Viele Beschäftigte möchten auch im Berufsleben gerne authentisch sein. Die Kritiker der Authentizität sehen diese im Job aber als völlig fehl am Platz an.

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Wer zu offen mit seinem Privatleben oder auch seinen Emotionen umgeht, kann damit seine berufliche Karriere aufs Spiel setzen.

Es gilt daher, eine Art „berufliche Authentizität“ zu entwickeln, welche zwar deinen Überzeugungen und deiner Persönlichkeit entspricht, zeitgleich aber auch die im Beruf notwendige Professionalität zulässt.

Wer also das Gefühl hat, tagtäglich eine Rolle spielen oder völlig gegen die eigenen Moralvorstellungen arbeiten zu müssen, sollte über einen Berufs- oder Jobwechsel nachdenken. Ansonsten wirst du mit der Kunst der reflektierten Authentizität sowohl glücklich und gesund als auch erfolgreich sein können. Gestützt wird diese Aussage nun durch eine spannende Studie, welche unlängst von Adam Grant unter dem reißerischen Titel „The Dangers of Being Authentic“ kommentiert und öffentlich diskutiert wurde.

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136 Studien und ein klares Fazit

Thema dieser öffentlichen Diskussion sind insgesamt 136 Studien, welche über mehrere Jahrzehnte und mit über 23.000 Teilnehmern in den USA durchgeführt wurden. Die Aussagen, welche hierbei im Mittelpunkt standen, waren:

  • Mein Verhalten ist stets Ausdruck meiner wahren Gefühle, Werte und Überzeugungen.
  • Ich gebe mich jederzeit als die Person, die ich wirklich bin.
  • Ich würde meine Meinung nicht ändern, nur um anderen Menschen zu gefallen.

Genau genommen drehte es sich also um die Selbsteinschätzung der Studienteilnehmer hinsichtlich ihrer Authentizität sowohl im Privat- als auch im Berufsleben. Eine Auswertung all dieser 136 Studien zeigt nun ein deutliches Ergebnis: Jene Befragten, welche sich selbst als durchweg authentisch einschätzen, verzeichnen beruflich weniger Erfolge und sind deutlich seltener in Führungsposition zu finden. Ist die Authentizität also tatsächlich eine Gefahr für deine Karriere?

Was die Authentizität so gefährlich macht – 3 Theorien nach Adam Grant

Dass die Authentizität im Berufsleben nicht immer angebracht ist und weshalb, haben wir im Vorgängerartikel bereits für dich geklärt. Der Autor Adam Grant hat nun aber noch einmal ganz neue, spannende Thesen aufgestellt, weshalb genau die Authentizität für die Karriere so gefährlich sein kann und beruft sich dabei auf drei mögliche Theorien von verschiedenen Sozialwissenschaftlern:

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  1. Authentizität bedeutet ja, dass du mit dir selbst völlig im Reinen bist und dies sowohl nach innen als auch nach außen in jeder Situation lebst. Wer allerdings mit dem Status Quo absolut zufrieden ist, hat keinen Grund zur Veränderung sowie zur Verbesserung. Gesundes Wachstum und eine stetige Weiterentwicklung gehören aber zu einem erfolgreichen und erfüllten Leben dazu – vor allem im Beruf. Adam Grant bezieht sich daher auf die Theorie, dass jene Menschen, welche gänzlich damit beschäftigt sind ihr „wahres Ich“ zu leben, dadurch vielleicht vergessen könnten, sich weiterzuentwickeln und so auch im Beruf mit der Zeit zu gehen. Solange eben, bis sie von der Konkurrenz überholt werden.
  2. Eine weitere spannende Theorie ist, dass sich Authentizität selbst auszuschließen scheint. Das bedeutet, dass ein Unternehmen, in welchem alle Führungskräfte und Mitarbeiter authentisch leben und arbeiten, unrealistisch ist. Auch diese These beruht auf einer interessanten Studie: Demnach fühlen sich Mitarbeiter minderwertiger, je authentischer ihre Führungskraft ist. Wieso allerdings, ist nicht geklärt. Fakt ist aber, dass Mitarbeiter einer authentischen Führungskraft dadurch eher dazu neigen, selbst nicht authentisch zu sein – zumindest im Berufsleben. Ein von der untersten bis zur obersten Ebene authentisches Unternehmen? Dies wäre demnach nicht möglich!
  3. Die dritte und letzte Theorie lautet: Authentizität verleitet dazu, zu viel preiszugeben. Zwei psychologische Studien fanden heraus, dass Menschen, die sich selbst als authentisch beschreiben würden oder gerne authentisch wären, deutlich mehr private Informationen über soziale Netzwerke veröffentlichen und dadurch mitunter ihre professionellen Beziehungen aufs Spiel setzen.

Dies führt uns zur nächsten Frage: Welchen Anteil trägt die fortschreitende Digitalisierung daran, dass Authentizität immer häufiger als Gefahr gewertet wird?

Authentizität in der digitalen Welt der sozialen Netzwerke

Die digitale Welt ist hinsichtlich der Authentizität noch einmal ein ganz eigenes Thema. Authentisch sein, darauf wird nämlich bei Facebook, Instagram, Twitter & Co absolut kein Wert gelegt. Selbst in den beruflichen sozialen Netzwerken, wie Xing oder LinkedIn, wirst du nur selten ein wahrlich authentisches Profil finden. Wieso? Weil es die Anonymität im Internet sowie professionelle Fotobearbeitungsprogramme schlichtweg möglich machen.

Bei Instagram wirst du kaum mehr ein Foto entdecken, welches nicht bearbeitet ist und das perfekte Essen, den perfekten Ort oder auch den perfekten Menschen zeigt. Die Lebensläufe bei Xing sind gewiss um einige unschöne Lücken erleichtert und von den 700 Freunden bei Facebook kennt der Benutzer vermutlich nicht einmal die Hälfte persönlich. Authentisch bist du auf Facebook nur plötzlich dann, wenn du ungewollt auf dem Saufbild vom letzten Wochenende markiert werden und dabei leicht angetrunken und vom Tanzen verschwitzt irgendwie nicht ganz so gut getroffen sind. 99 Prozent der Benutzer werden dieses Bild daher schnell von der eigenen Pinnwand entfernen oder, wenn möglich, einfach ganz löschen. Authentizität ist in den sozialen Netzwerken daher ein sehr zwiespältiges Thema:

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Pro: Mehr Authentizität in den sozialen Netzwerken bitte!

Die ständige Perfektion, welche uns bei Facebook, Instagram oder auf den Linked- und XING-Profilen vorgegaukelt wird, fördert auch den Wunsch zur stetigen Selbstoptimierung. Für einen kurzen Motivationsschub zu mehr Sport und gesünderer Ernährung, für den spontanen Gang zum Friseur für einen neuen Haarschnitt oder auch für die Belegung einer Weiterbildung, die du schon längst machen wolltest und worauf dich Xing nun wieder unmittelbar aufmerksam gemacht hat, mag das auch durchaus gut sein. Doch die stetige Selbstoptimierung ist kein gesunder Prozess, wenn er dazu führt, dass du dich selbst unnötig unter Druck setzen und dadurch sogar in Stress geraten.

Genau aus diesem Grund wird den sozialen Medien auch unter anderem die Förderung der Generation Maybe zugesprochen. Ein bisschen mehr Authentizität auf Facebook, Twitter & Co könnte daher eine große Last von den Schultern der jüngeren Generation nehmen. Wenn nicht mehr jedes Profil geschönt ist, fühlen die häufig unentschlossenen Berufseinsteiger sich vielleicht auch nicht mehr ganz so minderwertig.

Contra: Das Internet vergisst niemals

Zu viel Authentizität jedoch, kann auch über die sozialen Netzwerke hinsichtlich deiner Karriere gefährlich werden. Wieso? Weil nicht jeder von deiner Trennung, von deinem Partyurlaub oder deinem neuen Auto erfahren muss. Auch das ewige Posten trauriger Gedichte, weil du über eine gescheiterte Beziehung nicht hinwegkommst, oder von lustigen Videos mit teilweise unverschämter Zweideutigkeit, bei welcher man nicht mehr weiß, ob man belustigt oder schockiert sein soll, sind zu viel der Authentizität im Internet. Es ist schließlich bekannt, dass das Internet niemals vergisst.

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Und auch wenn du bei Facebook hinterher auf „Löschen“ drückst, werden das peinliche Foto oder der geschmacklose Kommentar irgendwann irgendwo wieder auftauchen und können dann dein berufliches Ansehen oder sogar deine Karriere gefährden. Im Umgang mit den sozialen Netzwerken mag Authentizität daher zwar in Ordnung sein, denn ein Bewerbungsbild brauchst du nicht extra zu bearbeiten und dein Mittagessen muss nicht perfekt aussehen, doch im Zweifelsfall gilt hier:

Posten ist Silber, Schweigen ist Gold.

Du siehst, die Authentizität ist ein umfassendes Thema, mit dem wir uns noch lange beschäftigen könnten und werden. Auch diesmal werden wir dir als Fazit nur raten:

Lerne einerseits authentisch hinsichtlich deiner Werte, Moralvorstellungen und Persönlichkeit zu bleiben, doch finde im Berufsleben das richtige Maß aus Authentizität und Professionalität – vergiss dabei auch die sozialen Netzwerke nicht.

Bild: lechatnoir/istockphoto.com

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Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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