Ein Pferd weiß nichts von Karrieren – vom beruflichen Aufstieg. Es kennt keine Stellenbeschreibungen, keine Deadlines. Und doch arbeitet es. Täglich, zuverlässig, mit dem Körper, mit den Nerven. Es trägt Menschen, springt über Hindernisse, läuft in Kreisen, während jemand auf seinem Rücken turnt. Und dabei verändert es sich. Nicht körperlich – oder nicht nur. Sondern innerlich.

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Eine Studie hat genau das untersucht. Nicht beim Menschen, sondern beim Tier. Sie wollten wissen, ob sich die Arbeit, die ein Pferd verrichtet, in seinem Verhalten zeigt. Ob sie seine Persönlichkeit beeinflusst – so, wie wir vermuten, dass auch unsere eigene Arbeit uns verändert.

Die Idee ist einfach, fast elegant: Alle Pferde lebten gleich. Sie fraßen dasselbe und gehörten ähnlichen Rassen an, waren alle männlich – Wallache. Der einzige Unterschied: Was sie taten.

Die einen liefen Dressur. Sie sollten exakt reagieren, auf kleinste Zeichen, mit Haltung, Spannung, Kontrolle. Andere sprangen – Dynamik, Fokus, Mut. Wieder andere arbeiteten im Voltigieren: Sie trugen Menschen, die sich bewegten, die berührten, die Vertrauen forderten.

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Und genau dort, in dieser kleinen Abweichung – im Was sie tun – zeigte sich ein Unterschied im Wie sie sind.

Wie Arbeit wirkt – im Tier und im Menschen

Man kann nicht sehen, was ein Pferd denkt. Aber man kann beobachten, wie es reagiert. In Verhaltenstests zeigten sich klare Muster. Nicht im Grundgefühl – sie waren nicht insgesamt ängstlicher oder ruhiger. Aber sie drückten ihre Emotionen sagen wir anders aus.

Dressurpferde wirkten angespannt. Nicht im Sinne von panisch, sondern kontrolliert. Als hielten sie etwas zurück. Eine ständige innere Regulation, die sich in kleinen Bewegungen zeigte – ein Zucken, ein Starres, ein nervöses Flackern. Voltigierpferde hingegen waren erstaunlich gelassen. Offen, fast weich in der Wahrnehmung. Obwohl sie viel Nähe ertragen müssen, viele Reize – blieben sie im Verhalten ruhig.

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Es war also nicht das Maß der Emotion, das sich unterschied. Sondern ihr Ausdruck. Und genau das führt zur Frage: Wenn schon ein Pferd durch seine Tätigkeit lernt, wie es fühlen darf – was bedeutet das für uns?

Vom Beruf zur Persönlichkeit

Ein Steuerberater, der Tag für Tag Ruhe ausstrahlt – ist er so geboren? Oder hat ihn die Struktur seiner Arbeit so gemacht? Die Pflegekraft mit dem feinen Gespür für den Menschen, der Callcenter-Agent mit dem sarkastischen Unterton – sind das Charaktere? Oder Rollen, die zu Charakteren wurden?

Die klassische Persönlichkeitspsychologie geht oft von einem stabilen Kern aus – fünf große Merkmale sollen es sein, die ein Leben lang in uns wohnen sollen. Aber das Leben fragt nicht nach Theorien. Es drückt, zieht, verändert. Die Pferdestudie zeigt genau das. Und sie tut es leise, ohne Fragebogen, ohne Interviews. Sie zeigt es im Verhalten, im Körper.

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Und wir?

Natürlich kann man einwenden: Vielleicht wurden manche Pferde schon deshalb Dressurpferde, weil sie von Natur aus angespannt wirkten. Vielleicht hatte die Entscheidung für die Arbeitsrolle bereits ein feines Gefühl für Verhalten im Blick. Viel „vielleicht“. Gewiss ist es nicht. Aber selbst dann: Die Art, wie ein Pferd lebt, arbeitet, gefordert wird – sie prägt, was es zeigt. Und vielleicht auch, was es ist. Wenn das schon bei einem Tier gilt, das keine Karriereziele verfolgt – wie viel mehr gilt das dann für uns?

Was wir mitnehmen sollten

Vielleicht sollten wir aufmerksamer werden, was Arbeit mit uns macht. Nicht nur, ob wir sie können. Sondern, was sie mit unserer Haltung macht – im Inneren wie im Äußeren. Welche Arbeit lässt uns aufblühen? Welche zieht uns zusammen, macht uns eng, kontrolliert? Die Pferde werden dazu nichts sagen. Aber sie zeigen es. Und das ist manchmal ehrlicher als jedes Mitarbeitergespräch.

Nachgefragt: Hat dein Job deine Persönlichkeit in irgendeiner Form geprägt oder verändert – im Positiven wie im Negativen?

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