Eine aktuelle Studie der London School of Economics (LSE) und Protiviti zeigt, dass große Altersunterschiede zwischen Vorgesetzten und ihren Teams nicht selten zu Missverständnissen, Spannungen und einem Einbruch der Produktivität führen. Besonders betroffen sind jüngere Mitarbeitende der Generation Z und Millennials.
Zahlen, die zum Nachdenken anregen
Die Studie befragte mehr als 1.450 Mitarbeitende aus Großbritannien und den USA. Die Ergebnisse sprechen eine deutliche Sprache:
- 25 Prozent der Mitarbeitenden gaben an, dass sie sich in ihrem Job unproduktiv fühlen.
- Besonders betroffen sind jüngere Generationen: 37 Prozent der Gen Z und 30 Prozent der Millennials berichten von niedriger Produktivität.
- Zum Vergleich: Bei der Generation X sind es 22 Prozent, bei den Babyboomern nur 14 Prozent.
Ein weiterer kritischer Faktor: Mitarbeitende mit Vorgesetzten, die mehr als 12 Jahre älter sind, berichten 1,5-mal häufiger von niedriger Produktivität und dreimal häufiger von extremer Unzufriedenheit im Job.
Was diese Zahlen zeigen? Ein Problem, das tiefer geht als die üblichen Konflikte zwischen Generationen. Es sind nicht nur unterschiedliche Werte und Erwartungen, die aufeinanderprallen – es ist der Mangel an Führungskompetenz, der diese Differenzen verstärkt.
Warum Generationen nicht miteinander können
Vier Generationen teilen sich heute in vielen Unternehmen denselben Arbeitsplatz – von der Generation Z, die mit TikTok aufgewachsen ist, bis zu den Babyboomern, die lange Jahre von festgelegten Hierarchien geprägt wurden. Das klingt nach einer inspirierenden Mischung aus Erfahrung, Innovation und neuen Perspektiven. In der Praxis aber führt es oft zu Friktionen.
Die jüngeren Generationen erwarten von ihrer Arbeit vor allem eins: Flexibilität. Sie wünschen sich transparente Kommunikation, schnelles Feedback und flache Hierarchien. „Wertschätzung“ ist für sie nicht nur ein Schlagwort, sondern eine Grundbedingung. Ältere Führungskräfte hingegen bleiben viel zu häufig in traditionellen Strukturen verhaftet – nicht aus bösem Willen, sondern weil ihre eigene berufliche Sozialisation in einer Zeit erfolgte, in der klare Hierarchien und strikte Entscheidungswege die Norm waren.
Das Ergebnis? Missverständnisse auf allen Ebenen. Jüngere Mitarbeitende fühlen sich ausgebremst und nicht ernst genommen. Ältere Führungskräfte hingegen sehen sich mit Erwartungen konfrontiert, die sie als unpraktisch oder unrealistisch empfinden. Und mittendrin steht die Produktivität, die auf der Strecke bleibt.
Das Problem ist nicht unbedingt das Alter
Doch bevor wir ältere Führungskräfte vorschnell zum Sündenbock erklären: Das Problem ist nicht ihr Alter, sondern ihre Fähigkeit – oder Unfähigkeit – generationenübergreifend zu führen.
Die Studie zeigt, dass Unternehmen mit sogenannten intergenerational inklusiven Arbeitspraktiken deutlich bessere Ergebnisse erzielen. In diesen Firmen sinkt der Anteil unproduktiver Mitarbeitender von 25 Prozent auf nur 13 Prozent. Besonders bemerkenswert ist, dass sich die Produktivität junger Mitarbeitender – Gen Z und Millennials – nahezu verdoppelt.
Was heißt das konkret? Firmen, die Altersdiversität ernst nehmen, tun Folgendes:
- Sie fördern alle Generationen gleichermaßen. Karrieren hängen hier nicht am Alter, sondern an Fähigkeiten und Leistung.
- Sie setzen auf Führungskräfte, die generationenübergreifend führen können. Das bedeutet, dass sie in der Lage sind, unterschiedliche Arbeitsstile zu verstehen und zu moderieren.
- Sie schaffen einen Raum, in dem jede Generation „hineinpassen“ kann. Die Arbeitskultur ist so gestaltet, dass sich niemand wegen seines Alters ausgeschlossen fühlt.
Dort, wo diese Prinzipien gelebt werden, berichten nur 13 Prozent der Mitarbeitenden von niedriger Produktivität – verglichen mit 25 Prozent in anderen Firmen.
Können ältere Chefs moderne Führung?
Hier liegt der Kern der Debatte: Können ältere Führungskräfte die Bedürfnisse jüngerer Generationen verstehen und darauf eingehen? Viele von ihnen haben jahrzehntelang in traditionellen Führungsmodellen gearbeitet. Selbstreflexion und die Bereitschaft, sich neuen Ansätzen zu öffnen, sind hier entscheidend – und leider oft Mangelware.
Das Peter-Prinzip, wonach Führungskräfte die Stufe ihrer Inkompetenz erreichen, klingt hier unangenehm vertraut. Wer lange in einer bestimmten Hierarchiekultur erfolgreich war, fällt oft schwer damit, alte Muster zu hinterfragen. Doch genau das wäre notwendig. Denn letztlich hängt der Erfolg nicht vom Alter ab, sondern von der Fähigkeit, Brücken zwischen den Generationen zu bauen.
Was Unternehmen tun können
Die Verantwortung liegt nicht allein bei den Führungskräften. Unternehmen müssen den Wandel aktiv gestalten. Trainings für intergenerationales Führen sind ein Anfang. Programme wie Reverse Mentoring, in denen jüngere Mitarbeitende ihre Perspektiven teilen und digitale Trends erklären, könnten helfen, Verständnis und Respekt aufzubauen.
Doch all das funktioniert nur, wenn die Kultur stimmt. Führungskräfte müssen lernen, wirklich zuzuhören, transparent zu kommunizieren und Talente unabhängig vom Alter zu fördern. Ohne eine aktive Rolle der Führungskräfte bleiben selbst die besten Unternehmensprogramme wirkungslos. Die Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen und sich selbst zu reflektieren, ist dabei der Schlüssel.
Was heißt das konkret? Firmen, die Altersdiversität ernst nehmen, tun Folgendes:
- Sie fördern alle Generationen gleichermaßen. Karrieren hängen hier nicht am Alter, sondern an Fähigkeiten und Leistung.
- Sie setzen auf Führungskräfte, die generationenübergreifend führen können. Das bedeutet, dass sie in der Lage sind, unterschiedliche Arbeitsstile zu verstehen und zu moderieren.
- Sie schaffen einen Raum, in dem jede Generation „hineinpassen“ kann. Die Arbeitskultur ist so gestaltet, dass sich niemand wegen seines Alters ausgeschlossen fühlt.
Diese Prinzipien zahlen sich langfristig aus. Sie verbessern nicht nur die Produktivität, sondern fördern auch die Mitarbeiterbindung und stärken die Innovationskraft. Dort, wo diese Prinzipien gelebt werden, berichten nur 13 Prozent der Mitarbeitenden von niedriger Produktivität – verglichen mit 25 Prozent in anderen Firmen.
Die Herausforderung der guten Führung
Die Ergebnisse der Studie sprechen eine deutliche Sprache: Altersunterschiede sind dann ein Problem, wenn sie durch fehlende Führungskompetenzen verstärkt werden. Das Alter der Führungskräfte ist dabei zweitrangig. Entscheidend ist, ob sie bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, sich zu reflektieren und alte Denkmuster loszulassen.
Die Frage ist nicht, ob jemand jung oder alt führt. Die Frage ist, ob er oder sie gut führt. Und genau hier entscheidet sich, ob ein Unternehmen das Potenzial seiner Teams entfesselt – oder es weiterhin verschenkt.