„Sag mir, wie du mich bewertest, und ich sage dir, was ich dir zeige.“ Dieser Gedanke beschreibt das Dilemma moderner Leistungsbeurteilungen, die in Unternehmen als Instrument der Kontrolle und Motivation gehandelt werden. Doch was messen sie wirklich? Die Wahrheit ist: Zahlen und Tabellen erzählen meist nicht die Geschichte, die sie zu erzählen vorgeben.

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Menschen in Zahlen gepresst: Wenn Arbeit zur Statistik wird

Viele Unternehmen arbeiten nach einem Grundsatz, der so nüchtern wie gnadenlos ist: „Was nicht messbar ist, existiert nicht.“ Mitarbeitende werden zur Kennzahl, ihre Leistungen zu Diagrammen. Der Wert einer Arbeitskraft wird berechnet anhand von geschriebenen E-Mails, abgearbeiteten Tickets, verkauften Produkten oder eingesparten Kosten.

Manchmal gibt es dafür vorgefertigte Raster. Kategorien wie „quantitativ“ und „qualitativ“ bestimmen, ob jemand „überdurchschnittlich“, „durchschnittlich“ oder „unterdurchschnittlich“ performt. Doch was diese Systeme nicht erfassen: den Menschen dahinter.

Hier liegt auch grundlegende Problem: Arbeit ist nicht gleich Arbeit. Ein Teammitglied, das Kundenprobleme empathisch löst, bringt möglicherweise harten Zahlen – trägt aber unschätzbar zur Unternehmenskultur und zum -image bei. Der ruhige Kollege, der den Überblick behält, wenn andere hektisch und fehleranfällig werden, fällt in der Statistik nicht auf. Was bleibt, ist die Erkenntnis: Das vermeintlich objektive System verfehlt sein Ziel.

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Menschen sind keine Maschinen – werden aber trotzdem so behandelt

Die Tragik liegt nicht nur in der Methodik, sondern im Menschenbild dahinter. Mitarbeitende werden zu Ressourcen, die bewertet, getrimmt und optimiert werden sollen. Wer am meisten leistet und liefert, steigt auf – zumindest solange, bis die Kräfte versagen. Dieses System ähnelt einem Dauerlauf ohne Ziel: Es zählt nicht, wie lange jemand durchhält, sondern nur, dass er schneller ist als der Rest.

Besonders toxisch wird es, wenn Führungskräfte diese Bewertungen als Machtinstrument nutzen. Freundschaften und Netzwerke werden wichtiger als Ergebnisse. Sympathien oder Vorurteile beeinflussen, wer die besten Leistungsnoten erhält. Das Resultat? Fatal: Mitarbeitende konzentrieren sich darauf, gut dazustehen, statt gute Arbeit zu leisten.

Schon gewusst: Laut ManageBetter verbringen Manager jährlich 210 Stunden mit Leistungsmanagement, Mitarbeiter ganze 40 Stunden (CEB). Trotz dieses enormen Zeitaufwands glauben nur 58 % der Führungskräfte, dass ihr aktuelles Leistungsbeurteilungssystem weder die Leistung steigert noch das Engagement fördert. Gleichzeitig sind 80 % der Arbeitnehmer mit ihren Leistungsbeurteilungen auch noch unzufrieden (Deloitte). Finde den Fehler.

Leistungsdruck statt Perspektive

Die Realität vieler Beschäftigter spiegelt diesen Irrsinn im Arbeitsalltag wider. Wochenlang wird daran gefeilt, die eigene Leistung optimal zu präsentieren, während im Hintergrund die Angst im Genick sitzt: Reicht das? Viele wissen, dass ihre Bewertung über mehr entscheidet als nur ein Lob: Gehaltserhöhungen, Beförderungen – oder der Gang aufs Abstellgleis hängen daran.

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Doch was bringt es, wenn ein System Angst statt Motivation erzeugt? Mitarbeiter vergleichen sich, statt zusammenzuarbeiten. Konkurrenzdruck verhindert Wachstum. Unternehmen stagnieren.

Ein menschlicherer Ansatz: Bewertung neu denken

Dabei ist Veränderung möglich. Statt starre Rankingkriterien zu erstellen, sollten Unternehmen auf echte Gespräche setzen. Feedback sollte keinem Gerichtsurteil gleichen, sondern als Chance verstanden werden, gemeinsam zu wachsen.

Das bedeutet: Führungskräfte müssen Verantwortung übernehmen. Sie dürfen sich nicht hinter Bewertungsbögen verstecken, sondern müssen zuhören, fördern und Perspektiven aufzeigen. Zielvorgaben müssen realistisch sein, und vor allem: individuell.

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Ein Mitarbeiter, der in einem Bereich schwächelt, sollte nicht abgewertet, sondern unterstützt werden. Gleichzeitig muss anerkannt werden, dass nicht alle Leistungen messbar sind. Wie bewertet man Teamgeist? Wie erfasst man Empathie? Diese Fragen verdienen durchdachte Antworten.

Schluss mit dem Objektivitäts-Mythos

Leistungsbeurteilungen versprechen Objektivität, liefern aber das Gegenteil. Die Bewertung eines Menschen ist immer subjektiv – und das ist nicht das Problem. Problematisch wird es, wenn Unternehmen diese Subjektivität leugnen und Mitarbeitende wie Zahnräder behandeln.

Vertrauen, Respekt und Wertschätzung sind keine weichen Faktoren – sie sind die Grundlage für echte Leistung. Es ist Zeit, Leistungsbeurteilungen neu zu denken: Weg von Kontrolle, hin zu echter Entwicklung. Menschen dürfen nicht auf Zahlen reduziert werden. Denn was wirklich zählt, ist nicht das Papier, sondern das Potenzial, das entsteht, wenn sich Menschen verstanden fühlen.

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