Geld stinkt nicht. Aber wer drüber spricht, erntet schnell schiefe Blicke. Zumindest in hiesigen Wohnzimmern, Freundeskreisen oder Yogagruppen. Dabei könnte genau das so vieles verbessern: unsere Karriere, unsere Freundschaften, unsere finanzielle Bildung – ja, schlicht unser gesamtes Leben.
Warum ist das Gehalt immer noch ein Tabuthema?
Wir reden über unsere Beziehungen, unsere Urlaubspläne und selbst über Verdauungsprobleme. Aber beim Thema Gehalt wird es schlagartig still. In vielen Familien ist die Frage nach dem Einkommen fast schon prekär. „Darüber spricht man nicht“ ist das finanzielle Pendant zu „Zieh dir was Anständiges an“.
Die Angst: Wer zu wenig verdient, hat sein Leben nicht im Griff. Wer viel verdient, macht sich gar angreifbar. Zwischen Neid, Scham und Prahlerei bleibt oft nur eines: Schweigen.
Was bedeutet „Gehalt offenlegen“ eigentlich?
Es geht nicht darum, jeden Kontostand auf Instagram zu posten. Sondern um einen offenen, ehrlichen Austausch unter Freunden, in der Familie und vor allem im Job. Wie viel verdienst du? Wie viel ist in deinem ETF? Wie viel zahlst du für deine Miete? Wer solche Informationen teilt, schafft Transparenz. Und Transparenz schafft – zumindest ein Stück weit – Gerechtigkeit.
Warum Schweigen zum Thema Geld schadet
Das Gehalt bleibt in vielen Unternehmen ein gut gehütetes Geheimnis – zumindest noch. Kaum jemand weiß, was Kollegen mit ähnlicher Qualifikation und Verantwortung verdienen – und genau das ist das Problem. Denn fehlende Transparenz führt zu Unsicherheit, Misstrauen und Ungleichheit. Besonders Berufseinsteiger sind betroffen: Sie neigen dazu, ihr Können zu unterschätzen – und fordern dadurch seltener ein Gehalt, das ihrer Leistung wirklich entspricht.
Wer keine Vergleichswerte kennt, hat auch keine Argumente in der Gehaltsverhandlung. Viele akzeptieren daher stillschweigend Angebote, die unter dem Branchendurchschnitt liegen. Das betrifft nicht nur das Einstiegsgehalt, sondern zieht sich oft wie ein roter Faden durch die gesamte Karriere – denn künftige Gehälter bauen meist auf der vorherigen Basis auf.
Hinzu kommt: Wer nie gelernt hat, über Geld zu sprechen, tut sich auch später schwer, überhöhte Rechnungen zu hinterfragen, Verträge zu prüfen oder für den eigenen Marktwert einzustehen. Das Schweigen wird zum Stolperstein – im Job, im Freundeskreis und im Alltag.
Alltagsszenen aus der Geld-Schattenwelt
Die Freundin erzählt vom frisch gekauften Eigenheim: drei Zimmer, kernsaniert, gute Lage. Wie sie sich das mit einem Teilzeitjob leisten kann, bleibt unausgesprochen. Man gratuliert, nickt, sagt nichts. Im Büro verdienen Kollegen mit vergleichbarem Profil mitunter mehrere Hundert Euro mehr im Monat – doch niemand fragt, warum. Unterschiede werden hingenommen, als wären sie selbstverständlich.
In der Familie klagt der Bruder über steigende Lebenshaltungskosten, investiert aber regelmäßig in ETFs und gönnt sich technische Neuanschaffungen. Was er verdient oder spart, bleibt sein Geheimnis. Statt Zahlen tauscht man Floskeln. Und so bleibt das Schweigen, obwohl ein offenes Wort längst überfällig wäre.
Wie du mit Geldgesprächen anfangen kannst
- Starte im Kleinen: Sprich mit engen Freunden über Miete, Altersvorsorge oder Gehalt.
- Teile deine Erfahrungen von Gehaltsverhandlungen – das hilft anderen beim Einstieg.
- Frage aktiv nach: „Was denkst du, was ist für die Stelle ein realistisches Gehalt?“
- Nutze Tools wie kununu, Glassdoor oder den Entgeltatlas der Agentur für Arbeit.
Redet endlich über Geld!
Geldgespräche sind kein Wettlauf um mehr, höher, weiter. Sie sind ein Akt der Solidarität. Wer offen über sein Gehalt oder generell Geld spricht, macht anderen Mut, ihren eigenen Wert zu erkennen – und einzufordern.
Also: Frag ruhig mal nach. Und beantworte die Frage ehrlich, wenn sie dir gestellt wird. Es könnte jemandem den Ar*** retten – finanziell gesehen.