Kuriose Job-Irrtümer dienen im Streitfall zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern oft als Argumentationsbasis. Wir klären auf, was hinter den häufigsten Mythen im Arbeitsrecht steckt.

Irrtum #1: „Ich darf auf keinen Fall verraten, wie viel Geld ich verdiene.“

Verschwiegenheitsklauseln in Arbeitsverträgen, die von Mitarbeitern verlangen, dass sie nicht über ihren Verdienst sprechen dürfen, seien unzulässig – so Dr. Markus Diepold, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Dennoch seien solche Regelungen noch immer in vielen Verträgen zu finden.

Spätestens mit dem Inkrafttreten des Entgelttransparenzgesetzes dürfte klar sein, dass Arbeitnehmer ein Recht darauf haben, ein faires Gehalt einzufordern, wenn sie bei gleichen Voraussetzungen weniger als ihre Kollegen verdienen.

Kurz: Es ist erlaubt, mit Kolleginnen und Kollegen offen über das zu sprechen, was auf dem eigenen Konto landet.

Irrtum #2: „Mein Boss muss mich einige Male abmahnen, bevor dieser mich kündigt.“

Nicht immer. Arbeitnehmer sollten sich nicht in falscher Sicherheit wiegen, wenn sie zum Beispiel eine schwerwiegende Rechts- oder Pflichtverletzung begehen, etwa bei sexueller Belästigung oder bei einem Diebstahl im Betrieb. In solchen Ausnahmefällen kann eine Kündigung ausgesprochen werden, die keiner vorherigen Abmahnung bedarf.

Erfüllt ein Arbeitnehmer hingegen seine Vertragspflichten nicht, obwohl dieser in der Lage dazu wäre, erwartet das Bundesarbeitsgericht vor einer Kündigung zunächst eine Abmahnung. Auf diese Weise bekommen Mitarbeiter eine Chance, ihr Verhalten zu ändern. Bei verhaltensbedingten Kündigungen sei eine solche Abmahnung gar unverzichtbar, so die Handelskammer Hamburg. Sollte die Warnung erfolglos bleiben, können Arbeitgeber anschließend eine Kündigung aussprechen, die auch vor Gericht eher standhält.

Irrtum #3: „Urlaub während der Probezeit? Kann ich dir nicht geben.“

Arbeitgeber dürfen ihren Arbeitnehmern auch während ihrer Probezeit Urlaubstage gewähren. Mehr noch, Arbeitnehmer erwerben ein Recht darauf. Die Aussage, seinen Mitarbeitern keinen Urlaub gewähren zu können, ist damit nicht korrekt.

Der Unterschied zum Urlaubsanspruch von Mitarbeitern, die schon länger im Betrieb tätig sind, ist, dass neue Mitarbeiter noch nicht den vollen gesetzlichen Jahresurlaubsanspruch erworben haben. Dieser beläuft sich bei einer 5-Tage-Woche zum Beispiel auf 20, bei einer 6-Tage-Woche auf 24 Urlaubstage.

Arbeitnehmer, die sich noch in der Probezeit befinden, erhalten aber mit jedem abgeleisteten Probemonat 1/12 ihres Jahresurlaubs zugesprochen. Bei einer 6-Tage-Woche wären das für einen Monat (24 Urlaubstage x 1/12 =) 2 Urlaubstage.

Irrtum #4: „Mein Arbeitgeber darf mich nicht kündigen, nur weil ich krank bin.“

Auch wenn Arbeitnehmern wegen einer Erkrankung kein Schuldvorwurf gemacht werden kann und das Kündigungsschutzgesetz greift, muss differenziert werden. Klar ist, dass das ausschließliche Vorliegen einer Krankheit kein ausreichender Grund ist, um seinen Mitarbeitern eine Kündigung auszusprechen.

Trotzdem kann in speziellen Fällen, wenn einige Kriterien erfüllt sind, schon bald eine Kündigung auf dem Tisch von Betroffenen landen. Das ist vor allem bei einer sogenannten „negativen Gesundheitsprognose“ der Fall, wenn auch betriebliche Interessen dadurch in Gefahr sein könnten.

Anders gesagt: Längere Fehlzeiten von Arbeitnehmern, die einmalig auftreten, reichen häufig nicht aus, um einem Mitarbeiter zu kündigen. Vielmehr geht es um Prognosen, die darauf hindeuten, dass es auch in Zukunft zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommen könnte, welche wirtschaftlichen und betrieblichen Arbeitgeberinteressen entgegenstehen. Im Streitfall kann der Fall vor Gericht landen, weshalb Arbeitgeber stichhaltig argumentieren müssen, um zu beweisen, warum eine Weiterbeschäftigung nicht möglich gewesen wäre.

Irrtum #5: „Der Arbeitsvertrag bedarf der Schriftform.“

Hierzulande herrscht Vertragsfreiheit. Das bedeutet, dass Arbeitsverträge auch mündlich geschlossen werden dürfen. Seit dem 01.08.2022 müssen Arbeitgeber jedoch nach § 2 NachwG handeln und ihren Arbeitnehmern zumindest die Arbeitsbedingungen unbedingt in Schriftform aushändigen.

Eine digitale Bestätigung ist ausgeschlossen – es bedarf tatsächlich der Papierform. Obwohl das Nachweisgesetz bereits seit 1995 existiert, wurde es nun reformiert. Neu ist zum Beispiel, dass bei befristeten Arbeitsverträgen das Enddatum ersichtlich sein muss und auch vereinbarte Ruhepausen in Schriftform festgehalten werden müssen. Für Arbeitnehmer bedeuten die Neuerungen nun mehr Sicherheit, wenn es zu einem Konfliktfall oder zu Missverständnissen kommt.

Irrtum #6: „Arbeitnehmer dürfen die eigenen vier Wände nicht verlassen, wenn sie offiziell krankgeschrieben sind.“

Auch das ist nicht korrekt: Wer krank ist, muss nicht in der Wohnung oder im Haus versauern. Zwar bedeutet dies nicht, dass Arbeitgeber es gerne sehen, wenn trotz Krankheit exzessiv Party gefeiert wird – denn so könnten kranke Mitarbeiter ihren Gesundheitszustand selbstverschuldet verschlechtern und eine Abmahnung riskieren.

Trotzdem gibt es kein Gesetz, das kranken Arbeitnehmern untersagt, an der frischen Luft spazieren zu gehen, einzukaufen oder Freunde zu besuchen. Manchmal kann sogar ein Erholungsurlaub hilfreich sein, um die Gesundheit zu fördern.

Übrigens: Wer seine Krankschreibung selbst verschuldet, etwa indem eine gefährliche Sportart betrieben wurde, die zu einer Verletzung geführt hat, hat keinen Anspruch auf eine Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber. Eine Lohnfortzahlung erfolgt demnach nur, wenn Arbeitnehmer nichts für ihren gesundheitlichen Zustand können.

Irrtum #7: „Ich bin nicht versichert, wenn ich meiner Arbeit trotz offizieller Krankschreibung nachgehe.“

Das ist ein Irrtum. Wer krank ist, erhält eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, nicht aber ein Verbot. Ein solches gesetzliches Beschäftigungsverbot greift zum Beispiel bei werdenden Müttern, spätestens nach der Entbindung.

Wer trotz Krankschreibung arbeiten geht, genießt weiterhin den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Auch die Krankenversicherung greift. Dennoch sollten Arbeitnehmer beachten, dass es nicht immer eine gute Idee ist, krank arbeiten zu gehen. Vor allem kann der Chef in solchen Situationen selbst handeln, um seiner Fürsorgepflicht nachzukommen und den Mitarbeiter wieder nach Hause schicken. Denn kranke Arbeitnehmer gefährden nicht nur sich selbst, sondern könnten bei einer ansteckenden Krankheit auch das Team gefährden.

Irrtum #8: „Ich darf beim Bewerbungsgespräch nicht lügen.“

Grundsätzlich sollten Bewerber die Wahrheit sagen, wenn sie sich um eine Stelle bewerben und der potenzielle Arbeitgeber beispielsweise die für den Job relevanten Qualifikationen verlangt. Und doch gibt es Ausnahmen, die Bewerbern das Recht geben, zu lügen: Wenn unzulässige Fragen gestellt werden, darf auch geschwiegen oder gelogen werden.

Unzulässige Fragen können zum Beispiel folgende Themen betreffen, zu denen Arbeitnehmer und Bewerber keine Auskunft geben müssen:

  • politische oder religiöse Überzeugungen
  • sexuelle Neigungen
  • Familienplanung und Schwangerschaft
  • Vorstrafen
  • Schulden und finanzielle Verhältnisse

Irrtum #9: „Mein Boss darf mir meinen Urlaub streichen.“

Das stimmt nicht ganz. Ohne stichhaltige Begründung dürfen Chefs ihren Arbeitnehmern nicht einfach so ihren bereits genehmigten Urlaub wieder streichen. Beschäftigte können demnach guten Gewissens ihren wohlverdienten Urlaub antreten, ohne dass der Chef sich einmischen darf.

Nur in Ausnahmefällen ist es Betrieben erlaubt, dies zu tun. Gemeint ist damit zum Beispiel, dass eine Existenzbedrohung für das Unternehmen vorliegt, weil viele der Kollegen plötzlich nicht mehr ihrem Job nachkommen können, da sie krankgeschrieben sind. Es muss sich demnach um eine Notfallsituation handeln, die etwa dazu führt, dass die Produktion nicht fortgesetzt werden kann. Auch Naturkatastrophen können ein Grund dafür sein, dass der Urlaub durch den Arbeitgeber gestrichen werden muss.

Ausnahme: Wer sich bereits im Urlaub befindet, muss diesen nicht abbrechen. Kehren Arbeitnehmer trotzdem zurück oder treten sie den Urlaub gar nicht erst an, müssen Arbeitgeber in allen Fällen für entstandene Kosten aufkommen.

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