Jobcenter spielen eine Schlüsselrolle in der sozialen Arbeitsmarktpolitik. Über 400 dieser Einrichtungen sollen Menschen, die Bürgergeld beziehen, wieder in reguläre Beschäftigung bringen. Doch die Erfolgsbilanz variiert dramatisch – je nachdem, wo man lebt.

Anzeige

Laut einer aktuellen Auswertung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) schafft das Jobcenter Ansbach eine Integrationsquote von rund 39,4 Prozent – fast doppelt so viel wie der bundesweite Durchschnitt. In anderen Regionen wie Pforzheim, Rheingau-Taunus oder Oberhausen liegt die Quote hingegen nur bei rund 15 Prozent.

Wo man wohnt, entscheidet über die Jobchancen

Das liegt aber nicht nur am regionalen Arbeitsmarkt. Zwar hängen Jobchancen immer auch von der lokalen Wirtschaftsfaktoren ab – also vom Stellenangebot, der Arbeitslosenquote oder dem Branchenmix. Doch die IW-Forscher haben diese Faktoren statistisch bereinigt und zeigen: Manche Jobcenter übertreffen selbst optimistische Erwartungen -andere bleiben weit darunter.

So liegt die tatsächliche Integrationsquote in Memmingen satte 12,8 Prozentpunkte über dem, was die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erwarten lassen. Auch Dingolfing-Landau (+10,7 Punkte) oder Ansbach (+9,8 Punkte) vermitteln weit überdurchschnittlich, obwohl sie nicht in Boom-Regionen liegen.

Was diese Jobcenter anders machen

Was also unterscheidet die Top-Performer von den Schlusslichtern? Ein zentrales Kriterium ist die Trägerschaft. In Deutschland gibt es zwei Organisationsformen von Jobcentern:

Der Arbeitstag

Welche Jobs haben Zukunft? Wo knirscht’s zwischen Boomern und Gen Z? Wie verändern KI und Fachkräftemangel unser Berufsleben? „Der Arbeitstag“ ist der Newsletter mit allem, was die moderne Arbeitswelt bewegt. Klar, kompakt und direkt ins Postfach.


  • Gemeinsame Einrichtungen (gE): betrieben von Kommune und Bundesagentur für Arbeit (BA) gemeinsam
  • Kommunale Träger (zkT): vollständig in kommunaler Verantwortung

Die Analyse zeigt: Alle zehn erfolgreichsten Jobcenter sind gemeinsame Einrichtungen. Umgekehrt sind unter den zehn schwächsten Vermittlern gleich acht kommunale Träger.

„Insgesamt integrieren die gemeinsamen Einrichtungen zehn Prozent häufiger in Arbeit als kommunal verwaltete Jobcenter.“
Stefanie Seele, Arbeitsmarktexpertin am IW

Die Gründe für diese Unterschiede nennt die IW-Studie nicht im Detail. Strukturelle Faktoren dürften jedoch eine Rolle spielen: Gemeinsame Einrichtungen nutzen verpflichtend die zentrale IT-Infrastruktur der Bundesagentur für Arbeit – darunter leistungsfähige Fachsoftware wie VerBIS für Vermittlungsprozesse oder ALLEGRO für die Leistungsberechnung. Kommunale Träger hingegen betreiben eigene IT-Systeme, die nicht an die bundesweiten Standards gebunden sind.

Allein die IT-Ausgaben der BA für gemeinsame Einrichtungen stiegen von 258 Millionen Euro im Jahr 2005 auf 672 Millionen Euro im Jahr 2020 – Investitionen, die den kommunalen Jobcentern nicht in gleichem Maße zur Verfügung stehen, wie eine Studie zur Digitalisierung in der Bundesagentur für Arbeit zeigt. Ob diese technische Infrastruktur tatsächlich der entscheidende Faktor für die bessere Vermittlungsleistung ist, müsste durch weitere Forschung geklärt werden.

Anzeige

Kein Einzelfall: Wenn Strukturen über Schicksale entscheiden

Wer Bürgergeld bezieht, hat keinen Einfluss darauf, welchem Jobcenter er zugeordnet ist. Doch dieser „Zufall des Wohnorts“ hat messbare Folgen: Menschen in strukturschwachen Regionen mit schlechter Jobcenter-Performance bleiben länger im Leistungsbezug, mit Folgen für Selbstwert, Lebensqualität und soziale Teilhabe.

Das ist nicht nur sozialpolitisch bedenklich, sondern auch wirtschaftlich relevant: Laut Bundeshaushalt 2024 fließen über 46 Milliarden Euro in Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose, inklusive Unterkunfts- und Heizkosten sowie Eingliederungsleistungen. Effizientere Jobcenter könnten dazu beitragen, diese Ausgaben zu senken, indem sie Menschen zügig in Arbeit vermitteln.

Die Politik sollte sich alle Jobcenter genau anschauen

Forderungen, die Effizienz in gemeinsamen Einrichtungen zu steigern, wie sie jüngst im Bundestag aufkamen – greifen laut IW-Forscherin Stefanie Seele zu kurz:

„Die Politik sollte sich in allen Jobcentern genau anschauen, welche Faktoren in Verwaltung oder Vermittlung die Integrationsquoten verbessern.“
Stefanie Seele, IW

Welche konkreten Faktoren in den erfolgreichsten Jobcentern zum Erfolg führen, ob besondere Vermittlungsstrategien, intensive Arbeitgeberkontakte oder spezielle Instrumente, bleibt offen. Genau das aber wäre aus Sicht der Forscherin Stefanie Seele notwendig. Denn solange nicht systematisch untersucht wird, was die Spitzenreiter anders machen, bleibt unklar, ob ihre Methoden auch anderswo funktionieren würden.

Anzeige

Was auch Arbeitgeber wissen sollten

Die Unterschiede zwischen Jobcentern haben auch Folgen für die Wirtschaft. Wer auf Fachkräfte angewiesen ist, sollte sich nicht allein auf Zufallsbewerbungen verlassen, sondern gezielt mit leistungsstarken Jobcentern kooperieren.

Besonders für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU), die keine eigene Recruiting-Abteilung haben, kann die Zusammenarbeit mit „Integrations-Champions“ enorme Vorteile bringen. In Regionen wie Ansbach oder Dingolfing-Landau funktioniert die Vermittlung nicht nur schneller, sondern oft auch passgenauer. Ein Blick in die Jobcenter-Rangliste lohnt sich also auch aus unternehmerischer Perspektive.

Anzeige