„Leistungsträger“ werden heutzutage von Unternehmen gesucht. Menschen, die wie eine Maschine arbeiten können, dabei niemals krank werden und stets gut gelaunt sind. Da aber viele Arbeitnehmer aus Angst vor einem Jobverlust versuchen, eben dieser „Leistungsträger“ zu sein, wächst ihnen schnell die Arbeit über den Kopf, mit fatalen Folgen für beide Seiten.

Unsere Geschäfts- und Arbeitswelt verändert sich ständig

Die Globalisierung der vergangenen Jahre hat den Konkurrenzdruck auf deutsche Unternehmen erhöht. Sie müssen höhere Löhne zahlen und strengere Richtlinien einhalten als ihre Mitstreiter in Osteuropa, Südamerika oder Asien. Doch wer günstiger produziert, kann auch billiger verkaufen. In vielen Branchen herrscht deshalb reges Preisdumping. Doch in einem Land der Mindestlöhne und Tarifvereinbarungen fällt es den deutschen Unternehmen schwer, Kosten einsparen und so im internationalen Konkurrenzkampf mithalten zu können.

Die Folge: Wer keine günstigeren Mitarbeiter einstellen kann, beschäftigt eben schlichtweg weniger. Dies gilt umso mehr in einer Zeit, in der künstliche Intelligenz als preiswerte Arbeitskraft in den Wettbewerb um begehrte Stellen eintritt.

Noch eine weitere Entwicklung kommt nämlich hinzu, welche zwar eigentlich den Arbeitsalltag erleichtern sollte, doch auch ganz neue und bislang ungeahnte Probleme mit sich bringt. Die Sprache ist von der Digitalisierung. Klingelnde Smartphones, hunderte von E-Mails pro Tag, Remote Work, mobile Recruiting – all diese Dinge und noch viele mehr wären vor wenigen Jahren undenkbar gewesen. „Arbeit 4.0“ nennen Experten diese neue komplexe Geschäftswelt.

„Arbeit 4.0“ – Das digitale Zeitalter

Die „Arbeit 4.0“ bezeichnet simultan zur sogenannten „Industrie 4.0“ die Veränderung der Arbeitswelt durch die Globalisierung und die Digitalisierung. Sie steht ganz im Zeichen der bereits erwähnten zunehmenden Komplexität sowie dem technologischen Fortschritt sowohl bei Robotern als auch den modernen Kommunikationsmitteln. 

Fakt ist also, dass die Entwicklung der Arbeitswelt derzeit in Richtung Vernetzung und Komplexität geht. Ein Prozess, der sich nicht mehr aufhalten lässt, der aber für Arbeitnehmer eine zunehmende und vor allem völlig neue Belastung bedeutet. Konkurrenz-, Arbeits- und Zeitdruck scheinen im Berufsleben mittlerweile in rasantem Tempo zuzunehmen und viele Deutsche haben sich noch nicht an die neue „Arbeitswelt 4.0“ angepasst. Die Folge: Dauerstress!

Überstunden: Immer mehr Arbeit in weniger Zeit?

Wenn also immer weniger Arbeitnehmer dieselben oder sogar mehr und komplexere Aufgaben erledigen müssen, bedeutet das vor allem eine Menge Überstunden. Zwar soll die Digitalisierung den Arbeitsalltag erleichtern und beschleunigen, die Realität sieht aber leider anders aus. Die aufgrund des demografischen Wandels eigentlich immer weniger Erwerbstätigen in Deutschland arbeiten sogar mehr als ihre Vorgänger. Und das Erschreckende ist nicht nur die hohe Anzahl an Überstunden in Deutschland, sondern vor allem, dass ein Großteil davon sogar auch noch unbezahlt ist.

Der deutsche Arbeitnehmer von heute arbeitet quasi freiwillig ohne Bezahlung nach seinem Feierabend weiter, einfach, um seine Arbeitslast irgendwie zu schaffen und so dem ständigen Zeit- und Leistungsdruck zu entkommen.

Statistik: Wie häufig fühlen Sie sich bei der Arbeit gehetzt und stehen unter Zeitdruck? | Statista
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Überstunden sollten daher weder von Arbeitgebern noch von Arbeitnehmern auf die leichte Schulter genommen werden. Eine zu hohe Arbeitslast bedeutet auf Dauer für die Unternehmen nämlich keine Kosteneinsparungen, sondern im Gegenteil eine sinkende Produktivität sowie hohe Krankenstände und damit auch eine erhebliche finanzielle Belastung. Vor allem Frauen leiden schnell unter einer (zu) hohen Arbeitslast beziehungsweise Arbeitszeit pro Woche, was aber nicht an ihrem Geschlecht, sondern der häufig damit einhergehenden Doppel- oder Dreifachbelastung liegt.

Handlungsbedarf: Wächst dir die Arbeit über den Kopf?

Es ist nicht ungewöhnlich, wenn dir mittlerweile die Arbeit über den Kopf wächst. Es ist im Gegenteil sogar die logische Schlussfolgerung aus den aktuellen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und es ist vor allem völlig in Ordnung. Wenn du das Gefühl hast, dass dir die Arbeitslast, der Zeitdruck oder die Überstunden zu viel werden und dein Wohlbefinden darunter zu leiden beginnt, solltest du dringend handeln. Ansonsten drohen früher oder später psychische und/oder physische Folgeerkrankungen à la Burnout-Syndrom.

Nicht ohne Grund wird das Burnout-Syndrom mittlerweile auch als „Modekrankheit“ betitelt, doch das kommt nicht von ungefähr. Dennoch bist du diesen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt nicht hilflos ausgeliefert. Es gibt durchaus Möglichkeiten der Burnout-Prävention.

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Sage nicht zu allem „Ja und Amen“ und ignoriere nicht deine Bedürfnisse, Wünsche und Grenzen. Spätestens, wenn du erste körperliche oder psychische Warnsignale wahrnimmst, solltest du handeln. Übe dich in Achtsamkeit und lerne (wieder), nach dir selbst zu schauen anstatt nach rechts und links.

Und Achtsamkeit beziehungsweise Selbstreflexion – dazu gehört eben auch, schnell zu handeln, wenn dir die Arbeit zu viel wird und das Vieraugengespräch mit deinem Vorgesetzten zu suchen. Um weniger Arbeit bitten, das kommt aber für viele Deutsche nicht infrage. Sie haben Angst davor, ihr Gesicht oder schlimmer noch ihren Job zu verlieren, wenn sie Schwäche zeigen. Doch in vielen Unternehmen findet aufgrund der hohen Burnout-Zahlen und der neuen Anforderungen der Generation Y mittlerweile ein Umdenken statt.

Die „Jungen“ möchten sich nämlich nicht mehr wie ihre Vorgänger im wahrsten Sinne des Wortes für ihren Job aufopfern und dadurch ihre psychische sowie physische Gesundheit aufs Spiel setzen. Sie möchten keine (unbezahlten) Überstunden leisten, wünschen sich stattdessen eine ausgewogene Work-Life-Balance, ein sinnerfülltes Berufsleben und persönliche Flexibilität.

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Und das ist auch gut so! Du solltest dir ein Beispiel an der „egoistischen“ Generation Y  nehmen und dich wieder selbst als das Wichtigste in deinem Leben betrachten. Wenn du aufgrund der hohen Arbeitsbelastung auf Dauer krank wirst, profitiert nämlich weder du selbst noch dein Arbeitgeber davon. Sollte ihm das nicht bewusst sein beziehungsweise bringt er dafür keinerlei Verständnis auf, wäre es eventuell ohnehin einmal an der Zeit, über einen Jobwechsel nachzudenken.

Gespräch mit deinem Chef führen

Hin und wieder fühlt sich wohl jeder von uns überfordert. Diese Momente der völligen Überwältigung, vielleicht sogar des Blackouts, kennt wohl jeder von uns. Aber keine Sorge: Es gibt einfache „Erste-Hilfe-Maßnahmen“, die dir in einer akuten Überforderungssituation helfen können.

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Wenn solche Momente aber öfters vorkommen, vielleicht sogar Dauerzustand sind, oder du schon am Vorabend voller Angst und Überforderungsgefühle an den nächsten Arbeitstag denkst, solltest du dringend handeln. Was jetzt noch hilft, ist ein ehrliches Vieraugengespräch mit deinem Vorgesetzten, in welchem du ihm die Situation schilderst und bestenfalls gemeinsam eine Lösung entwickelst. Aber wie gehst du ein solches Gespräch mit deinem Chef am besten an?

Tipp 1: Gespräch vorbereiten

Ein Gespräch mit dem Vorgesetzten solltest du niemals unvorbereitet oder in deiner ersten „Panik“ führen. Das gilt auch für Gehaltsverhandlungen, Feedbackgespräche & Co. Nimm dir daher Zeit, das Gespräch ausreichend vorzubereiten, den Chef um einen ihm passenden Termin mit ausreichend Pufferzeit zu bitten und dir deine Argumente zurechtzulegen.

Tipp 2: Fakten

Setze dich hierfür zum Beispiel an deinem Feierabend oder am Wochenende hin, nehme dir ein Blatt Papier sowie einen Stift zur Hand und beginne, deine Überforderungssituation so objektiv wie möglich zu analysieren:

  • Wie fühlst du dich momentan bei der Arbeit?
  • Wieso fühlst du dich so?
  • Welche Projekte liegen derzeit auf deinem Tisch?
  • Welche Deadlines setzen dich unter Zeitdruck?
  • Gibt es weitere Belastungen im Arbeitsalltag wie Konflikte mit Kollegen?
  • Fühlst du dich von deinem Team unterstützt oder im Stich gelassen?
  • Fehlt dir für gewisse Projekte oder Verantwortungen eventuell Knowhow beziehungsweise wichtige Kompetenzen?

Tipp 3: Lösungsvorschläge

Da es aber natürlich nichts bringt – und deinem Vorgesetzten gewiss auch auf die Nerven geht – wenn du nur über deine Situation jammerst, ohne einen Lösungsvorschlag parat zu haben, solltest du natürlich auch mögliche Auswege aus deiner Überlastung auflisten:

  • Welche Projekte oder Verantwortungsbereiche kannst du vielleicht abgeben und an wen?
  • Welche Maßnahmen würden deinem Wohlbefinden derzeit guttun (Reduzierung der Arbeitszeit, Homeoffice, Abtretung von Zuständigkeiten o.ä.)
  • Gibt es Deadlines, welche du nach hinten verschieben könntest?
  • Wo könnte dir vielleicht das Team, ein Praktikant oder eine andere Person unter die Arme greifen?
  • Gibt es Weiterbildungsmöglichkeiten, um fehlende Kompetenzen zu erwerben?

Tipp 4: Zukunftsperspektiven

Vorausgesetzt, dein Vorgesetzter ist ebenfalls an deinem Wohlbefinden sowie deiner Gesundheit interessiert, entwickelst du daraufhin im „Best-Case-Szenario“ Zukunftsperspektiven, die für alle Beteiligten in Ordnung sind, also für dich selbst, deinen Arbeitgeber, deinen Vorgesetzten, die Teamkollegen und und und…Allein der Ausblick auf Änderung hilft vielen Betroffenen bereits, besser mit der akuten Überforderungssituation klarzukommen. Doch natürlich sollte es nicht dabei bleiben, sondern auf lange Sicht muss sich dein Arbeitsalltag auch tatsächlich (wieder) zum Besseren wenden.

Tipp 5: Erfolge dokumentieren

Aus diesem Grund solltest du die Ergebnisse deines Vieraugengesprächs mit dem Chef schriftlich festhalten, eventuell sogar von ihm unterzeichnen lassen, und anschließend dokumentieren, ob sich Erfolge beziehungsweise Veränderungen einstellen und ob diese ausreichend sind. Sollte sich keine Besserung der Situation abzeichnen, kannst du entweder noch einmal das Gespräch mit deinem Vorgesetzten suchen oder aber du denkst tatsächlich über einen internen oder externen Jobwechsel, eine Reduktion deiner Arbeitszeit oder auch ein Sabbatical nach – je nach individueller Situation.

Lese-Tipp:Sabbatical – Die Auszeit vom Job richtig planen

Denn wie bereits erwähnt, solltest du selbst sowie deine Gesundheit ab sofort (wieder) an erster Stelle stehen. Und vielleicht bleibt dann nach Feierabend ja auch mal wieder mehr Zeit für die Familie, deine Hobbys oder einfach ein wenig Entspannung.

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