Das Handy blinkt. Vielleicht endlich die Antwort auf deine berufliche Rückfrage? Stattdessen nur eine Erinnerungs-Mail vom Projekttool oder der dritte Hinweis auf das neue Datenschutztraining. Und während du enttäuscht zur Seite wischst, beginnt sie schon: die innere Unruhe. Warum hat dein Kollege deine Nachricht noch nicht beantwortet? Es war doch wichtig – oder?
Gerade im Job, wo Kommunikation zunehmends digital läuft, kann Funkstille eine ganz eigene Dramatik entfalten. Slack gelesen. Teams geöffnet. WhatsApp-Doppehäkchen. Und trotzdem: keine Reaktion. Kein „Okay“, kein „Mache ich später“, nicht mal ein Emoji. Nur Schweigen – und das nagt.
Gesehen. Gecheckt. Und trotzdem ignoriert?
Was wie ein passiv-aggressives Statement wirkt, ist in Wirklichkeit oft nur Joballtag pur. Meetings, Deadlines, Multitasking – wer im Job unterwegs ist, liest Nachrichten häufig zwischendurch, ohne direkt zu reagieren. Zwischen „Nachricht gesehen“ und „Antwort schreiben“ liegen im Arbeitskontext nicht selten ein Kundentermin, drei Excel-Dateien und ein platter Laptop-Akku.
Die Tools suggerieren Verfügbarkeit, wo keine ist. Und genau das ist das Problem: Wir verwechseln digitale Präsenz mit echter Kapazität. Nur weil jemand Slack geöffnet hat, heißt das nicht, dass dein Anliegen gerade auf dem Radar ist.
Deine Nachricht ist wichtig – aber nicht immer jetzt
Gerade in agilen Teams, flachen Hierarchien und Remote-Setups lebt der Workflow von schneller Kommunikation. Aber: Nicht jede Nachricht muss sofort beantwortet werden. Und nicht jeder Kollege kann immer sofort reagieren. Wer permanent antwortet, arbeitet nicht. Und wer arbeitet, antwortet nicht immer sofort.
Wenn du also auf eine Reaktion wartest, atme kurz durch, bevor du in den zweiten Reminder-Modus schaltest. Vielleicht braucht dein Gegenüber gerade Fokus. Vielleicht ist die Nachricht wichtig, aber eben nicht dringend.
Funkstille ist keine Führungsschwäche
Das gilt übrigens auch für Führungskräfte. Nur weil deine Chefin nicht auf deine Status-Updates reagiert, bedeutet das nicht automatisch Desinteresse. Vielleicht wird gerade an der nächsten Strategie gefeilt, vielleicht prasseln 50 andere To-dos parallel rein. Kommunikation ist keine Einbahnstraße – und erst recht kein Ego-Booster.
Wichtig ist: Lerne, zwischen Ignoranz und Priorisierung zu unterscheiden. Ein Kollege, der regelmäßig liefert, aber nicht auf jedes „Ping“ sofort springt, ist kein Problem. Sondern jemand mit Selbstschutz.
Ständige Erreichbarkeit ist keine Tugend
In vielen Unternehmen wird ständige Erreichbarkeit noch immer mit Einsatz verwechselt. Dabei zeigt wahre Professionalität sich oft darin, bewusst zu filtern:
- Was muss jetzt?
- Was kann warten?
- Wer das nicht trennt, arbeitet ineffizient und brennt aus.
Statt also Nachrichten sofort mit Antworten zu belohnen, sollten Teams eine neue Geduldskultur etablieren: Klar kommunizieren, wann Antworten realistisch zu erwarten sind. Und akzeptieren, dass „später“ nicht gleich „nie“ bedeutet.
Was wir alle lernen müssen: aushalten, warten, nachfragen
Wenn du auf eine wichtige Antwort wartest, mach dir klar: Deine Nachricht ist angekommen. Du bist gesehen. Und du darfst auch nachhaken, aber mit Maß. Kein „??“ nach zehn Minuten. Keine passiv-aggressiven Nachschübe. Sondern professionell: „Hey, hast du mein Update schon gesehen? Ich brauche deine Einschätzung bis Freitag.“
Und wenn du selbst nicht sofort antwortest, kein schlechtes Gewissen. Sag einfach Bescheid: „Ich hab’s gelesen, melde mich später dazu.“ Das reicht oft schon, um den digitalen Stresslevel im ganzen Team zu senken.
Kommunikation ist kein Sekundenrennen
Die Erwartung, dass wir beruflich auf jede Nachricht in Echtzeit reagieren, ist eine digitale Illusion und eine kollektive Überforderung. Schweigen heißt nicht Ablehnung. Ein entspannter, effizienter Arbeitsalltag beginnt dort, wo verspätete Antworten kein Affront sind. Und Menschen keine Messenger-Bots.