Wann hast du das letzte Mal ein paar Minuten oder sogar Stunden in absoluter Stille verbracht – alleine, ohne Beschäftigung oder digitale Bespaßung? Vermutlich war das, wenn überhaupt, in deinem letzten Urlaub. Doch sogar in ihrer Freizeit meiden mittlerweile die meisten Menschen die Stille. Sie ertragen diese nicht mehr. Dabei wäre sie eigentlich in vielerlei Hinsicht wichtig. 

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Die unerträgliche Stille: Warum Menschen die Ruhe meiden

Früher war es normal, dass in der Nacht und manchmal auch tagsüber absolute Ruhe herrschte. Vielleicht hat mal ein Vogel gesungen oder ein Gewitter hat die friedliche Stille der Natur erschüttert, doch alles in allem war Ruhe der Normalzustand – und alles andere die Ausnahme.

Heutzutage ist das genau umgekehrt. Die meisten Menschen leben in einem ständigen Geräuschpegel. Klingt stressig? Ist es auch! Doch immer mehr Betroffene bemerken das überhaupt nicht. Sie haben sich an den Lärm und den unterschwelligen Stress gewöhnt. Viele Menschen ertragen die Stille überhaupt nicht mehr. Sie meiden diese also bewusst. Aber warum?

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Die größten Ereignisse — das sind nicht unsere lautesten, sondern unsere stillsten Stunden.

(Friedrich Wilhelm Nietzsche)

Ganz einfach: Lärm ist Ablenkung. Wenn du tagsüber im Großraumbüro von klingelnden Telefonen, dem neuesten Klatsch und Tratsch sowie dem Klappern der Tastatur überrannt wirst und dich zugleich noch auf deine Arbeit konzentrieren musst, kommst du nicht zum Nachdenken. Ebenso, wenn dir am Abend die Kinder von ihrem Schultag erzählen, du anschließend den Fernseher einschaltest und dich am Morgen direkt wieder durch das Radio beschallen lässt.

Denn wenn sie zum Nachdenken kämen, würden viele Menschen merken, dass sie in Wahrheit mit ihrem Leben alles andere als glücklich sind, dass sie vielleicht an ihren eigentlichen Träumen, Wünschen und Werten vorbeileben, ihre grundlegenden Bedürfnisse zurückstellen oder sich vollkommen verloren fühlen.

Dass sie Angst spüren, Schmerz und Trauer. All diese unangenehmen Emotionen sowie Gedanken lassen sich durch ständige Aktivität verdrängen – durch einen übertriebenen Aktionismus beispielsweise oder eben andauernden Lärm.

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Lärm ist also eine willkommene Ablenkung von der Selbstreflexion. Du musst dich nicht mit Problemen, Ängsten oder einfach dir selbst auseinandersetzen, wenn du die Stille meidest. Das mag auch eine Zeit lang gut gehen, doch macht Lärm auf Dauer krank. Zudem führt diese Ablenkung dazu, dass du an deinem wahren Selbst vorbeilebst und eventuell eines Tages in Reue zurückblickst. Der Weg zu einem gesunden, erfüllten und glücklichen Leben geht auf Dauer nur über die Stille.

Lärmpegel im Büroalltag – Wie neben einem Rasenmäher

Wenn du im ständigen Lärm lebst, schüttet dein Körper ohne Pause die Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol aus. Du befindest dich stets in Alarmbereitschaft und gönnst dem Körper sowie dem Gehirn keine Ruhepausen. Wusstest du, dass der Lärm in Großraumbüros vergleichbar mit jenem eines Rasenmähers ist? Würdest du den ganzen Tag neben einem solchen sitzen und arbeiten wollen? Wohl kaum! Dennoch ertragen viele von uns – zumindest eben jene, die in einem Großraumbüro arbeiten Tag für Tag diese rund 70 Dezibel.

Ständiger Lärm führt also zu andauerndem Stress mit all seinen negativen Konsequenzen für deine

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Der Lärm begünstigt demnach ein Burnout-Syndrom sowie weitere stressbedingte psychische und physische Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Migräne, Verdauungsstörungen, Rückenschmerzen, Depressionen und und und…

Warum also ist Stille so wichtig?

Absolute Ruhe ist heutzutage gerade deshalb so wichtig, weil sie zu einem seltenen Gut geworden ist. Stille bedeutet Urlaub für das Gehirn und damit auch für deinen stressgeplagten Körper. Nur durch regelmäßige Ruhepausen kannst du deine Ressourcen wieder aufladen, dich vom anstrengenden Alltag erholen und wieder zu dir selbst finden.

Glücklicherweise rückt die Bedeutung der Stille aktuell dank Trends wie Yoga oder Meditation wieder mehr in den Fokus der westlichen Gesellschaft, wo sie lange Zeit in Vergessenheit geraten war. Es gibt in Finnland mittlerweile sogar eine ganze Tourismusindustrie, die auf dem neugefundenen Bedürfnis der gestressten Deutschen nach Ruhe aufbaut. Auch hierzulande findest du immer häufiger Angebote wie „Wald-Baden“ oder „Natur-Therapie“. An sich mag daran nichts auszusetzen sein. Doch Stille sollte ein fester Bestandteil deines Lebens werden – und nicht eine einmalige Abwechslung zum üblichen Partyurlaub.

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Stille wirkt sich positiv auf das Gehirn aus

Nur, wenn du dich regelmäßig der absoluten Stille aussetzt, kannst du von den zahlreichen positiven Konsequenzen profitieren. Laut einer Studie der WHO aus dem Jahr 2011 handelt es sich bei der Lärmbelästigung um eine der größten Gesundheitsgefahren unserer modernen Gesellschaft – eine regelrechte Plage, um wörtlich zu zitieren. Stille ist dabei das einzig wirksame Gegenmittel und das bringt deutlich mehr positive Effekte mit sich, als du vielleicht vermuten würdest. Absolute Ruhe ist wie Urlaub für dein Gehirn. Stille wirkt sich also direkt positiv auf das Gehirn aus und damit auch auf deine psychische sowie physische Gesundheit:

#1 Stille reduziert die Stresshormone

Wie du bereits weißt, werden durch kleinste Geräusche, die eine „Gefahr“ darstellen könnten, die Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin sowie Cortisol ausgeschüttet. Dein Nervensystem befindet sich durch den Dauerlärm also in ständiger Alarmbereitschaft – auf gut Deutsch im Stress. Das ist nicht nur anstrengend, sondern auf lange Sicht eine echte Belastung für deine Gesundheit. Regelmäßige Auszeiten in der Stille helfen dir dabei, den Pegel der Stresshormone in deinem Körper wieder zu senken und dadurch überhaupt zu wahrer Entspannung in der Lage zu sein. Nur so kannst du deine Ressourcen wieder aufladen, um die nächste stressige Phase zu überstehen. Ansonsten brennst du immer weiter aus – schlimmstenfalls bis zum Burnout-Syndrom.

Lese-Tipp: Burnout verhindern – 10 wirksame Tipps zur aktiven Prävention

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#2 Stille fördert die physische Gesundheit

Durch die Ruhe reinigst du deinen Körper also von den Stresshormonen und entlasten damit deinen Körper. Die Stresshormone sowie ihre ungesunden Nebenprodukte wie Blutfett oder Zucker werden abgebaut und damit dein gesamter Organismus gereinigt. Stille ist daher wichtig für die körperliche Gesundheit. Sie kann stressbedingte Folgeerkrankungen wie einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall präventiv verhindern und dadurch dein Leben retten. Du steigerst zudem dein Wohlbefinden und verringert stressbedingte Beschwerden wie Verdauungsstörungen, Rückenschmerzen, Schlafprobleme, Migräne & Co.

#3 Stille erlaubt Selbstreflexion

Stille ist also nicht nur für die physische, sondern auch für die psychische Gesundheit essentiell. Sie erlaubt dir, in die Selbstreflexion zu gehen, zu dir selbst und damit auch zu deinem Glück zu finden. Nur in der Ruhe kannst du negative Erlebnisse verarbeiten, alte Glaubenssätze auflösen und neue Träume oder Ziele finden. Du kannst deinen Gedanken nachhängen, in Tagträumen versinken oder Lösungen für Probleme finden. Was auch immer du mit der Ruhe anfangen möchtest: Sie ist der Schlüssel zur Selbstreflexion und damit auch zu deinem wahren Glück. Nicht ohne Grund sind Yoga, Meditation & Co aktuell schwer im Kommen.

Lese-Tipp: Aus „negativ“ mach „positiv“: Glaubenssätze auflösen und umwandeln

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Sie bringen in unsere westliche Gesellschaft die Bodenständigkeit, Dankbarkeit und Genügsamkeit zurück. Stille erlaubt dir, herauszufinden, wer du bist, was du willst und was du an deiner aktuellen Lebenssituation ändern musst. Genau deshalb haben so viele Menschen aber auch Angst vor der Ruhe: Sie deckt auf, was aktuell schiefläuft, sie müssen sich Fehler eingestehen, Verluste verarbeiten und sich ihren Ängsten stellen. Wer sich diese Aufgabe nicht alleine zutraut – beispielsweise aufgrund belastender Traumata in der Vergangenheit – kann und sollte sich für die Selbstreflexion professionelle Hilfe holen. Die Stille auf Dauer zu umgehen, wird dich hingegen krank und unglücklich machen. Garantiert!

#4 Stille erhöht die Auffassungsgabe

Stelle dir das Gehirn vor wie einen Blumentopf. Jede Pflanze braucht Wasser. Doch wenn du zu viel Wasser auf einmal hineingießt, wird der Topf überlaufen. Du musst stattdessen warten, bis das Wasser versickert ist. Nur so kannst du Nachschub eingießen und die Pflanze kann in voller Pracht erblühen. Auch die Informationen sowie Geräusche, welche du Tag für Tag aufnimmst, füllen das Gehirn nach und nach. Es braucht Zeit und Stille, um diese verarbeiten und dadurch Raum für neue Informationen schaffen zu können.

Der Weg zu allem Großen geht durch die Stille.

(Paul Keller)

Ohne Ruhe sind deine Ressourcen bald ausgeschöpft. Dein Kopf fühlt sich voll an, du bist erschöpft, gestresst und überlastet. Stille ist also der „Gärtner“ deines Gehirns. Du entfernst Altlasten und schaffst dadurch Raum – damit du frisch, aufnahmefähig sowie voller Energie in den nächsten (Arbeits-) Tag starten kannst.

#5 Stille fördert die Konzentration

Mit frischen Ressourcen kannst du dich anschließend auch wieder besser konzentrieren. Zudem gibt es in einer ruhigen Umgebung natürlich deutlich weniger Ablenkung als beispielsweise im Großraumbüro mit klingelnden Telefonen, tratschenden Kollegen und klackernden Tastaturen. Stille aktiviert das sogenannte „Default Mode Netzwerk“ im Gehirn. Das bedeutet, dass Hirnregionen aktiv werden können, welche bei einer Ablenkung durch Geräusche „besetzt“ sind. In der Stille hast du also Zugriff auf mehr Gehirnareale und kannst dadurch nicht nur konzentrierter, sondern auch besser arbeiten.

#6 Stille lässt das Gehirn wachsen

Das Gehirn „wächst“ in der Stille aber nicht nur metaphorisch, indem mehr Areale frei werden. Stattdessen konnten Forscher im Jahr 2013 im Rahmen ihrer Studie „Is silence golden? Effects of auditory stimuli and their absence on adult hippocampal neurogenesis“ herausfinden, dass bei täglicher Stille neue Zellen in der Gehirnregion des Hippocampus wachsen – also in dem Areal, das für das Gedächtnis und die Lernfähigkeit verantwortlich ist.

#7 Stille macht kreativ

Zuletzt fördert die Stille auch deine Kreativität. Du hast deine Ressourcen aufgeladen, Gehirnareale freigemacht, neue Gehirnzellen gesät und kannst dadurch nun besser Zusammenhänge erschließen sowie einfacher auf Gedanken, Erinnerungen sowie Ideen zugreifen. Dein Gehirn funktioniert schlichtweg besser, vernetzter und eben kreativer. Dass du eine Auszeit brauchst, merkst du deshalb auch zuerst an deiner nachlassenden Kreativität. Wenn du nur noch „Dienst nach Vorschrift“ machst, wird es Zeit für eine kleine Ruhepause, zum Beispiel einen zehnminütigen Spaziergang im ruhigen Wald. Du wirst dafür mit mehr Kreativität und all den anderen bereits erwähnten Vorteilen belohnt.

Sieben Tipps für mehr Stille im Alltag

Solltest du die Alarmsignale deines Körpers hingegen ignorieren, drohen dir früher oder später gesundheitliche Konsequenzen. Wir haben dir nun sieben mehr als gute Gründe dafür geliefert, mehr Ruhezeiten in deinen Alltag einzubauen. Die Frage ist nur: Wie?

  1. Kaufe dir Ohrstöpsel! So simpel dieser Tipp auch klingen mag, so wirksam ist er. Vor allem in der Nacht können Ohrstöpsel dabei helfen, unangenehme Geräusche wie den Straßenlärm oder das Schnarchen des Partners auszublenden und stattdessen geruhsamen Schlaf zu finden. So kannst du in der Stille optimal deine Ressourcen aufladen und frisch in den nächsten Tag starten.
  2. Richte dir einen Ruheraum ein! Wenn du ausreichend Platz in deiner Wohnung oder deinem Haus hast, richte dir einen Ruheraum ein. Lasse Telefon, Smartphone, TV & Co draußen, schließe die Tür hinter dir und lege in deiner Familie oder Wohngemeinschaft die klare Regel fest, dass du im Ruheraum nicht gestört werden darfst. Allerdings sollten die Kinder dann natürlich auch nicht schreiend über den Flur rennen oder der Partner lautstark Musik im Nebenzimmer hören.
  3. Übe dich in Meditation! In diesem Ruheraum, in einem geführten Kurs oder auch in einer ruhigen Minute im Schlafzimmer kannst du regelmäßig meditieren. Schon fünf bis zehn Minuten täglich können ausreichen, damit du die positiven Effekte der Stille und Meditation im Alltag spürst.
  4. Schreibe die Stille in deinen Kalender! Besonders gestresste Menschen, die von einem Termin zum anderen jagen, sollten sich ihre Ruhezeiten fix einplanen. Die Stille ist ab sofort Bestandteil deiner täglichen To-Do-Liste. Prüfe also jeden Tag erneut, wann du Zeit für zehn, 15 oder 30 Minuten Ruhe hast und blockiere diesen Termin in deinem Kalender. Ansonsten wirst du immer einen Grund finden, heute eine „Ausnahme“ zu machen und die Ruhezeit aus dem vollen Tagesplan zu streichen.
  5. Lebe azyklisch! Wenn du ohnehin lieber besonders früh oder spät aufstehst und dein Job das zulässt, lebe doch azyklisch. Wenn du schon am Morgen um vier Uhr fit sind oder am Abend bis 22 Uhr im Büro sitzt, kannst du die Stille in vollen Zügen genießen. Je mehr du gegen den Rhythmus der Gesellschaft lebst, desto ruhiger wird dein Alltag – leider aber auch umso komplizierter. Morgens um vier Uhr kannst du schließlich nur in wenigen Supermärkten einkaufen und da hat dein Kumpel gewiss auch noch keine Lust auf ein gemeinsames Bier. Ein azyklischer Lebensrhythmus sollte daher gut durchdacht sowie abgewägt sein.
  6. Schalte elektronische Geräte aus! Ansonsten können schon weniger drastische Maßnahmen helfen, den Lärmpegel in deinem Alltag zu reduzieren – zum Beispiel der „Off-Button“ an deinen elektronischen Geräten. Schalte Smartphone, Computer, Fernseher & Co am Abend bewusst aus und lese stattdessen in Ruhe ein Buch oder starre einfach die Decke an und hänge deinen Gedanken nach. Irgendwann wirst du dich an die neue Stille in deinem Leben gewöhnen und dann wahrscheinlich auch erst bemerken, wie nervig das ständige Klingeln des Telefons und Brabbeln des Fernsehers wirklich waren.
  7. Entspanne dich im Urlaub! Zuletzt solltest du natürlich nicht nur, aber auch im Urlaub zur Ruhe kommen. Du musst nicht unbedingt an den Ballermann auf Mallorca oder nach New York, um dort die Weihnachtsfeiertage zu verbringen. Wie wäre es stattdessen mit einem ruhigen Strandabschnitt, einer Hütte in den Bergen oder einfach einem Wellnesshotel mit Ruheraum und Entspannungsmassagen?

Welche weiteren Tipps hast du, um mehr Ruhe in den Alltag zu bringen? Kannst du ein Urlaubsziel für Ruhebedürftige empfehlen? Welche positiven Effekte hat die Stille in dein Leben gebracht? Wir sind gespannt auf deine Beiträge zum Thema in den Kommentaren!

Bildnachweis: Foto von Eriks Cistovs von Pexels

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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