Niemand bleibt heute länger im Unternehmen als unbedingt nötig – so scheint es zumindest. Statistisch gesehen endet jedes zweite Arbeitsverhältnis in Deutschland innerhalb des ersten Jahres. Und: Die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit ist seit den 1990er-Jahren leicht, aber stetig gesunken. Nur Beschäftigte über 50 waren im Mittel noch 17 Jahre beim selben Arbeitgeber – bei den unter 30-Jährigen sind es gerade einmal drei Jahre.
Generation Z ist nicht die Ursache – nur der Spiegel
Schnell entsteht der Verdacht: Die junge Generation wechselt ständig, hat keine Loyalität, keine Geduld. Doch der Trend ist älter als TikTok. Bereits seit Jahrzehnten sinkt die durchschnittliche Verweildauer im Unternehmen – quer durch alle Altersgruppen. Die Gen Z lebt nur sichtbar aus, was sich in der Arbeitswelt lange angestaut hat: eine Abkehr vom Prinzip „lebenslange Betriebszugehörigkeit“. Nicht Faulheit, sondern veränderte Werte stehen dahinter.
Warum die Treue zum Arbeitgeber sinkt
Daten aus dem IW-Report 2025 zeigen: Die Bindung an den Arbeitgeber wird immer seltener durch Pflichtgefühl oder Sicherheit motiviert. Stattdessen herrscht eine neue Arbeitsmarktlogik: Mehr Auswahl, mehr Selbstbewusstsein, mehr Flexibilität. Der häufigste Grund für das Ende eines Beschäftigungsverhältnisses ist heute die Eigenkündigung durch den Arbeitnehmer.
Und das in einem Land, in dem die Wirtschaft ins Straucheln kommt, Fachkräfte fehlen und Produktivität stagniert. Der Widerspruch könnte kaum größer sein.
Kurze Jobs, sinkende Loyalität – aber keine Spur von Frust?
Trotz der sinkenden Verweildauer lässt sich keine flächendeckende Demotivation feststellen. Im Gegenteil: Laut IW fühlen sich 90 Prozent der Beschäftigten mit ihrer Arbeit zufrieden. Auch das Engagement bleibt hoch: Mehr als die Hälfte ist meistens begeistert bei der Arbeit – und 90 Prozent finden gar, sie leisten gute Arbeit.
Kurze Betriebszugehörigkeit heißt also nicht zwangsläufig: niedrige Motivation. Eher spiegelt sie eine dynamischere, individuellere Arbeitswelt wider.
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Was die hohe Fluktuation für Unternehmen bedeutet?
Trotzdem: Für Unternehmen bedeutet hohe Fluktuation hohe Kosten – von Onboarding bis Wissensverlust. Laut Bundesagentur für Arbeit liegt der Fluktuationskoeffizient stabil bei etwa 30 – was bedeutet, dass jedes Jahr auf einem Drittel aller Arbeitsplätze ein Wechsel stattfindet.
Was können Unternehmen tun? Die Antwort liegt schlicht in der Steigerung der Arbeitgeberattraktivität: Sinn, Entwicklung, Flexibilität, Vertrauen.
Loyalität zum Arbeitgeber muss sich neu definieren
Langjährige Betriebszugehörigkeit war einmal ein Gütesiegel – heute ist sie oft ein Zufallsprodukt. Der Karriereweg wird fragmentierter, das Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis fluider. Was früher „Treue“ war, nennen wir heute „Kompatibilität auf Zeit“.