Frank, was glaubst du: Gehen die Leute heute ins Ausland, weil sie etwas finden oder weil sie etwas hinter sich lassen wollen?
Eine sehr gute Frage liebe Anne & lieber Fred, und zu allererst möchten wir uns dafür bedanken, dass wir unsere Studienergebnisse sowie auch uns von der Auslandsjob Recruiting Solutions GmbH sowie Auslandsjob.de auf Arbeits-ABC näher vorstellen dürfen.
Grundsätzlich ist das Thema Ausland schon ein starkes Sehnsuchtsthema: emotional positiv aufgeladen und bei vielen auf der „Lebens-Bucket-List“ fest verankert. Von daher grundsätzlich eher ein positiv besetztes Thema mit hoher Sogwirkung. Dies hat sich auch in den letzten 20 Jahren nicht geändert, seitdem wir uns mit dem Thema Auslandszeiten auf Unternehmensseite beschäftigen.
In der Regel gehen Auslandsjobber auch nicht wegen des Jobs oder des neuen Arbeitgebers ins Ausland! Der Wunsch, für eine Zeit lang oder gar für immer in einem bestimmten Land zu leben, steht ganz klar im Vordergrund, womit wir erneut beim Thema Sehnsucht & Lebenstraum sind. Der Job an sich ist eher das „notwendige Übel“, um sich seinen Traum vom Leben im Ausland zu erfüllen.
Gleichzeitig zeigt unsere aktuelle Umfrage aber auch, dass immer mehr insbesondere junge Deutsche mit Deutschland als ihren „Heimathafen“ fremdeln. Bei der Frage nach den Motiven, warum jemand einen Auslandsjob sucht bzw. im Ausland arbeiten möchte, hat fast jeder Zweite (44, 9 Prozent) angegeben, dass die Hauptmotivation „Einfach raus aus Deutschland“ ist. Dies hat uns sehr überrascht und auch Fragen aufgeworfen, inwieweit derzeit der Wunsch, ins Ausland zu gehen, somit auch eine politische bzw. gesellschaftliche Unzufriedenheit oder gar Flucht aufgrund steigenden Frusts darstellen könnte.
Aktuell sehen wir somit zwei sich verstärkende Trends, die den Wunsch, ins Ausland zu gehen, um dort zu arbeiten und zu leben, befördern: zum einen die Sogwirkung und Attraktivität des Ziellandes, gleichzeitig jedoch auch die wachsende Unzufriedenheit mit Deutschland als seine derzeitige Heimat.
Was hat dich bei den Ergebnissen der aktuellen Umfrage am meisten überrascht und was war das Ziel der Umfrage?
Am meisten überrascht hat mich, dass reine Home-Office-Jobs weniger gefragt sind als erwartet. Viele bevorzugen eine Mischung – besonders mit Präsenz im Unternehmen. Offenbar möchten die meisten im Ausland nicht allein im WG-Zimmer arbeiten, sondern feste Strukturen und soziale Kontakte erleben. Das entspricht mehr dem Bild eines echten Auslandsjobs.
Auffällig ist auch der Wandel bei den Wunschzielen: Südeuropa mit Sonne, Strand und Lebensqualität liegt klar vorn – Länder wie Großbritannien, Norwegen oder Schweden verlieren an Relevanz.
Ziel der Umfrage war es, ein aktuelles Stimmungsbild unter auslandsinteressierten Job-Suchenden einzufangen: Welche Arbeitsmodelle sind gefragt? Welche Länder stehen hoch im Kurs? Und was macht einen Auslandsjob wirklich attraktiv? Die Erkenntnisse helfen uns natürlich dabei, unser Angebot noch gezielter auf die Bedürfnisse unserer Zielgruppe abzustimmen.
Über 65 % sagen: „Ich will andere Kulturen und Sprachen erleben“ Karriere und Gehalt spielen nur eine Nebenrolle. Wie erklärst du dir diesen Wandel?
Auch im letzten Jahr war diese Motivation schon ganz oben auf der Liste. Ich denke, diese Ergebnisse zeigen sehr deutlich, dass Auslandsaufenthalte stärker mit persönlicher Weiterentwicklung und kulturellem Austausch als mit klassischem Karrierestreben verknüpft werden. Der Job an sich ist eher Mittel zum Zweck, um sich ein Auslandsleben zu ermöglichen.
Karriere und Gehalt sind zweitrangig, denn viele der Menschen, mit denen wir sprechen, sind an einem Punkt, an dem noch keine echte Karriere begonnen hat oder diese zugunsten eines Auslandsaufenthalts unterbrochen werden muss. Das ist die ideale Gelegenheit, nochmal rauszukommen und seinen Traum vom Leben und Arbeiten im Ausland zu verwirklichen.
Spanien, Italien, Portugal liegen vorn, das überrascht nicht. Aber was macht aus deiner Sicht einen Ort heute wirklich attraktiv für junge Arbeitnehmer*innen?
Dass diese Länder in Südeuropa so beliebt sind, hat natürlich mit dem Klima zu tun – Sonnenziele haben einfach eine große Anziehungskraft. Doch es ist nicht nur das Wetter, das diese Länder für junge Arbeitnehmer*innen attraktiv macht. Entscheidend ist das Gesamtpaket aus Lebensqualität, Gemeinschaft und konkreter Unterstützung durch die Arbeitgeber vor Ort. All das bieten diese Länder.
Auch wenn das Gehalt oft unter dem deutschen Niveau liegt, ermöglichen geringere Lebenskosten auch bei kleinerem Budget einen guten Alltag. Am Ende zahlen viele Faktoren auf ein gutes Lebensgefühl ein: Sonne, Offenheit, neue Erfahrungen, Freiheit und das gute Gefühl, vor Ort nicht allein zu sein und sich mit festem Einkommen versorgen zu können.
Die englischsprachigen Klassiker wie USA, Kanada, Neuseeland oder Australien sind immer noch sehr gefragt. Was glaubst du, warum sie so dominant bleiben?
Diese Länder sind gerade bei jungen Menschen weiterhin als typische Work & Travel-Sehnsuchtsländer bekannt. Als die Destinationen mit der besten Work & Travel-Infrastruktur hinsichtlich Unterkünfte wie Hostels oder auch Jobs für Backpacker während eines Gap Years werden diese Länder insbesondere nach dem Abitur von jungen Deutschen weiterhin stark nachgefragt und besucht. Und häufig kehren Auslandsjobber auch in diese Länder zurück, wenn sie im späteren Leben sich erneut auf den Weg ins Ausland machen, um ein wie wir es nennen „Work & Travel 2.0“ zu erleben, nur eben mit festem Job bei Ausreise und einem höheren Arbeitsanteil im Rahmen dieser neuartigen Form des Work & Travel. Denn das zeigt unsere aktuelle Umfrage ebenfalls: auch wenn Europäische Länder stark in den Fokus angehender Auslandsjobber gerückt sind, üben die klassischen Sehnsuchtsländer in Übersee auch weiterhin eine hohe Anziehungskraft aus!
Ist die Sehnsucht nach dem „anderen Leben“ größer geworden als die Lust auf Karriere?
Sicherlich wird das Thema Karriere und die damit verbundenen Wertigkeiten bei den jüngeren Generationen Z & Y weniger zentral und wichtig eingestuft als noch von den Generationen davor, das durften auch wir in den letzten 20 Jahren im Kontakt mit über 100.000 Auslandszeitlern feststellen. Eine Zeit lang im Ausland zu leben und dort zu arbeiten, ist für immer mehr junge Deutsche ein Lebenstraum der Kategorie „Bucket List“, also von enormer emotionaler Wichtigkeit!
Wir von Auslandsjob.de würden sogar soweit gehen, zu behaupten, dass die Mehrheit der bis zu 3.000 Auslandsjobber täglich auf unserem Portal gar keinen Auslandsjob WILL, sondern diesen indes vielmehr ganz einfach benötigt, um sich ihren Traum vom „Auslandsleben“ zu erfüllen“: Anders als bei einem Jobwechsel innerhalb Deutschlands, bei dem häufig die Attraktivität des Arbeitgebers, das Gehalt oder der Tätigkeitsbereich ausschlaggebend für den Wechsel ist, steht bei einem Jobwechsel ins Ausland häufig das Zielland im Mittelpunkt der Motivation, diesen so mutigen Schritt über die Landesgrenzen zu wagen.
Denkst du, dass Work & Travel sich gerade neu erfindet oder stehen wir am Anfang einer ganz neuen Form globaler Mobilität?
Unsere Umfrage hat ganz klar ergeben, dass Work & Travel insbesondere in Europa stark am Kommen ist. Strenggenommen reden wir hier gar nicht mehr über das klassische Work & Travel, bei dem ein sogenanntes Working Holiday Visum vonnöten ist, um in einem außereuropäischen Land wie Australien, Neuseeland, Kanada oder Japan diese populäre Form einer Auslandszeit zu verbringen. Neben den geringeren Kosten für die Anreise und den Vorteil, keine Visagebühr für eine ansonsten notwendige Arbeitserlaubnis bezahlen zu müssen, locken viele Arbeitgeber Mitarbeiter mit attraktiven Relocation Packages in angesagte Metropolen Europas. Diese Packages beinhalten geldwerte Vorteile in Bezug auf Unterkunft, notwendige Versicherungen sowie häufig auch Übernahmen der Flugkosten. Zudem hat der Auslandsjobber – anders als beim „klassischen“ Work & Travel – schon bei Ausreise eine feste Jobzusage, und muss sich nicht erst vor Ort um dieses ja nicht ganz triviale Thema kümmern.
Insgesamt können wir einen zunehmenden Trend im Bereich der sogenannten Global Mobility feststellen, der ganz sicher auch attraktive Alternativen zum beliebten Work & Travel bietet!
Unterkunft & Ankommen wird als größte Hürde genannt. Was müsste sich deiner Meinung nach verbessern, auf Seiten der Anbieter, aber auch der Politik?
Eines vorweg: Unterkunft & Ankommen sind zurecht weit vorn, denn da geht es um die wirklich konkreten Fragen: Wo werde ich unterkommen? Hilft mir jemand bei der Anmeldung? Wie sieht das eigentlich aus mit einem Bankkonto vor Ort? Manche zukünftigen Arbeitgeber machen bei diesem Thema schon echt viel und sorgen dafür, dass bei jedem Schritt geholfen wird oder sogar eine Mitarbeitenden-WG für eine geringe Monatsmiete vermittelt wird. Andere tun dies nicht und sagen bereits im Bewerbungsgespräch, dass eine Wohnung selbst durch die neuen Mitarbeiter*innen gesucht werden müssen. Das ist von Deutschland aus nicht nur mühsam, sondern oft teuer, da man mindestens in den ersten Wochen Touristenpreise zahlt. Unternehmen sollten also verstehen, dass es um mehr als den Job geht und ganz praktische Hilfe beim Umzug oft den entscheidenden Unterschied macht.
Internationale Mobilität spielt auch in der Politik eine Rolle. Die Rahmenbedingungen sind da: EU-Arbeitsnehmerfreizügigkeit und diverse Working Holiday Abkommen bieten so viele Möglichkeiten wie selten zuvor. Innerhalb der EU zu arbeiten, funktioniert recht stressfrei. Schwierig wird es jedoch beim Thema Wohnen: In gefragten Städten wie Lissabon etwa wird der Wohnraum knapp, nicht nur für ausländische Arbeitskräfte, sondern auch für die einheimische Bevölkerung.
Unterm Strich muss aus meiner Sicht ganzheitlich gedacht werden: Wer gute Leute aus dem Ausland gewinnen und im Unternehmen halten möchte, muss das Thema Wohnen und Integration als Teil des Jobs begreifen, nicht als rein private Aufgabe der Arbeitnehmer*innen.
Viele wünschen sich Unterstützung bei Bewerbung & Orientierung. Was bietet Auslandsjob.de heute und woran arbeitet ihr gerade?
Erstmal ist es wichtig, dass wir empathisch sein können. All unsere Recruiter*innen waren schonmal längere Zeit im Ausland oder sind es gerade sogar noch. Wir wissen also, welche Fragen bei zukünftigen Auslandsjobbern eine Rolle spielen. Vor der Übergabe an ein Unternehmen finden durch uns immer 1:1 Beratungsgespräche statt, welche ganz offen und ehrlich und vor allem auf Augenhöhe, geführt werden. Hier kann jeder Zweifel angesprochen werden. Ich glaube es ist total wichtig, dass wir nicht abgehoben als Gatekeeper rüberkommen, sondern als Job-Buddy wahrgenommen werden. Das ist zumindest unser Selbstverständnis.
Brandneu ist unser Golden Ticket, ein Rundum-sorglos-Angebot für alle, die ihren Auslandsjob nicht nur finden, sondern auch gut vorbereitet starten möchten. Alle von uns vermittelten Arbeitskräfte erhalten Zugang zu exklusiven Rabatten (zum Beispiel auf eine Mietwohnung) und einzigartigen Hilfestellungen, die die erste Zeit vor Ort und die Planung vereinfachen. Wie bereits erwähnt, sind wir von Auslandsjob.de fest davon überzeugt, dass es um weit mehr als lediglich einen „Job im Ausland“ geht, um jenseits der Deutschen Grenzen auch langfristig glücklich zu werden: Auch wenn unsere Plattform Auslandsjob.de lautet, geht es für uns doch vielmehr um das viel größere Thema „Auslandsleben“! Um dieses angehenden Auslandsjobbern so erfolgreich wie möglich zu gestalten, haben wir das Golden Ticket ins Leben gerufen.
Und natürlich arbeiten wir immer daran, unseren Beratungs- und Recruitingprozess noch bewerberfreundlicher zu gestalten. Gerade fokussieren wir uns darauf, wie wir Tools integrieren können, die unsere Bewerber*innen noch besser auf die Tests und Interviews beim Unternehmen vorbereiten. Aber das ist alles noch top-secret.
Was hat sich im Denken und in den Motiven der Ausreisewilligen verändert, seit du mit Auslandsjob.de gestartet bist?
Auslandsjob.de gibt es nun seit über 20 Jahren, und als wir gestartet sind, war vor allem Work & Travel DIE beliebteste Auslandszeit, die von jungen Deutschen auf unserem Portal nachgefragt wurde. Von GenY oder gar GenZ war zu dieser Zeit noch keine Rede, Ideen von einem Sabbatical oder gar Jobbatical kamen erst langsam ins Bewusstsein der Arbeitnehmer. Seitdem ist viel im Fluss der Veränderung, und dies spüren wir auch verstärkt in den Motiven der zukünftigen Auslandsjobber: Typische Karrierefaktoren wie Gehalt, Employer Brand oder Statusattribute in Bezug auf Tätigkeit bzw. Position sind nicht die wesentlichen Kriterien, die das höchste Gewicht bei der Entscheidungsfindung haben. Vielmehr ist es (auch) der Wunsch nach Sinnhaftigkeit, Abenteuer und Abwechslung, warum der Traum von einem Leben & Arbeiten im Ausland derzeit so ausgeprägt ist.
Folgte früher nach dem maximal einjährigen Work & Travel in Australien oder Neuseeland das Studium, die Ausbildung oder generell der nächste Karriereschritt, so gehen junge Deutsche nun häufig ohne festes zeitliches Ende zum Arbeiten bzw. Leben ins vor allem Europäische Ausland, ohne genau zu wissen, was, wann und wo genau nach dieser Auslandszeit folgen wird.
Denkst du, dass Unternehmen zu langsam reagieren auf den Wunsch nach ortsunabhängiger Arbeit, gerade wenn es um internationale Perspektiven geht?
Ich arbeite selbst aus dem Home-Office und kenne die Vorzüge. Aber ich kann auch verstehen, dass ein Unternehmen nicht direkt ein Arbeitsverhältnis anbieten möchte, dass 100% remote ist.
Unsere Umfrage hat den Wunsch nach remote work ja auch ein wenig relativiert. Meine Vermutung ist, dass gerade beim Start in den Auslandsjob ein Bürojob honoriert wird, weil man sozialen Kontakt aufbauen kann und nicht allein zuhause sitzt. Grundsätzlich sollten aber vor allem in den Bereichen Kundenservice, Marketing, IT oder Vertrieb hybride oder vollständig ortsunabhängige Modelle ermöglicht werden, zumindest nach einer gewissen Kennenlernphase im Büro. Dabei ist die Chance riesig: Wer ortsunabhängiges Arbeiten in Aussicht stellt, vergrößert langfristig auch seinen Talentpool.
Wenn du jungen Menschen nur einen einzigen Satz mitgeben dürftest, welcher wäre das?
„Seid mutig(er), plant nicht (zu bzw.) so viel und bleibt neugierig und offen für Neues – dies lässt euch innere wie äußere Grenzen überwinden und über diese hinauswachsen!“