Es ist ein Moment, der sich einbrennt – nicht laut, nicht schrill, sondern wie ein dumpfer Schlag in den Magen. Die Kundin wirft den Kassenzettel auf den Tresen, ihre Worte sind scharf, ihr Blick verächtlich. Vielleicht hat sie recht. Vielleicht auch nicht. Aber das spielt jetzt keine Rolle. Denn in diesem Moment fühlt es sich persönlich an.
Unfreundliche Kunden sind keine Seltenheit. In der Gastronomie, im Einzelhandel, in Callcentern – überall dort, wo Menschen für andere Menschen da sind, kommt es zu Begegnungen, die verletzen. Oft bleibt danach ein Gefühl von Hilflosigkeit zurück. Warum trifft mich das so sehr? Warum kann ich es nicht einfach abhaken?
Wenn Worte tiefer schneiden, als sie sollten
Ein forscher Ton, ein abschätziger Blick – was nach außen hin harmlos erscheinen mag, trifft uns oft mitten ins Mark. Denn es geht selten nur um die Worte. Es geht um das Gefühl, nicht gesehen, nicht respektiert zu werden. Für viele Beschäftigte, die täglich mit Menschen arbeiten, ist Anerkennung ein stiller, aber unverzichtbarer Lohn. Wer Tag für Tag freundlich lächelt, zuhört und hilft, tut dies nicht nur, weil es zur Stellenbeschreibung gehört. Oft ist es auch Ausdruck von Menschlichkeit.
Und genau diese Menschlichkeit wird in solchen Momenten verletzt. Psychologen sprechen von „emotionaler Dissonanz“ – dem Spannungsfeld zwischen dem, was man fühlt, und dem, was man zeigen muss. Eine Kellnerin, die von einem Gast lautstark zurechtgewiesen wird, kann nicht einfach mit gleicher Münze zurückzahlen. Stattdessen lächelt sie, entschuldigt sich vielleicht sogar – und erstickt dabei den aufkommenden Ärger in sich selbst.
Diese unterdrückten Gefühle verschwinden nicht einfach. Sie bleiben, nagen, summieren sich. Wer sich wiederholt respektlos behandelt fühlt, läuft Gefahr, sich zu entfremden – nicht nur von den Kunden, sondern auch von sich selbst.
Warum sind Menschen so unfreundlich?
Es gibt Tage, an denen wir selbst gereizt reagieren, ohne es zu wollen. Ein luft-(lust)loser Reifen Reifen, ein Streit am Frühstückstisch, ein Kopf voller Sorgen. Oft sind es solche unsichtbaren Lasten, die Menschen unfreundlich machen. Ein harscher Kunde ist nicht automatisch ein schlechter Mensch – manchmal ist er einfach nur ein Mensch, der mit sich selbst kämpft.
Doch das entschuldigt nicht alles. In einer Gesellschaft, die zunehmend von Zeitdruck und Konsum geprägt ist, wird Höflichkeit oft als selbstverständlich betrachtet – bis sie fehlt. Respektlosigkeit kann wie eine soziale Krankheit wirken. Menschen, die sich im Alltag ohnmächtig fühlen, versuchen manchmal, diese Ohnmacht durch Dominanz zu kompensieren – oft auf Kosten anderer.
In Dienstleistungsberufen spiegelt sich diese Dynamik besonders deutlich. Wer in einem Restaurant oder einem Laden arbeitet, ist für den Kunden oft nicht mehr als eine Funktion – ein verlängerter Arm der Kasse, des Telefons oder der Kaffeetasse. Dass hinter dieser Funktion ein Mensch aus Fleisch und Blut steht, gerät dabei leicht in Vergessenheit.
Wie schützt man sich vor unfreundlichen Kunden?
Der Umgang mit unfreundlichen Kunden ist eine tägliche Übung in Selbstbeherrschung – aber auch in Selbstfürsorge. Es geht darum, die Balance zu halten: zwischen professioneller Distanz und emotionaler Verletzlichkeit.
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Anerkennen, dass es wehtut
Der erste Schritt ist, sich selbst einzugestehen, dass eine Begegnung belastend war. Viele neigen dazu, ihre Gefühle kleinzureden – „Das war doch nicht so schlimm“. Doch solche Verletzungen zu übergehen, macht sie nicht weniger real. -
Die Verantwortung beim Gegenüber lassen
Unhöflichkeit sagt mehr über den Sender aus als über den Empfänger. Sich das bewusst zu machen, kann helfen, den Angriff nicht zu persönlich zu nehmen. Eine innere Haltung wie „Das ist nicht mein Problem, sondern seins“ schafft die nötige emotionale Distanz. -
Grenzen setzen – mit Stil und Würde
Respekt einzufordern, bedeutet nicht, unhöflich zu sein – es zeigt dagegen Selbstachtung. Ein ruhiges „Ich möchte gerne helfen, aber so kann ich dieses Gespräch nicht führen“ kann Wunder wirken. Es geht nicht darum, zurückzuschlagen, sondern die eigene Integrität zu bewahren. -
Den Moment loslassen – aber nicht vergessen
Nach einem schwierigen Gespräch hilft es, kurz durchzuatmen, vielleicht einen Schluck Wasser zu trinken oder mit einem Kollegen zu sprechen. Solche kleinen Rituale signalisieren Körper und Seele: „Die Situation ist vorbei – es kehrt Ruhe ein.“ Gleichzeitig dürfen die Erlebnisse auch zum Nachdenken anregen. Welche Grenzen wurden überschritten? Und was kann ich beim nächsten Mal anders machen?
Ein Blick auf die Gesellschaft – und auf uns selbst
Es wäre einfach, die Schuld nur bei den Kunden zu suchen. Doch lohnt es sich, die Perspektive zu wechseln – und sich in das Gegenüber hineinzuversetzen. Wann haben wir selbst zuletzt einen genervten Ton angeschlagen, einen enttäuschten Blick geworfen? Und wie oft haben wir es versäumt, uns zu entschuldigen? Sind wir nicht alle Kunden?
Freundlichkeit ist mehr als eine soziale Konvention. Sie ist ein Zeichen von Respekt und Menschlichkeit – und beides gerät in der Hektik des Arbeitsalltags aus dem Fokus. Wer freundlich behandelt wird, gibt diese Freundlichkeit weiter. Das gilt nicht nur für Kunden, sondern auch für Mitarbeitende.
Am Ende bleibt die Menschlichkeit
Unfreundliche Kunden wird es immer geben. Aber ebenso wird es Menschen geben, die sich bemühen, freundlich zu bleiben – auch dann, wenn es schwerfällt oder gar verletzt. Die Kellnerin, die trotz allem lächelt, der Verkäufer, der ruhig bleibt und weiter berät, obwohl er angeschrien wird – sie alle leisten mehr als nur Service. Sie leisten einen Beitrag zur Menschlichkeit in einer immer rauer werden Welt.
Doch diese Menschlichkeit braucht Schutz. Sie braucht Anerkennung, Unterstützung und Pausen. Denn wer sich selbst achtet, kann auch andere achten. Und manchmal reicht schon ein Lächeln – auf beiden Seiten des Tresens.