Hustend im Meeting, fiebrig vorm Bildschirm, mit Magenkrämpfen durch den Arbeitstag. Was wie eine Folge aus der Serie „Corporate Zombies“ klingt, ist in vielen Unternehmen bitterer Alltag. Wer sich krank zur Arbeit schleppt, will überzeugen. Leistungsbereitschaft zeigen oder hat schlicht Angst. Dabei schadet er sich nicht nur selbst, sondern dem gesamten Team.
Krankmelden? Schon ist man verdächtig
Zwei Drittel aller Beschäftigten tun es. Krank zur Arbeit gehen. Nicht nur mit verstopfter Nase, sondern richtig krank. Fieber. Schmerzen. Schlapp wie lauwarmer Kaffee. Trotzdem einloggen, trotzdem antreten, trotzdem durchziehen. Warum? Weil viele Beschäftigte glauben, sie müssen. Weil sie denken, sie dürfen nicht ausfallen. Weil sie gelernt haben: Wer ausfällt, fällt auf und vielleicht auch raus.
Der DGB-Index Gute Arbeit zeigt: Präsentismus ist aber längst Normalzustand. 63 Prozent schleppten sich 2024 trotz Krankheit in die Arbeit. Fast die Hälfte sogar länger als eine Woche.
Krank? Dann erklär dich erst mal
Was dabei nicht gesehen wird oder nicht gesehen werden will: Wer krank arbeitet, verlängert seine Krankheit. Und steckt andere mit an. Aus falschem Pflichtgefühl wird Ansteckung. Aus einem Schnupfen eine Grippewelle. Was also kurzfristig wie Einsatz erscheinen mag, ist langfristig ein wirtschaftlicher Bumerang. Dabei bringt kranker Präsentismus niemandem etwas, im Gegenteil. Er kostet Kraft, Konzentration und am Ende mehr, als ein Krankheitstag je gekostet hätte. Die Abläufe geraten ins Stocken, die Zusammenarbeit wird zäher, der Druck steigt für alle.
Wer krank ist, soll bitte nicht kämpfen müssen, sondern sich einfach nur auskurieren. Doch viele fühlen sich schuldig, wenn sie am Arbeitsplatz fehlen. Als würden sie das Team im Stich lassen. Oder das ach so wichtige Projekt verzögern. Die obige Studien belegt: Je höher die Arbeitsbelastung, desto häufiger das krankhafte Dableiben.
Der Arbeitstag
Welche Jobs haben Zukunft? Wo knirscht’s zwischen Boomern und Gen Z? Wie verändern KI und Fachkräftemangel unser Berufsleben? „Der Arbeitstag“ ist der Newsletter mit allem, was die moderne Arbeitswelt bewegt. Klar, kompakt und direkt ins Postfach.
Die Beispiele kennt vermutlich jeder:
- Eine Marketing-Manager, die fiebrig ins Büro kommt und zwei Kollegen gleich mit ins Bett schickt.
- Eine Teamleiterin, der sich mit Magenkrämpfen durch einen Pitch quält und dabei den Kunden verliert.
- Eine Junior-Berater, der sich nicht traut, sich krankzumelden und mit Lungenentzündung zwei Wochen später ausfällt.
Schon wieder? Du warst doch letztes Jahr krank
„Schon wieder krank?“, „Du bist nicht der Einzige der aktuell fehlt.“, „Wie sollen wir das ohne dich schaffen?“ Wer solche Sätze kennt, weiß: Das Problem liegt nicht bei den Beschäftigten. Es liegt bei den Erwartungen. Bei der Art, wie über Gesundheit in Unternehmen gedacht, gesprochen oder eben geschwiegen wird. Einige sollen gar Urlaub nehmen statt sich krankzumelden. Andere werden für zwei Fehltage im Jahr getadelt. Als wäre Krankheit ein Vergehen. Als müsste man sich für seinen Körper entschuldigen.
Digital erreichbar heißt nicht einsatzfähig
Besonders tückisch: das Homeoffice. Was einmal Rückzugsort und Genesungsraum war, wird heute zur Ausweichlösung verklärt. „Wenn du dich schon krankmeldest, kannst du dich ja wenigstens einloggen.“ Ein weiterer Satz, der inzwischen Standard ist und der zeigt, wie wenig Vertrauen in die Selbstfürsorge von Mitarbeitern steckt. Dabei ersetzt ein Laptop am Krankenbett keine Genesung, sondern verschleppt sie nur.
Also, liebe Chefs. Liebe Mitarbeiter. Ja, liebe Unternehmen: Kranker Präsentismus ist kein Zeichen von Einsatz oder Durchhaltewillen. Er ist vielmehr ein Symptom von Misstrauen, Überforderung – und natürlich auch schlechter Führung.
Hand aufs Herz: Hast du dich schon mal krank zur Arbeit geschleppt, obwohl du lieber im Bett geblieben wärst?







