mini- oder Teilzeitjob. Nur rund 30 Prozent sind es, die nach der Geburt eines Kindes noch einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen.

Doch die Teilzeit bedeutet selbst für hoch qualifizierte Frauen häufig das Karriere Aus. Und nicht nur das: Immer mehr Personaler mobben Mütter in Teilzeit gezielt aus dem Unternehmen. Wieso? Weil sich das Modell aus Arbeitgebersicht nicht lohnt.

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Geradewegs in das Hausfrauensammelbecken

Zwar müssen Unternehmen mit mehr als 15 Mitarbeitern in Deutschland die Teilzeitbeschäftigung als Option einräumen, das Modell ist aber alles andere als beliebt. Schließlich ist es kostengünstiger, eine belastbare und flexible Vollzeitarbeitskraft zu beschäftigten, allein schon aufgrund der hohen Versicherungskosten, die für jede Arbeitskraft gleichermaßen anfallen. Dennoch kommen die Arbeitgeber natürlich nicht umher, Müttern Teilzeitstellen anzubieten. Eine Garantie auf denselben Arbeitsplatz wie vor der Babypause gibt es aber nicht.

Stattdessen versuchen viele Unternehmen solche Mütter in Teilzeit loszuwerden, um stattdessen eine neue Vollzeitkraft einzustellen. Dann heißt es plötzlich, eine Arbeit in Teilzeit sei nicht möglich, nur auf einer anderen Stelle oder zu einer schlechteren Bezahlung. Immer mehr Mütter lassen sich beurlauben oder kündigen früher oder später von selbst. Wer durchhält, der landet im sogenannten Hausfrauensammelbecken, wie ein Personaler, der anonym bleiben möchte, es im Interview höhnisch bezeichnet.

Gezieltes Mobbing im Hausfrauensammelbecken

Unter dem Hausfrauensammelbecken versteht er spezielle Abteilungen, in welchen die Mütter in Teilzeit aufs Abstellgleis kommen. Hier arbeiten gleich mehrere solcher weiblichen Teilzeitkräfte. Die Abteilungen gelten als teuer, leistungsschwach und kaum eine Führungskraft möchte sie übernehmen. Denn in den oberen Riegen wird das Hausfrauensammelbecken als solches belächelt. Jeder möchte deshalb Abteilungen mit möglichst vielen Vollzeitkräften leiten – diese haben schlichtweg den besten Ruf. Die „Teilzeitabteilungen“ bedeuten für das Unternehmen häufig einen reinen Kostenfaktor. Das Suchen einer neuen, passenden Teilzeitstelle für eine frischgebackene Mutter, die Einarbeitung einer neuen Arbeitskraft in der Elternzeit oder die interne Umstrukturierung der Aufgaben sind zeit- und kostenintensiv. Die Vorteile der Teilzeitarbeit haben die Unternehmen noch nicht erkannt. Sie gewähren diese als Modell zum Großteil nur aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung. Dass sich daraus alles andere als ein angenehmes Arbeitsklima für Mütter in Teilzeit ergibt, scheint daher nur logisch.

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Rückkehr in ein mieses Arbeitsklima

Viele Mütter freuen sich nach der Babypause sehr darauf, wieder in ihren Beruf zurückzukehren. Endlich wieder einmal etwas Anderes als Windeln zu wechseln oder Baby Brei aus den Klamotten zu waschen. Eine willkommene Abwechslung für einige Stunden am Tag. Doch dann kommt nicht selten die böse Überraschung:

Dass sie als weibliche Teilzeitkraft im Unternehmen unerwünscht sind, bekommen Mütter an jeder Ecke zu spüren.

Das Betriebsklima ist schlecht, für die anfallende Arbeit sind sie eigentlich völlig überqualifiziert und ein beruflicher Aufstieg scheint von nun an unmöglich. Klar, wieso soll der Arbeitgeber auch eine Frau befördern, die vielleicht noch ein zweites oder drittes Kind möchte, die aufgrund der Elternzeit dann wieder ausfällt oder für die nächsten zehn Jahre in ihrem Teilzeitmodell bleibt? Für viele Personaler schließen sich Kinder und Karriere aus. Das lassen sie die Mütter nicht nur spüren, sondern immer häufiger möchten Sie den „unnötigen Kostenfaktor“ sogar gezielt loswerden. Wie? So wie man das eben heutzutage macht, in Zeiten der strengen gesetzlichen Regelungen zum Arbeitnehmerschutz: durch Mobbing!

Immer häufiger werden Mütter gezielt rausgemobbt

Mobbing als Personalstrategie wird leider in deutschen Unternehmen immer häufiger beobachtet. Wenn der Stellenabbau auf legalem Weg nicht möglich ist oder ein Mitarbeiter einfach nicht mehr „in das Unternehmen passt“, weil er vielleicht ein Querdenker oder schlichtweg zu teuer ist, wissen sich viele Personaler durch Mobbing zu helfen. Das dauert vielleicht ein wenig länger als die rechtmäßige arbeitgeberseitige Kündigung, ist aber eine ebenso erfolgversprechende Strategie. Denn kaum ein Mensch kann dem gezielten Mobbing lange standhalten. Früher oder später leiden Psyche und/oder Körper so stark unter der Belastung, dass sich der betroffene Arbeitnehmer entweder dauerhaft krankschreiben lässt oder selbst kündigt. Die gesparte Abfindung ist dann nur ein weiterer Vorteil für das Unternehmen. Bei Müttern sind Personaler hinsichtlich ihrer Mobbingstrategien nicht gerade kreativ. Sie setzen auf altbewährte Mittel:

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  • Arbeit unter der fachlichen Qualifikation
  • Boreout durch zu wenig Arbeit
  • schlechte Bezahlung
  • unattraktive Arbeitszeiten
  • Arbeitszeiten, die sich nicht mit der Kinderbetreuung vereinbaren lassen
  • unsichtbare Mauern, die einen beruflichen Aufstieg unmöglich machen
  • räumliche wie fachliche Isolierung
  • Ausschluss von Meetings
  • Ausschluss aus Arbeits- und Kommunikationsprozessen
  • Herabstufung aus einer Führungsposition

In Deutschland herrscht immer noch Präsenzkultur

Eigentlich wäre es durch moderne Arbeitszeitmodelle oder Home-Office-Verträge heutzutage ja kein Problem mehr auch in Teilzeit flexibel und effektiv zu arbeiten. Leider herrscht in deutschen Unternehmen aber immer noch die Präsenzkultur. Wer nicht anwesend ist, kann auch keine Karriere machen. Ein Umdenken hat hier leider noch nicht stattgefunden.

Anders in den Niederlanden: Seit dem 01. Juli 2015 gibt es unter gewissen Voraussetzungen für Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf das Home Office. In Deutschland ist davon bislang nur zu träumen. Stattdessen bewirkt das Recht auf Teilzeit, dass hierzulande immer mehr Frauen in der sogenannten Teilzeitfalle stecken bleiben: geringer Verdienst, mangelnde Altersabsicherung, Karriereende, Mobbing…nur wenige Frauen kämpfen sich beruflich nach einer solchen Erfahrung wieder an die Spitze. Fast 450.000 hoch qualifizierte Frauen hingegen, entscheiden sich dank Ehegattensplitting und beitragsfreier Mitversicherung für den gänzlichen Austritt aus dem Arbeitsmarkt. Kein Wunder also, dass der Fachkräftemangel immer weiter fortschreitet. Auch wenn sich laut einer Umfrage 59 Prozent der Frauen am liebsten in der Rolle Mutter und Teilzeitarbeitskraft sehen würden, sieht die Realität leider häufig weniger rosig aus als erwartet.

Statistik: In welcher Rolle würden Sie sich als Frau am wohlsten fühlen? | Statista
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Wer mit dieser idealistischen Rollenvorstellung als Mutter in den alten Beruf zurückkehrt, wird anschließend meist mächtig enttäuscht. Angesichts dieser Umfrage ist es dann vielleicht doch besser, sich gänzlich für Kinder oder Karriere zu entscheiden. Vorausgesetzt, man hat einen gut verdienenden Ehemann und kann sich das leisten.

Statistik: Work-Life-Balance erwerbstätiger Mütter: Wie oft treffen folgende Aussagen auf Sie zu? | Statista
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Mit Chancengleichheit für Männer und Frauen hat das aber nicht viel zu tun und auch dem Fachkräftemangel kommt das Verhalten der Unternehmen gegenüber Müttern in Teilzeit alles andere als entgegen. Muss es wirklich die traditionelle Rollenverteilung sein? Oder wäre es vielleicht an der Zeit umzudenken und nach dem Vorbild der Niederlande bessere Arbeitsbedingungen für Teilzeitkräfte zu schaffen? Das ist allerdings erst dann möglich, wenn die Unternehmen aufhören in den Teilzeitmüttern den lästigen Kostenfaktor im Hausfrauensammelbecken zu sehen.

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Sind Sie Mutter (oder Vater) in Teilzeit? Welche Erfahrungen haben Sie bereits gemacht? Wurden Sie vielleicht Zeuge oder sogar selbst Opfer von Mobbing? Wir sind gespannt auf Ihre Geschichte…

Bildnachweis: Marina Andrejchenko/Shutterstock.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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