Sind alle wichtigen Positionen im Unternehmen mit motivierten und leistungsstarken Fachkräften besetzt? Wie Führungskräfte Probleme beim Talentmanagement identifizieren – und welche überraschende Rolle sie selbst dabei spielen.

Führungskräfte stehen  vor großen Herausforderungen

Bist du dir sicher, dass erfolgsrelevante Positionen im Unternehmen mit Leistungsträgern korrekt besetzt sind – oder kommen Zweifel auf? Diese und noch mehr Fragen werden dich als Führungskraft beschäftigen.

Verantwortliche in hohen Führungspositionen haben in ihrem Arbeitsalltag mit allerlei Herausforderungen zu kämpfen. Zu den typischen Führungsproblemen, die auftreten können, gehören:

  • die mangelhafte Vermittlung von Zielen, Aufgaben und klaren Anweisungen
  • Probleme bei personalpolitischen Entscheidungen
  • ein unausgeglichenes Nähe-Distanz-Verhältnis zu Beschäftigten
  • die ständige „Störung“ und Einbeziehung in das operative Geschäft, für welches andere Angestellte zuständig sind
  • Konflikte und Konfliktpotenziale zu spät erkennen oder nicht richtig einordnen
  • Rückzug der Führungskraft; wenig vor Ort oder ansprechbar sein
  • Überforderung in Bezug auf die Verantwortlichkeit

Die Liste ist lang – und nicht vollständig. Aber: Speaker, CEO-Advisor und Autor Jim Schleckser erklärt, dass allen voran das unternehmensinterne „Talentproblem“ eine große Rolle einnimmt.

Was hat es mit dem Talentproblem auf sich?

Mit Talentproblemen (aus dem Englischen: talent problems) wird ein Defizit im Bereich des Talentmanagements beschrieben.

Eine gute Talentmanagement-Strategie beinhaltet zum Beispiel Maßnahmen, um Positionen mit den richtigen Fachkräften zu besetzten, Mitarbeiter langfristig an die Firma zu binden und Beschäftigte außerdem zu fördern. Aber auch das Identifizieren von „Schwachstellen“ gehört dazu. Das können – hart formuliert – inkompetente Mitarbeiter und auch Menschen in Führungsposition, die auf einer Ebene mit dir stehen, sein.

Übrigens: „Falsch“ besetzte Stellen, vor allem wenn es um Führungspositionen geht, bleiben nicht folgenlos. So zeigte eine Gallup-Langzeituntersuchung im Jahr 2019, dass eine inkompetente Mitarbeiterführung zu volkswirtschaftlich verheerenden Schäden führen kann. Finanziell wären diese Fälle in Milliardenhöhe zu beziffern.

Übernimmst du als Führungskraft häufiger mal die Arbeiten von anderen?

Inc.-CEO Schleckser geht von folgender These aus: Wenn du als Führungskraft immer wieder dazu neigst, einem bestimmten Teammitglied unter die Arme zu greifen, könnte es einerseits an deinem eigenen Drang, helfen zu wollen, liegen. Oder: Die Position ist einfach nicht richtig besetzt.

Der Bestsellerautor Schleckser gibt für die Identifizierung des Problems einen heißen Tipp: Finde heraus, wo und mit welchen Aufgaben du – neben deinen eigenen – die meiste Zeit verbringst. So wirst du merken, wem du häufiger unter die Arme greifst, weil ein Teammitglied sich seiner eigenen Verantwortlichkeit entzieht, schlichtweg „lazy“ oder für den Posten ungeeignet ist.

Was bedeutet es, wenn du Aufgaben von Teammitgliedern oder Mitarbeitern übernimmst?

Wer als Führungskraft zu einem höheren Kontrollbedürfnis neigt oder übermäßig helfen will, spielt Mitarbeitern, die ihre Aufgaben mangelhaft oder gar nicht ausführen, in die Karten.

Denn wenn wir es wagen, einen Schritt weiterzudenken, wird klar: Indem du die Aufgaben übernimmst, kaschierst du einerseits mit hoher Wahrscheinlichkeit die grundsätzliche Inkompetenz eines Mitarbeiters. Andererseits lässt du so keinen Raum für Fehler zu, sodass nicht identifizieren werden kann, wo genau es diese Defizite gibt.

Beachte: Hinter dem Bedürfnis, ständig helfen zu wollen, können unterschiedliche Ursachen stecken. Neben dem Kontrollbedürfnis kann es sich aus psychologischer Sicht auch um das Bedürfnis nach Anerkennung, Bestätigung und Wertschätzung handeln.

Lese-Tipp: Führung durch Anerkennung: Anerkannte Mitarbeiter sind bessere Mitarbeiter

Verwechsle diese Bedürfnisse nicht mit dem „Helfersyndrom“. Schon 1977 beschrieb Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer – das heute oft aus dem Kontext gerissene – Helfersyndrom. Es handelt sich explizit nicht um eine klassifizierte Krankheit. Betroffene fühlen sich jedoch erst weniger „nutzlos“, wenn sie helfen können, Aufgaben übernehmen und sich manchmal sogar fast zwanghaft und ohne zu fragen aufdrängen.

Was tun, wenn es echte Talentprobleme gibt?

Einerseits gilt für Führungskräfte, an ihrem eigenen Verhalten zu arbeiten. Denn Teammitglieder und Mitarbeiter sollten nicht nur die Chance bekommen, ihre Jobs richtig zu erledigen. Sondern dazu aufgefordert und herausgefordert werden. Wer es sich hier zu bequem macht, tut dem Unternehmen nicht gut.

Andererseits stehen Verantwortliche jetzt vor der Entscheidung, neue Strategien im Talentmanagement einzuführen.

Unsere Talentmanagement Tipps:

1. Die gezielte Förderung von Mitarbeitern

Nicht alle Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern und Führungskräften die Chance, sich ausreichend weiter zu entwickeln. Fehlen Reize sowie Karrieremöglichkeiten, verlieren Beschäftige nicht selten die Motivation und das Interesse daran, ihre Ziele zu verfolgen und die beste Leistung abzurufen.

Umso wichtiger sind Chancen zur Weiterentwicklung in Form von Fort- und Weiterbildungen, Coachings, Feedback und der Übernahme von verantwortungsvollen Aufgaben.

Lese-Tipp: Das effektivste 4-stufige Feedback-System für Führungskräfte und Unternehmer

Sind Erfolge trotz Entwicklungsmöglichkeiten und Förderung der aktuellen Fähigkeiten und Leistungen nicht messbar und verbessert sich die Situation nicht nachhaltig, könnte es an einem positionsbezogenen Talentproblem liegen.

2. Interne Besetzungsmöglichkeiten in Betracht ziehen

Eine Position muss neu besetzt werden, weil ein Mitarbeiter sich einfach nicht eignet oder auch fehlt? Nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht ist ein internes Recruiting manchmal sinnvoll. Sondern auch, weil Talente aus den eigenen Reihen oft darauf warten, entdeckt und eingesetzt zu werden. Sie sind zudem mit Abläufen und Arbeitsprozessen sowie Unternehmenswerten und Arbeitsumfeld vertraut. Das ist ein Vorteil.

Übrigens: Es gibt Mitarbeiter oder Teammitglieder, welche die Probleme anderer mit Leichtigkeit übernehmen, kompetent korrigieren und sich besonders für eine Position eignen? Wer sich als Führungskraft nicht gut überwinden kann – etwa aus Stolz -, sollte seine Einstellung spätestens jetzt hinterfragen. Möglicherweise liegt die Lösung des Problems bereits vor deinen eigenen Füßen – in Form eines jenen Mitarbeiters, der gerade echte Kompetenz beweist.

3. Chancen, so selbstständig wie möglich zu arbeiten

Ob Führungsmitgliedern aus dem eigenen Team helfen oder sogar einfach mal Beschäftigen in „kleineren“ Positionen unter die Arme greifen: Unterstützung, wenn sie nicht zum Dauerzustand wird, ist wunderbar.

Führungskräfte, die jedoch übermäßig viele Aufgaben von anderen übernehmen (müssen) und hier zwangsläufig zu viel Zeit investieren, haben vielleicht ein Talentproblem im Unternehmen. Es gilt, Defizite zu identifizieren, Feedbackgespräche zu führen und Mitarbeiter sowie Teammitglieder vor allem so selbstständig wie möglich arbeiten zu lassen.

Zusatztipp: Trotz einer selbstständigen Arbeitsweise, die von modernen Unternehmen oft gefördert wird, bedürfen Erfolge einer „Messung“. Denn Produktivität und Leistung sind noch immer wichtige Kernfaktoren für erfolgreiche Unternehmen. Neben der Autonomieförderung von Beschäftigen und Führungskräften ist es deshalb wichtig, diese wichtigen Erfolgsfaktoren zu beobachten, zu beurteilen und entsprechend zu handeln.

Wir fassen zusammen

Das richtige Talentmanagement ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Unternehmen. Eine Methode, um Talentprobleme zu identifizieren, ist das eigene Verhaltensmuster: Verbringst du viel Zeit damit, die Probleme von anderen zu lösen? Finde heraus, ob es aus einem Kontrollbedürfnis heraus passiert – oder weil die Aufgaben sonst auffällig häufig nicht korrekt erledigt werden. Denn in solchen Fällen könnte es sich um ein echtes Talentproblem handeln.

Um die Kompetenz eines Teammitglieds oder eines Mitarbeiters messen zu können, gilt es, diese „ihren eigenen Job“ selbstständig erledigen zu lassen – ohne einzugreifen, Teilaufgaben zu übernehmen oder sich gar aufzudrängen. Auch wenn du nur schwer die Finger von gewissen Aufgaben lassen kannst: Konzentriere dich auf deinen Kernbereich – und schaue, wie der Unternehmenserfolg sich entwickelt, wenn Positionen richtig besetzt sind.

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