Denkt man an Handwerksberufe, so fallen den meisten Leuten zum Beispiel Tischler, Dachdecker, Stahlbauer und Maler ein. Es gibt sie noch, diese klassischen Berufe abseits vom Schreibtisch, bei denen es darum geht, richtig anzupacken. Doch ähnlich wie bei den typischen „Bürojobs“ gibt es auch im Fall des Handwerks stetige Veränderungen. Technischer Fortschritt und Digitalisierung führen dazu, dass sich Handwerksberufe teils stark verändern und immer öfter auch gänzlich von der Bildfläche verschwinden. Wir wollen dir hier 10 (fast) vergessene Handwerke vorstellen und daran erinnern, wie vielfältig die Berufswelt ist.

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Inhalt
1. Exkurs: Die Geschichte des Handwerks
2. 10 Handwerksberufe, die kaum noch jemand kennt
3. #1 Der Reepschläger
4. #2 Der Modist
5. #3 Die Weißnäherin
6. #4 Der Böttger
7. #5 Der Blaudrucker
8. #6 Der Wagner
9. #7 Der Gerber
10. #8 Der Köhler
11. #9 Der Sattler
12. #10 Der Schriftgießer

Exkurs: Die Geschichte des Handwerks

Man kann durchaus sagen, dass die Geschichte des Handwerks beinahe genauso alt wie der Mensch ist. Als unsere Vorfahren zu Urzeiten damit begannen, Speerspitzen aus Stein und später aus anderen Materialien zu fertigen, war das eine der frühesten Formen der handwerklichen Fertigung. Was folgte, waren unterschiedliche Werkzeuge und Gebrauchsgegenstände, die der Menschheit dabei halfen, sich zu dem zu entwickeln, was sie heute ist. Im Laufe der Zeit kamen immer mehr Handwerksberufe hinzu, die stark spezialisiert waren und wahre Experten hervorbrachten. Noch heute sind Handwerker Meister auf ihrem Gebiet und zum Teil hochgradig spezialisiert. Während der Steinzeitmensch über rudimentäres Wissen verfügte und eine Vielzahl von einfachen Gegenständen mit eigenen Händen herstellen konnte, kann im Lauf der Handwerksgeschichte beobachtet werden, wie die Berufe immer schärfer voneinander getrennt und professionalisiert wurden. Mit dieser Differenzierung stiegen selbstverständlich auch Qualität und Quantität der gefertigten Güter.

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Ein anderer Faktor, der die Entwicklung der Handwerksberufe vorangetrieben hat, war die Entstehung der Landwirtschaft. Während ein Teil der Bevölkerung auf den Feldern stand, Samen gesät und die Ernte eingeholt hat, war der andere damit beschäftigt, die benötigten Gerätschaften hierfür herzustellen. Hierher rührt es auch, dass der Großteil der professionellen Handwerke in den Städten angesiedelt war.

Der Wandel der Zeit führte jedoch nicht nur dazu, dass neue Handwerke das Licht der Welt erblickten, sondern auch andere wieder verschwanden. Fortschritt, gesellschaftliche, kulturelle, politische und wirtschaftliche Veränderungen, Industrialisierung und neuerdings auch Digitalisierung sorgten und sorgen dafür, dass einige Handwerksberufe mehr und mehr an Bedeutung verlieren und nur noch selten praktiziert werden. Manche sind inzwischen auch komplett ausgestorben und nur noch im Museum zu bestaunen.

10 Handwerksberufe, die kaum noch jemand kennt

Nun wird es Zeit, dein Wissen zu testen. Wir haben uns auf die Suche nach zehn Handwerksberufen gemacht, die unserer Meinung nach nur noch wenige Menschen kennen. Wir würden uns sehr freuen, wenn du uns in einem Kommentar unter diesem Beitrag verrätst, wie viele dir bekannt sind beziehungsweise welche dir tatsächlich gar nichts gesagt haben.

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#1 Der Reepschläger

Hast du schon einmal gefragt, woher der Name Reeperbahn kommt? Es handelt sich hierbei (nicht nur um Hamburg) um den Arbeitsplatz der Reepschläger. Diese haben Reepe, also sehr lange Seile für die Seefahrt, hergestellt. Weil diese Aufgabe sehr viel Platz benötigt hat, waren die Reeperbahnen bis zu 400 Meter lang. Heute werden Seile und Taue mithilfe von Maschinen hergestellt. Der Reepschläger ist also überflüssig geworden.

#2 Der Modist

Der Name lässt vermuten, dass der Modist etwas mit Mode zu tun hat. Das ist auch gar nicht so verkehrt, denn tatsächlich handelt es sich hierbei um eine andere Bezeichnung für den Handwerksberuf Hutmacher. Die Bedeutung dieses Berufsstandes ist in den letzten Jahrhunderten rapide gesunken. Während früher niemand – weder Mann noch Frau – ohne Kopfbedeckung aus dem Haus gegangen ist und es sich hierbei um wahre Statussymbole gehandelt hat, wurde der Hut mittlerweile zum ausgefallenen Accessoire degradiert. Auch wenn Hüte und Mützen zurzeit wieder in Mode sind, bedeutet das nicht automatisch, dass die Hutmacher beziehungsweise Modisten wieder mehr Arbeit haben. Die Mehrheit der angebotenen Produkte ist industriell gefertigt und hat nichts mit dem traditionellen Handwerk zu tun.

#3 Die Weißnäherin

Was eine Näherin ist, ist jedem von uns bekannt. Doch was ist eine sogenannte Weißnäherin? Dass dieser Beruf nahezu ausgestorben ist, hat etwas mit sozialen und gesellschaftlichen Entwicklungen zu tun. Es ist gar nicht so lange her, da wurde eine Frau, die den Bund der Ehe schloss, mit einer üppigen Aussteuer ausgestattet. Hierbei handelte es sich in erster Linie um Bettwäsche, Handtücher, Tischdecken usw. Da die Aussteuer meist aus weißen Stoffen bestand, wurde sie auch allgemein als Weißwäsche bezeichnet. Wurden Laken, Tischtücher und Co. vor der Hochzeit genäht, gönnten sich manche Familien den Luxus und bestellten eine Weißnäherin. Diese half dann den Frauen beim Zurechtmachen der Aussteuer. Seitdem die Aussteuer nicht mehr üblich ist, hat auch die Weißnäherin mehr oder wenig ausgedient.

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#4 Der Böttger

Böttger ist ein in ganz Deutschland verbreiteter Familienname. Ähnlich wie Müller, Meier, Schmidt und Co. geht auch er auf einen Handwerksberuf zurück. Wer zum Berufsstand der Böttger (auch Böttcher, Binder oder Küfer genannt) gehört, der beherrscht das Handwerk, Fässer zu binden. Der traditionelle Beruf wird häufig in Verbindung mit Bierbrauern und Winzern genannt – weil diese (auch heute noch) die besten und wichtigsten Kunden des Böttgers waren beziehungsweise sind.

#5 Der Blaudrucker

Der Blaudruck ist eine Färbetechnik, die weiße Topflappen, Tischdecken, Taschentücher usw. mit prächtigen Ziermustern versieht. Die Technik stammt aus dem asiatischen Raum und kam im 17. Jahrhundert nach Europa. Heute gibt es nur noch sehr wenige Blaudrucker, die die alte und sehr aufwändige Technik beherrschen.

#6 Der Wagner

Der Wagner hatte die Aufgabe, die Karosserie von Kutschen zu bauen. Jahrhundertelang waren seine Dienste sehr gefragt. So wurde sein Wissen beispielsweise beim Bau der ersten Eisenbahnwaggons genutzt. Später sorgte die Industrialisierung jedoch dafür, dass der Handwerksberuf, der eng mit dem Radmacher verbunden ist, in Vergessenheit geriet.

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#7 Der Gerber

Das Handwerk des Gerbens hat eine extrem lange Tradition. Wer diesem Beruf nachgeht, darf nicht zimperlich sein, wenn es um Gerüche geht. Beim Gerben werden nämlich verschiedenste (oftmals übelriechende und auch giftige) Stoffe eingesetzt, um Tierhäute in Leder zu verarbeiten. Doch nicht nur der beißende Geruch, sondern auch extreme Risiken sorgten dafür, dass der Beruf im Mittelalter und in der frühen Neuzeit kein großes Ansehen genoss. Gerber mussten mit giftigen Chemikalien hantieren und infizierten sich häufig mit Milzbrand. Wurde die lebensbedrohliche Krankheit überstanden, war das ein wichtiger Karriereschritt für den Gerber. Er war nun resistent gegen die Krankheit und genoss eine privilegierte Behandlung durch seinen Arbeitgeber.

#8 Der Köhler

Ist man in sehr waldreichen Gegenden Deutschlands unterwegs, findet man hie und da (beispielsweise im Harz) noch traditionelle Köhlereien. Diese sind nicht mehr in Betrieb, sondern helfen dabei, dass dieses alte Handwerk nicht vergessen wird. Köhler hatten eine anspruchsvolle Arbeit. In ihren speziellen Öfen stellten sie Holzkohle aus Holz her und mussten hierfür Tag und Nacht schuften. Die Öfen mussten nämlich stets eine gleichbleibende Temperatur haben und kontinuierlich vor sich hin schwelen. Trotzdem genoss dieser Berufsstand wenig Ansehen. Köhler lebten meist zurückgezogen in Wäldern, wo sie ihrer rauchigen Arbeit ungestört nachgehen konnten.

#9 Der Sattler

Der Beruf des Sattlers gehört zu den lederverarbeitenden Gewerben. Während der Sattler früher vor allem Sattel, Zaumzeug und Fahrgeschirre hergestellt hat, kommt er heute in der Automobilbranche zum Tragen. Es handelt sich also um einen Beruf, der nicht wirklich vergessen wurde, sich aber dafür stark verändert hat.

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#10 Der Schriftgießer

Heute gibt es nur noch sehr wenige Schriftgießer in Europa – weil ihre Arbeit nicht mehr benötigt wird. Aufgabe dieser Berufsgruppe ist es, Lettern für den Buchdruck zu gießen. Das vorrangig verwendete Material hierfür ist Blei. Während dieser Handwerksberuf zu früheren Zeiten unverzichtbar war, kommt er heute aufgrund der Veränderung des Drucks hin zu elektrischen Geräten nur noch äußerst selten zum Tragen. Dennoch gibt es noch immer einige wenige Schriftgießereien, die es verstehen, ihr Handwerk zu pflegen.

Kennst du noch mehr Handwerksberufe, die fast ausgestorben oder vergessen sind? Dann schreibe uns einen Kommentar. Wir freuen uns, wenn unsere Sammlung durch weitere Handwerke ergänzt wird.

Bildnachweis: Ralf Geithe/Shutterstock.com

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Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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