Mit schweißnassen Händen auf dem Bürostuhl sitzen, der Magen zieht sich zusammen, die Konzentration bricht weg – Versagensangst kann eine erhebliche Belastung sein und das Arbeitsleben stark gefährden. Wer unter Versagensangst leidet, spricht selten offen darüber. Trotzdem ist das Problem kein Einzelfall. 

Exkurs: Was bewirkt eigentlich „Angst“?

Angst ist ein uraltes Relikt der Evolution. Sie besteht aus zwei Prozessen: Zuerst erfolgt die subjektive Einschätzung, einer drohenden Gefahr nicht gewachsen zu sein. Zweitens führt diese Einschätzung zu entsprechenden körperlichen Reaktionen, deren Zweck es ist, das Überleben zu sichern. Das ist wortwörtlich gemeint. Im Ursprung aller Ängste geht es um das eigene, menschliche Überleben in physischer Hinsicht. Deshalb verändert Angst viele körperliche Abläufe: Atmung, Kreislauf, Muskeldurchblutung und Hormonspiegel.

Der Körper soll in höchste Kraft und Reaktionsschnelligkeit versetzt werden. Deshalb blockiert Angst ab einem bestimmten Level sogar die Nervensynapsen zum Großhirn – und damit die Vernunfts- und Willenssteuerung. Die Idee der Evolution: Springt der Tiger jetzt auf dich zu, darfst du nicht mehr nachdenken: Ich, der Instinkt, handle jetzt reflexhaft. Wenn diese Angststufe einsetzt, ist es mit entspannter Konzentration und rationaler Souveränität vorbei.

Überlebensangst im Beruf: Unsichtbar, aber allgegenwärtig

Für die frühen Menschen in einer stets lebensbedrohlichen Umwelt waren diese Angstmechanismen von Vorteil. Die innere Erregung, die erhöhte Muskeldurchblutung, das reflexhafte Handeln sicherte die erfolgreiche Flucht. Die gleichen körperlichen Abläufe auf einem Bürostuhl am Arbeitsplatz zu erleben, ist jedoch sehr quälend. Auf den ersten Blick ist die Einschätzung klar: Diese Reaktion ist im Berufsleben unpassend. Doch auf den zweiten Blick zeigt sich: Scheitern im Job kann zu realen finanziellen Nöten und damit zu existenziellen Sorgen führen.

„Menschen stolpern nicht über Berge, sondern über Maulwurfshügel.“
(Konfuzius)

Vollkommen irrational ist die Versagensangst deshalb nicht – bezogen auf die Folgen. Sie wird aber zu einem persönlichen Handikap, wenn sie so stark ausgeprägt ist, dass sie in Selbstsabotage und beruflichen Problemen mündet. Versagensangst kann sich deshalb tragischerweise in eine selbsterfüllende Prophezeiung verwandeln. Nicht der reale Mangel an beruflichen Fähigkeiten, sondern die Angst davor führt in eine berufliche Abwärtsspirale.

Lese-Tipp: Karrierekiller Angst – Nur nichts falsch machen

Körperliche Symptome bei Versagensangst

Das Grundprinzip von Angst folgt dem immer gleichen Schema. Daher hat Versagensangst die gleichen Symptome wie viele andere Angstformen auch. Körperlich zeigen sich sie zum Beispiel in:

  • Nervosität und Anspannung
  • Atembeklemmungen
  • Herzrasen
  • Appetitlosigkeit
  • Durchfall oder sonstigen Magen-Darm-Beschwerden
  • Schweißausbrüchen
  • Schlafstörungen
  • Fluchtfantasien oder Lähmungsgefühlen

Allein diese Symptome erzeugen einen hohen Leidensdruck bei den Betroffenen. Hinzu kommen die psychischen Belastungen.

Psychische Symptome bei Versagensangst

Bei Angst wird der sogenannte Mandelkern im Gehirn aktiviert und das Großhirn verliert die Kontrolle über die weiteren Abläufe. Das führt nicht nur zu starken Konzentrationsproblemen, sondern auch zu einer verminderten emotionalen Steuerung. Wenn Ängste ein bestimmtes Ausmaß erreichen, schwindet die Selbstkontrolle und die innere Erregung steigt. Konkret kann das bis zu Blackouts führen. Das Gehirn nimmt keine Informationen von außen mehr auf, so angespannt ist die Lage.

Meistens entwickeln Personen mit starken Ängsten diverse langfristige Verhaltensstrategien, mit denen dieser belastende Angstzustand abgewehrt werden soll. Diese verursachen wiederum Folgeprobleme, beispielsweise greifen manche Betroffene bei aufsteigenden Ängsten zum Alkohol. Muskelentspannung ist eine der Hauptwirkungen von alkoholischen Getränken, deshalb wird der Genuss dieses Suchtmittels als hilfreich erlebt.

Die Folge: Es droht eine Alkoholabhängigkeit. Andere Betroffene steigern sich in hohen Perfektionismus, um das Versagensgefühl zu kontrollieren.

Lese-Tipp:Perfektionismus ablegen – So lebt’s sich leichter

Der Mangel an Freude und Flow bei der Arbeit sowie die permanente Furcht, beim angeblichen Versagen ertappt zu werden, mündet nicht selten in Depression oder Burnout. Bis es zu solchen Langzeitfolgen kommt, vergehen oft Jahre. Wer an Versagensangst leidet, sollte deshalb frühzeitig gegensteuern. Hier ist es zunächst hilfreich, sich die Ursachen der Versagensangst bewusst zu machen.

Ursachen: Wie entsteht berufliche Versagensangst?

Der tiefe und rationale Kern jeder Angst steckt im vererbten Wissen der Evolution. Nicht schnell genug vor dem Tiger fliehen zu können, keine ausreichende Körperstärke zu besitzen, um einen Angreifer vertreiben zu können: In früheren Jahrtausenden konnte das ein reales Todesurteil sein.

Diese Ur-Angst wird in der modernen Zivilisation auf viele Situationen übertragen, die bei genauem Hinsehen kein Überlebensrisiko mehr darstellen. Trotzdem lässt sich in jedem Menschen diese Ur-Angst aktivieren. Die erste Ursache für Versagensangst kann deshalb schon in der Kindheit liegen. Wie viel Selbstvertrauen und Zuversicht in die eigenen Fähigkeiten wurde Ihnen als Kind vermittelt?

Lese-Tipp:Selbstbewusstsein stärken: Tipps & Übungen für mehr Selbstvertrauen

Wenn Missgeschicke dazu führen, dass die Eltern mit Enttäuschung oder Missachtung darauf reagieren, lernt ein Kind, dass es für angebliches Versagen emotional bestraft wird. Das setzt sehr früh Ängste frei, bloß keine Fehler begehen zu dürfen. Das kulturelle Umfeld kann solche Entwicklungen noch bestärken. In unserer Leistungsgesellschaft hängen Status und Einkommen sehr eng damit zusammen, wie geschickt die eigenen Fähigkeiten beruflich eingesetzt werden. Leistungsbewertungen gehören zum Alltag.

Wer beruflich etwas Neues wagt und damit Schiffbruch erleidet, wird in Deutschland selten für den eingesetzten Mut bewundert. Häufig wird er stattdessen als „Versager“ tituliert.

Versagensangst bekämpfen mit diesen 5 Strategien + 6 Tipps

Wenn sich auch in dir das Selbstbild „Versager“ festgesetzt hat oder du dich in deinem (Berufs-) Alltag immer wieder dabei ertappst, wie die Versagensangst dich überkommt, können dir folgende fünf Strategien und sechs Tipps bei ihrer Bekämpfung helfen:

#1 Die Kraft der eigenen Einstellung

Es ist durchaus berechtigt, ein Scheitern im Beruf nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Falsch ist es trotzdem, das persönliche Angstproblem mit solchen äußeren Faktoren zu entschuldigen und darin zu verharren. So schwierig äußere Bedingungen auch sein mögen: Handlungsfähigkeit ist und bleibt zu einem großen Teil von den eigenen Einstellungen abhängig. Jeder Mensch hat am Beginn seines Lebens eine schier überragende Fähigkeit, jegliches Scheitern einzustecken. Der zielgerichtete Wille ist die stärkere Kraft.

Beispiel: Ein kleines Kind im Alter von einem Jahr versucht, auf seinen eigenen zwei Beinen zu stehen und zu gehen. Bevor es das schafft, stürzt und fällt es unzählige Male hin – manchmal sogar sehr schmerzhaft. Ein so kleines Kind ist seelisch noch vollkommen unverdorben von Leistungsabwertung. Niemals würde es sich nach drei oder vier schmerzhaften Stürzen in die Krabbelecke setzen und eine innere Reflexion betreiben, die lautet: „Ich bin ein Versager. Alle Menschen lernen laufen, nur ich nicht, ich tue mir nur erfolglos weh dabei.“

Stellt man die unverdorbene Energie des Kindes und die trostlosen Gedanken von Erwachsenen einmal gegenüber, so lässt sich schnell erkennen, dass sich in den dazwischenliegenden Lebensjahren vieles in der eigenen Einstellung verändert haben muss. Es ist ein sogenannter „innere Kritiker“ entstanden, der einem selbst den Mut nimmt. Mache dir bewusst, dass auch du einmal fähig warst, unzählige Male auf die Nase zu fallen, um Laufen zu lernen, und dass es dir damals möglich war, das Ziel im Auge zu behalten und nicht am Scheitern zu leiden. Dann entdeckst du, dass deine Versagensangst im Laufe des Lebens erworben wurde und kein unabänderliches Schicksal ist.

#2 Lernen durch Fehler

Das Kleinkind muss alles lernen: Laufen, Sprechen, Türen öffnen. Es denkt aber nicht über die eigene Person nach. Es probiert sich im Handeln aus und lernt aus Erfahrung. Wird das Scheitern nicht sofort als Fehler, Falsches oder Dummheit ausgelegt, sondern nur als Teil eines Lernexperiments, können Fehler sogar Spaß machen. Nach dem „Versuch-macht-klug“-Prinzip eine Lösung zu entwickeln, hat einen spielerischen Grundzug. Das Gemüt wird nicht davon belastet, sondern der Fehler kann ein Ansporn sein, es trotzdem schaffen zu wollen. Es muss ja eine Lösung geben – wie könnte sie denn lauten?

Lese-Tipp:Wer wagt, gewinnt – Vom Risk-Taker zum Überflieger

Fehler sind genau genommen kein falsches Handeln, sondern ein notwendiger Schritt in einem Entwicklungsprozess. Sie gehören zwingend zum Erwerb von Fähigkeiten dazu. Natürlich gibt es berufliche Fehler, die schwer wieder gut zu machen sind – denke nur an einen Lokführer, der ein Signal übersieht. In der Regel jedoch sind berufliche Fehler höchstens unangenehm, weil sie Mehrarbeit erzeugen. Sie regen aber zu neuen kreativen Lösungen an: Eselsbrücken, Merkzettel, selbst entwickelte Methoden, die Arbeit effektiver zu gestalten. Fehler haben nur selten dramatische Folgen für Leib und Leben. Sie können in der Realität ein Antrieb für Kreativität und methodische Verbesserungen sein. Dieser Gedanke nimmt einen guten Teil des Drucks von der eigenen Person.

#3 Befreiung aus dem Tunnelblick

Selbstdistanz ist eine wichtige Kompetenz, um Versagensangst zu überwinden. Da Ängste sehr starke Symptome freisetzen, fokussieren Betroffene ihre Wahrnehmung vor allem auf sich selbst – auf die Bewertung ihrer eigenen Leistung. Daraus entsteht ein Tunnelblick, der für andere Aspekte kaum noch offen ist. Eine hilfreiche Taktik ist die Vorstellung, du schwebst hoch in den Wolken und beobachtest dich von dort wie einen fremden Mensch selbst. Diese bildliche Vorstellung von großer Ferne und Höhe unterstützt die Fähigkeit zur Selbstempathie, um sich mit mehr Wohlwollen wahrzunehmen. Aus diesem Wolkenblick heraus zeigen sich die möglichen Fehler bei der Arbeit in ihrem realistischen Licht. In der Regel sind sie bestenfalls lästig.

„Weisheit ist Distanz.“
(Paul Mehlhorn)

Hinzu kommt: Dieser distanzierte Blick hilft, die Erwartungen von Kollegen oder Vorgesetzten in einem klareren Licht zu sehen. Das Wahrnehmen von Fehlern ist kein Selbstzweck. Sobald die Aufgabe oder Arbeit einer anderen Person durch die eigenen Fehler behindert wird, kommt es überhaupt dazu, dass berufliche Schwächen eine Bedeutung erlangen. Es geht also um ein praktisches Problem, nicht um die Bewertung der eigenen Person. Die Selbstdistanz, geübt am Fantasieblick hoch aus den Wolken, hilft dabei, die Fehler nicht wichtiger zu nehmen als die Sache, um die es eigentlich geht.

#4 Sich nicht bei der Niederlage aufhalten

Der bekannte Basketballspieler Michael Jordan sagte einmal von sich, dass er 26 spielentscheidende Würfe ausführte, die danebengingen. Ein Mensch mit Versagensangst würde sinngemäß denken: „Wegen mir hat unsere Mannschaft 26 Mal verloren.“ Michael Jordan behauptet jedoch, er habe so oft verloren – deshalb sei er so erfolgreich. Gerade im Sport ist Versagen unvermeidlich. Ob Elfmeterschießen, Sprung von der Skischanze oder eben Basketball: Mal klappt alles so gut, wie im Training geprobt, mal geht etwas schief und das Spiel oder der Wettkampf münden in einer Niederlage.

Erfolgreiche Sportler haben sich die ursprüngliche Kompetenz erhalten, die sie schon als Kleinkind hatten: Eine Niederlage schnell hinter sich zu lassen und die Konzentration wieder auf die nächste Zielmarke zu fokussieren. Sie arbeiten unermüdlich an ihrer Technik und sind trotzdem, wie alle Menschen, nicht immer in Bestform. Dieses Beispiel zeigt: Es geht beim Erfolg nicht einfach darum, permanent zur besten Leistung fähig zu sein. Viel wichtiger ist es, Scheitern nicht als Infragestellung der eigenen Person zu erleben.

#5 Tipps gegen Versagensangst

Angst ist so belastend, weil sie starke körperliche und psychische Symptome auslöst. Wie kannst du nun einen Weg aus dieser Not herausfinden? Hier eine kleine Schritt-für-Schritt-Anleitung:

  1. Mache dir deine Angst bewusst und akzeptiere, dass dieses Problem dich augenblicklich, aber nicht dein Leben lang behindert. Du hattest die Versagensangst als Kleinkind noch nicht und du wirstn sie deshalb auch wieder los.
  2. Versuche herauszufinden, wann die Versagensangst entstanden ist. Vermutlich war das schon in der Kindheit. Wie kam es zu dieser Entwicklung? Erkenne, dass sie erlernt wurde.
  3. Sobald sich Versagensangst spürbar macht, erinnere dich daran, dass du als kleines Kind ganz frei davon warst. Sammele in Gedanken alle Erfolge, die du schon errungen hast. Mache dir bewusst, dass dein Leben aus vielen gemeisterten Herausforderungen besteht. Sei stolz auf diese Energie und Kraft in deinem Leben.
  4. Hast du bei einer ganz konkreten beruflichen Aufgabe die Angst, an ihr zu versagen? Dann wende den Wolkenblick an, um Selbstdistanz einzunehmen. Schenke dir Wohlwollen. So bleibst du entspannt.
  5. Lerne gezielt eine Entspannungstechnik wie Autogenes Training und baue diese in deinen regelmäßigen Tagesablauf ein. Das erzielt eine langfristige Wirkung, die dich weniger anfällig für Angstsymptome macht.
  6. Schenke dir Freude. Mache es dir zu einem Ritual, jeden Abend deine kleinen oder großen Erfolge in ein Tagebuch zu schreiben. Lenke deine Gedanken auf deine schönen Fähigkeiten. Mit der Zeit verliert der „innere Kritiker“ seine große Bedeutung.

Lese-Tipp:Erfolgstagebuch: Kleines Helferlein mit großer Wirkung

Fazit: Du hast die Versagensangst erlernt – und kannst sie wieder verlernen!

Fakt ist also: Versagensangst ist nicht angeboren oder gottgegeben. Du hast diese (vermutlich in deiner Kindheit) erlernt und kannst sie dementsprechend auch wieder verlernen. Starte mit unseren Tipps in ein angstfreies Leben und werde dadurch im Beruf sowie auch privat erfolgreicher. Und wenn dich die Angst einmal akut überkommt, probiere es doch mit einer kurzen Pause und etwas Entspannung. Allein, sich die Versagensangst bewusst zu machen, kann dabei schon kleine Wunder bewirken.

Bildnachweis: aldomurillo/istockphoto.com