Und täglich grüßt das Murmeltier – oder sagen wir besser: Jährlich grüßt der Winter Blues. Wenn die Tage kürzer und die Nächte länger werden, die Sonne sich immer seltener blicken lässt und die Kälte sich auch durch die dickste Winterjacke frisst, leiden viele Menschen in Deutschland unter depressiven Verstimmungen.

Definition: Winter Blues muss nicht gleich eine Depression sein

Auch, wenn landläufig von einer Winterdepression gesprochen wird, handelt es sich eigentlich nicht um eine ernsthafte Erkrankung, sprich eine „klassische“ Depression. Die Winterdepression zählt als sogenannte saisonal abhängige Depression, auch „Seasonal Affective Disorder“ (SAD). Sie tritt also im wahrsten Sinne des Wortes nur im Winter auf, beziehungsweise in den kalten und dunklen Jahreszeiten. Sie kann also bereits im Herbst beginnen, verschwindet aber in der Regel spätestens im Frühjahr, wenn es wieder heller und wärmer wird, ganz von selbst.

Auch eine manische Form der Winterdepression ist möglich, mit starken Stimmungsschwankungen von extremer Antriebslosigkeit bis hin zu unbändiger Euphorie und Selbstüberschätzung. Dennoch darf nicht jede im Winter auftretende Depression mit dem Winter Blues verwechselt werden. Nur rund jede zehnte stellt eine Winterdepression dar (Quelle: Netdoktor). In neun von zehn Fällen handelt es sich also um eine „klassische“ Depression, die auch im Frühjahr und Sommer nicht einfach wieder von selbst verpufft und dringenden Behandlungsbedarf hat.

Wie aber können Sie den „harmlosen“ Winter Blues von einer ernstzunehmenden Depression unterscheiden?

Symptome: So erkennst du eine Winterdepression

Wenn also eines oder mehrere der folgenden Symptome bei dir nur (!) in der dunklen Jahreszeit auftreten, könnte es durchaus sein, dass auch du von einer Winterdepression betroffen bist:

  • Antriebslosigkeit
  • Müdigkeit mit vermehrten Schlafbedürfnis, eventuell sogar Schlafsucht
  • gedrückte Stimmung
  • Gereiztheit
  • Konzentrationsstörungen
  • extreme Stimmungsschwankungen
  • Heißhungerattacken, vor allem auf Süßigkeiten
  • eventuelle Gewichtszunahme
  • Vernachlässigung im Sinne von „Sich-gehen-lassen“
  • sozialer Rückzug bis hin zu einer vollständigen Isolation

Wichtig: Klassische und Winterdepression unterscheiden lernen

Die Winterdepression unterscheidet sich in ihrer Symptomatik durchaus von einer „klassischen“ Depression. Wenn du unter einer depressiven Verstimmung zu leiden beginnst, ist es daher wichtig, dass du die Symptome genauestens beobachtest und richtig einzuordnen weißt. Eine klassische Depression ist dringend behandlungsbedürftig. Suche daher unmittelbar einen Arzt auf, wenn du unter einer oder mehreren der folgenden Beschwerden leidest:

  • Schlafstörungen bis hin zur Schlaflosigkeit
  • Appetitverlust
  • Gewichtsabnahme

Eine klassische ist von einer Winterdepression aufgrund der konträren Symptomatik in der Regel relativ einfach zu unterscheiden. Das bedeutet nun aber nicht, dass du bei einer Winterdepression nicht auch einen Arzt aufsuchen solltest.

Ab zum Arzt – Wann ist eine Winterdepression behandlungsbedürftig?

Rund ein Viertel der deutschen Bevölkerung leidet unter dem sogenannten Winter Blues. Hierbei handelt es sich aus ärztlicher Sicht aber noch nicht um eine behandlungsbedürftige Depression, sondern lediglich um eine milde Form der depressiven Verstimmung, das sogenannte subsyndromale SAD (s-SAD). Betroffene können dieses in Eigenbehandlung meist sehr gut in den Griff bekommen und spätestens mit den ersten Sonnenstrahlen im Frühjahr sollten die Beschwerden ohnehin der Vergangenheit angehören. Ist dies nicht der Fall, solltest du dringend einen Arzt aufsuchen. Wann noch? Gemeinhin gilt:

Bei Suizidgedanken musst du dich unbedingt sofort in ärztliche Behandlung begeben!

Einen Arzt solltest du außerdem aufsuchen, sobald du die Symptome als belastend empfindest oder wenn diese länger als zwei Wochen am Stück anhalten. Wir empfehlen dir ohnehin grundsätzlich den Gang zum Hausarzt, um mittels Gesundheitscheck vorsorglich Erkrankungen mit ähnlicher Symptomatik ausschließen zu können, wie eine Schilddrüsenfehlfunktion oder Blutarmut.

Ursachen: Wie entsteht die Winterdepression?

Experten vermuten eine erbliche Veranlagung zu depressiven Verstimmungen und dadurch auch zu einer Winterdepression. Zudem sind vorwiegend Frauen ab 20 anfällig für den Winter Blues. Auch Hormone sowie die individuelle Stressresistenz eines Menschen können eine Winterdepression begünstigen. Die Genetik spielt zudem insofern eine Rolle, als dass die Beschaffenheit der Netzhaut im Auge von Mensch zu Mensch unterschiedlich ist. Der Hauptgrund einer Winterdepression wird nämlich im verringerten Lichteinfall ins Auge durch die fehlende Sonneneinstrahlung vermutet.

Sehen wir uns den Entstehungsmechanismus einmal genauer an:

  1. Im Winter scheint die Sonne seltener und weniger stark.
  2. Dies zieht eine geringere Gesamthelligkeit nach sich und dadurch einen verringerten Lichteinfall ins Auge.
  3. Dunkelheit gilt für die Zirbeldrüse im Auge aber als Kommando, um das Hormon Melatonin auszuschütten – das Schlafhormon.
  4. Melatonin wird im Winter daher vermehrt und vor allem auch tagsüber ausgeschüttet und macht die Betroffenen müde.
  5. Melatonin wird aber nicht „neu produziert“, sondern von der Zirbeldrüse aus Serotonin umgewandelt – dem Glückshormon.
  6. Während also die Müdigkeit steigt, sinkt der Serotoninspiegel im Körper und damit auch das gefühlte „Glückslevel“ der Betroffenen.
  7. Dies versucht der Körper durch „künstliches“ Serotonin wieder auszugleichen, wie es in Zucker und Bestandteilen von Schokolade zu finden ist. Das wiederum erklärt die mit einer Winterdepression einhergehenden Heißhungerattacken.

Aus diesem Grund wird die Winterdepression in Fachkreisen auch „Lichtmangeldepression“ genannt. Menschen mit einer lichtempfindlicheren Netzhaut sind demnach weniger gefährdet an einer Winterdepression zu erkranken als Menschen mit einer lichtundurchlässigeren Netzhaut.

Therapie: So machst du einer Winterdepression den Garaus

Endlich eine gute Nachricht: Winterdepressionen sind in der Regel gut behandelbar und verschwinden spätestens mit der vermehrten Sonneneinstrahlung im Frühjahr wieder ganz von selbst. Doch so lange möchtest du gewiss nicht warten, schließlich dauert der Winter in Deutschland gerne einmal fünf bis sechs Monate.

Je nach Schwere der Winterdepression, stehen dir verschiedene Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, welche du Schritt für Schritt ausprobieren solltest – bis du deine individuelle Behandlungsmethode gefunden hast.

Schritt 1: Bewegung und frische Luft

Auch wenn du dich müde und träge fühlst und absolut keine Lust hast, dein gemütliches Sofa zu verlassen: Frische Luft ist das beste Mittel gegen den Winter Blues. Unternehme regelmäßige Spaziergänge oder treibe – besser noch – sanften Ausdauersport im Freien. Das regt nicht nur die Ausschüttung von Serotonin an, sondern ist zudem wichtig für die Produktion von Vitamin D. Auch ein Vitamin D Mangel kann dir im Winter nämlich die verbleibende Energie rauben. Notfalls kannst du in Absprache mit deinem Hausarzt in den Wintermonaten deinen Vitamin D Spiegel auch durch Präparate aufbessern.

Schritt 2: Die Ernährung kontrollieren

Da eine Winterdepression häufig mit Heißhungerattacken einhergeht, solltest du gerade jetzt bewusst auf deine Ernährung achten. Zwar mögen Zucker und Schokolade dein Wohlbefinden kurzfristig verbessern, auf Dauer leidet aber deine Gesundheit. In der Regel folgt die Gewichtszunahme und du fühlst dich erst recht schlapp und kraftlos. Eine gesunde und ausgewogene Ernährung schenkt dir hingegen neue Energie und bringt zumindest dein körperliches Wohlbefinden wieder auf Vordermann – denn du weißt ja: Körper und Psyche beeinflussen sich gegenseitig!

Schritt : Lichttherapie

Sollte dein Winter Blues also etwas stärker ausgeprägt sein, versuche es doch lieber mit einer Lichttherapie.

Diese kannst du entweder direkt beim Arzt durchführen lassen oder du erwirbst nach Absprache eine entsprechende Lampe in guter Qualität für Zuhause. Kostenpunkt: Rund 100 bis 200 Euro. Bei der Lichttherapie treffen Lichtstrahlen mit 50- bis 100-facher Helligkeit auf die Netzhaut und bringen die Wechselwirkung zwischen Melatonin und Serotonin wieder in Einklang. Die Lichttherapie zeigt bei 60 bis 70 Prozent der Betroffenen bereits nach einer Woche große Erfolge. Eine Stunde täglich soll dafür absolut ausreichend sein.

Schritt 4: Johanniskraut und andere pflanzliche Medikamente

Hat auch die Lichttherapie bei dir nicht (ausreichend) gewirkt, kannst du dich an eine medikamentöse Behandlung wagen. Dafür musst du aber noch lange nicht zu chemischen Mitteln oder Antidepressiva greifen. Versuche es doch erst einmal pflanzlichen Stimmungsaufhellern wie Johanniskraut. Dieses kann als Tee oder in höher dosierter Form auch als Kapsel eingenommen werden und zeigt nachweislich Erfolge bei der Behandlung von Depressionen.

Vorsicht: Auch pflanzliche Mittel können Nebenwirkungen und Wechselwirkungen aufweisen. So hebelt Johanniskraut zum Beispiel die Wirkung der Antibabypille aus.

Schritt 6: Ab in den Süden!

Es wirkt alles nichts oder du hast ohnehin ein paar Urlaubstage und etwas Geld übrig? Dann heißt die wohl einfachste und wirksamste Methode gegen die Winterdepressionen: Steige ins Flugzeug und lasse es dir irgendwo in der Sonne gut gehen. Ob Entspannung am Strand, die Vulkanwanderung oder das Wellness-Hotel: Tanke ein wenig Sommer, um dann nach der Heimkehr auch den restlichen Winter ohne „Blues“ zu überstehen. Und wenn dir das nicht möglich ist, so sorgt eventuell auch der kurze Wochenendtrip im nahegelegenen Wellness-Hotel für ein wenig Stimmungsaufhellung?!

Schritt 6: Beistand durch eine Psychotherapie

Handelt es sich nicht mehr „nur“ um einen Winter Blues, sondern um eine handfeste Depression, kann dir eine Psychotherapie wichtigen Beistand leisten. Sie ist zwar in der Regel nicht die einzige, dafür aber eine sinnvolle ergänzende Methode für die Behandlung einer Lichtmangeldepression. Zudem hat jeder Mensch „sein Päckchen zu tragen“ und eine Therapie ist gewiss niemals die falsche Entscheidung.

Schritt 7: Medikamentöse Behandlung

Einen Psychiater musst du zudem spätestens dann aufsuchen, wenn deine Winterdepression einer medikamentösen Behandlung bedarf. Medikamente sollten der letzte Schritt sein, wenn alle anderen Register bereits erfolglos gezogen wurden. Schließlich stellen sie eine große Belastung für den Körper dar und können starke Nebenwirkungen mit sich bringen.

Dennoch: Spätestens beim Auftreten von Suizidgedanken solltest du eine medikamentöse Behandlung der Winterdepression in Erwägung ziehen. In der Regel greifen die Ärzte dann auf die auch bei einer klassischen Depression üblichen Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) zurück.

Selbsttest: Leidest auch du unter dem Winter Blues?

Je früher du eine Winterdepression behandelst, umso schneller wirst du wieder auf der Höhe sein und dich an der kalten Jahreszeit erfreuen können, bis früher oder später endlich die ersten Sonnenstrahlen den Frühling ankündigen.

Also werfe einmal einen ehrlichen Blick auf dein Wohlbefinden und frage dich: Leide auch ich eventuell unter einem Winter Blues oder sogar einer Winterdepression? Wenn du den Großteil der folgenden Fragen unseres Selbsttests mit „Ja“ beantwortest, solltest du unbedingt erste Maßnahmen ergreifen oder einen Arzt aufsuchen:

  • Ziehst du dich im Winter zurück und meidest soziale Kontakte bis hin zur vollständigen sozialen Isolation?
  • Fühlst du dich antriebslos und abgeschlagen oder leidest du unter einer „bleiernen“ Müdigkeit?
  • Kannst du eine negative Veränderung deines Wohlbefindens gegenüber den warmen Frühlings- und Sommermonaten ausmachen?
  • Schwankt dein Gewicht dahingehend, dass du im Herbst und Winter an Gewicht zunimmst und dieses dann im Frühling und Sommer wieder verlierst?
  • Schläfst du im Winter deutlich mehr und fühlst dich dennoch tagsüber energielos?
  • Nimmst du starke Stimmungsschwankungen oder ein andauerndes Stimmungstief wahr?
  • Hast du Heißhungerattacken oder isst du im Winter deutlich mehr Süßigkeiten?
  • Leidest du unter Konzentrationsstörungen und fällt dir die Arbeit im Winter schwerer als gewohnt?

Fazit: Nicht abwarten, sondern den Winter Blues aktiv vertreiben

Wenn du unter dem Winter Blues leidest, ist das kein Grund zum Schämen. Einem Viertel der deutschen Bevölkerung geht es ähnlich! Dennoch solltest du nicht einfach abwarten und Däumchen drehen, bis der Winter vorbei ist. Bereits simple Maßnahmen können im Kampf gegen die Winterdepressionen große Erfolge mit sich bringen. Zudem wird eventuell ärztliche Hilfe notwendig, um zugrundeliegende Erkrankungen auszuschließen oder eine professionelle Behandlung einzuleiten.

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