Wir steuern auf eine Zukunft der befristeten Arbeitsverhältnisse, des „Freelancertums“ und der ständigen Jobwechsel zu, da sind sich Experten sicher. Cameron Keng rechnete auf Forbes vor, warum diese Entwicklung für dein Gehalt äußerst lohnenswert sein könnte.

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Deutsche sollten ihre Angst vor einem Jobwechsel verlieren

Die deutsche Gesellschaft liebt Sicherheit, so viel ist klar. Versicherung, Eigenheim, unbefristeter Arbeitsvertrag – all das klingt in unseren Ohren nach dem Himmel auf Erden. Kaum ein Volk investiert sein Geld so konservativ und risikoarm wie wir Deutschen. Unsere größte Angst sind nicht etwa Krieg oder die Zerstörung der Umwelt, sondern Armut und soziale Ungleichheit.

Ist das Konto gedeckt, geht es uns gut, so scheint zumindest die weit verbreitete Meinung zu lauten.

Während sich ein Großteil der Deutschen vor Armut oder sozialer Ungleichheit zu fürchten scheinen, landet die Arbeitslosigkeit weit abgeschlagen dahinter. Eigentlich komisch, schließlich hängen finanzieller Wohlstand und Arbeit doch untrennbar zusammen, oder nicht?

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Wer einen unbefristeten Arbeitsvertrag in einem großen, bestenfalls internationalen Unternehmen ergattern und hier langsam die Karriereleiter erklimmen sowie sein Dasein als Industriebeamter fristen kann, hat ein sorgenfreies Leben, richtig? Falsch, sagen Experten. Nicht nur, dass die Arbeitsplatzsicherheit in Deutschland stetig abnimmt und unbefristete Verträge immer mehr zur Seltenheit werden, sondern häufige Jobwechsel verbessern die finanzielle Situation sogar. Cameron Keng hat einmal nachgerechnet und kam zu einem erstaunlichen Ergebnis:

Angestellte, die seltener als alle zwei Jahre ihre Stelle wechseln, verdienen bis zu 50 Prozent weniger.

Zudem kann ein Stellenwechsel natürlich noch weitere Vorteile mitbringen, wie weniger Überstunden, flexiblere Arbeitszeiten oder einen hierarchischen Aufstieg. Es ist also an der Zeit, dass wir Deutschen unsere Angst vor dem Jobwechsel ablegen und stattdessen damit beginnen, das Modell „Patchwork-Karriere“ als Chance auf vielerlei Ebenen zu betrachten.

Keine Gehaltserhöhung bedeutet übersetzt eine „Gehaltssenkung“

Es muss nicht immer höher, schneller, weiter sein? Da geben wir Ihnen recht! Wenn du mit deinem aktuellen Job sowie Verdienst zufrieden bist und lieber die Sicherheit des unbefristeten Arbeitsvertrages genießt, als dich alle zwei Jahre nach einer besser bezahlten Stelle umzusehen, ist das völlig in Ordnung. Aber: Auch ohne einen Jobwechsel solltest du nach spätestens zwei Jahren eine Gehaltserhöhung verlangen.

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Lese-Tipp: Gehaltserhöhung: Dieser eine Fehler bringt dich um viel Geld

Denn die 2.500 Euro netto von morgen sind weniger wert als die 2.500 Euro netto von heute. Wenn du also keine „Gehaltssenkung“ in Kauf nehmen möchtest, musst du eine regelmäßige Gehaltserhöhung einfordern. Ansonsten sinkt dein Einkommen genau genommen Jahr für Jahr immer weiter. Wieso?

Aufgrund der Inflation und steigenden Lebenshaltungskosten: deine 2.500 Euro netto pro Monat z. B. sind also nach einem Jahr mit durchschnittlich 10 Prozent Inflation (Achtung: aktuell liegt die Inflationsrate sogar bei ca. 10,4 Prozent) nur noch 2.272,73 Euro an Kaufkraft wert. Nach zwei Jahren sind es schon nur noch 2.066,12 Euro, nach drei Jahren 1.878,29 Euro und nach zehn Jahren sogar magere 1.536,14 Euro Kaufkraft – bei eigentlich gleichem Verdienst. Um deine bisherige Kaufkraft zu behalten, musst du stattdessen nach einem Jahr 2.750,00 Euro netto verdienen, nach zwei Jahren 3.025,00 Euro, nach drei Jahren 3.327,50 Euro und nach zehn Jahren 6.484,36 Euro. Es handelt sich bei dieser Berechnung also um deinen inflationsbereinigten Reallohn.

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Die 10 Prozent Inflationsrate aus unserem Rechenbeispiel werden sich früher oder später hoffentlich wieder auf zwei bis drei normalisieren. Im Januar 2015 zählte der Euroraum sogar eine Deflationsrate von 0,6 Prozent, sprich dein Geld hat an Kaufkraft gewonnen, statt verloren. Doch dabei handelt es sich um absolute Ausnahmen. Der optimale Inflationswert liegt nämlich nicht, wie du vielleicht annehmen magst, bei null Prozent, sondern bei zwei. Für den Otto Normalverbraucher sind die Gründe hierfür schwer nachvollziehbar. Diese in Gänze zu erläutern, würde an dieser Stelle zudem den Rahmen sprengen. Dennoch möchten wir die Gründe für einen Rate von zwei und gegen eine von null Prozent kurz zusammenfassen:

  • Die Inflationsrate entsteht im Spannungsfeld zwischen den Zielen der Verbraucher und jener der Zentralbanken.
  • Die Konsumenten sowie Unternehmen sind daran interessiert, die Preissteigerungen so gering wie möglich zu halten.
  • Eine hohe Inflationsrate stellt aus ihrer Sicht eine Verzerrung des Preises als Knappheitsindikator dar.
  • Für Banken bedeutet eine niedrige Inflationsrate hingegen das Risiko, auf die Nullzinsgrenze oder darunter zu stoßen.
  • Dadurch wird der Handlungsspielraum der Notenbanken sowie deren Zinspolitik stark eingeschränkt.
  • Die Zentralbanken können also in geringerem Ausmaß fördernd auf die Wirtschaft einwirken oder deflationäre Entwicklungen unterbinden.
  • Die gewünschte Inflationsrate von zwei Prozent stellt laut Experten den optimalen Kompromiss zwischen diesen gegensätzlichen Interessen dar.

Momentan steigt die Inflationsrate in Deutschland stetig. Auch Spitzenwerte wie aktuell 10 Prozent und höher sind auch in Zukunft nicht ausgeschlossen. Wenn du dich langfristig finanziell verbessern und nicht verschlechtern möchtest, musst du die Inflation daher im Auge behalten und bei deinen Gehaltsverhandlungen berücksichtigen.

Lese-Tipp:Gehaltsverhandlung: So bekommst du mehr Gehalt

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Wer sein Gehalt steigern möchte, sollte den Job wechseln – und zwar regelmäßig

Auch, wenn du nicht unbedingt auf eine Gehaltssteigerung aus bist, musst du aufgrund der Inflationsrate also in regelmäßigen Abständen eine Gehaltserhöhung mit dem Arbeitgeber aushandeln. Diese sollte sich mindestens im Rahmen der Inflationsrate bewegen, derzeit wären das also 10 Prozent. In einigen Jahren sind es vielleicht wieder ein, drei oder auch fünf Prozent.

Und genau darin liegt das Problem: In den USA lag die durchschnittliche Lohnerhöhung bei drei Prozent. Aktuell befinden sich die Reallöhne dort im Sinkflug. Auch in Deutschland waren höhere Steigerungen äußerst selten. Abzüglich der Inflation bleibt davon plötzlich nur noch die Hälfte übrig – oder vielleicht irgendwann überhaupt nichts mehr. Nehmen wir also an, du befolgst den Rat der Experten und forderst alle zwei Jahre eine Gehaltserhöhung ein, so verdienst du jedes Mal ein, zwei oder bei sehr gutem Verhandlungsgeschick auch fünf Prozent mehr. Klingt viel? Ist es nicht!

Bei einem Jobwechsel sind Gehaltssteigerungen von zehn bis 20 Prozent gegenüber der vorherigen Anstellung nicht ungewöhnlich – also ein Vielfaches der „normalen“ Gehaltserhöhung. Wenn du davon nicht nur einmal, sondern ebenfalls alle zwei Jahre Gebrauch machst, ergibt das einen enormen finanziellen Unterschied. Wie groß dieser wirklich ist, ist beinahe schockierend: Auf dein gesamtes Berufsleben gerechnet, verdienst du mit regelmäßigen Jobwechseln im Rhythmus von zwei Jahren durchschnittlich 50 Prozent mehr als in einer Festanstellung mit Gehaltserhöhungen in denselben Zeitabständen.

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Aber sind häufige Jobwechsel nicht ein No-Go im Lebenslauf?

Besonders groß ist diese Spannweite natürlich in vom Fachkräftemangel betroffenen Branchen, wo die Unternehmen Bewerber durch hohe Gehälter von der Konkurrenz abzuwerben versuchen. Zwar probiert der bisherige Arbeitgeber ebenfalls häufig, die Arbeitskraft mittels Gehaltserhöhung im Unternehmen zu halten, doch hat er dabei meist strenge Grenzen zu beachten. Er darf also beispielsweise nicht mehr als fünf Prozent erhöhen.

Bei Einstellungsverhandlungen ist dieser Spielraum in der Regel deutlich größer. Die Bewerber fordern oft bereits sehr unterschiedliche Gehälter von mehreren tausend oder zehntausend Euro Differenz pro Jahr. Der Personaler kann also freier über die Gehaltsspanne entscheiden und dementsprechend ein besseres Angebot unterbreiten. Dem Bewerber fällt es in diesem Zuge leichter, zehn bis 20 Prozent heraus zu handeln, statt „nur“ fünf oder drei.

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Dennoch schrecken viele Arbeitnehmer vor so häufigen Jobwechseln zurück. Einerseits, weil ständige Veränderungen auf Dauer sehr anstrengend sind. Andererseits, weil sie sich in ihrer aktuellen Anstellung vielleicht einfach wohlfühlen und es ja auch noch andere wichtige Faktoren für Zufriedenheit am Arbeitsplatz gibt, als nur den finanziellen Aspekt. Doch zuletzt haben viele Arbeitnehmer auch Angst davor, dass häufige Jobwechsel im Bewerbungsprozess abschreckend wirken. Dies mag in einigen konservativ geprägten Unternehmen auch immer noch der Fall sein. Doch Experten sind sich einig, dass der Trend in Zukunft zur Patchwork-Karriere geht – vielleicht sogar zur flächendeckenden projektbasierten Arbeit als Freelancer.

Lese-Tipp:Patchwork-Karriere: Wie du das Modell optimal für deinen Karriereaufschwung nutzt

Ein fortschrittlich denkender Personaler weiß also, dass häufige Jobwechsel nicht unbedingt bedeuten, dass du für Konflikte sorgen wirst oder ein generell „schwieriger“ Mensch bist. Stattdessen stehen sie für Offenheit, Neugierde und Selbstbewusstsein, schließlich traust du dir alle zwei Jahre eine neue Herausforderung zu. Du stellst dadurch eine Chance auf frischen Wind im Unternehmen dar – und auf personelle Flexibilität. Schließlich liegt die Vermutung nahe, dass du auch diese Stelle in zwei Jahren wieder verlassen wirst, was durchaus Vorteile für das Unternehmen mit sich bringt.

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Jeder Jobwechsel bedeutet auch gleichzeitig Persönlichkeitsentwicklung

Schlussendlich ist es wohl einfach eine Typfrage, ob du das regelmäßige Abenteuer eines Jobwechsels oder die scheinbare Sicherheit eines unbefristeten Arbeitsvertrages auf Kosten eines geringeren Gehaltes bevorzugst. Doch viel wichtiger noch als der finanzielle Vorteil: Jeder Jobwechsel bringt dich als Persönlichkeit weiter. Denn Persönlichkeitsentwicklung ist nur durch Veränderung möglich. Und nach jedem gemeisterten Stellenwechsel wirst du dich stärker, selbstbewusster und hoffentlich auch glücklicher fühlen.

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Denn Veränderung bedeutet ja auch stets die Chance auf Verbesserung, beispielsweise eben durch weniger Überstunden, flexiblere Arbeitszeiten oder eine höhere Position in der Hierarchie – wie eingangs erwähnt. Vielleicht ist es also auch für dich an der Zeit, den Sprung ins kalte Wasser zu wagen. Und wenn nicht, so vergiss wenigstens nicht, eine regelmäßige Gehaltserhöhung auszuhandeln, um die Inflation auszugleichen.

Welcher Typ bist du? Wechselst du gerne und häufig den Job und welche Vorteile siehst du darin? Oder fühlst du dich eher im „sicheren Hafen“ mit unbefristetem Arbeitsvertrag und routiniertem Tagesablauf wohl? Wieso? Vielen Dank für deine Kommentare!

Bildnachweis: Rafmaster/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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