„Toller Vortrag!“ sagt der Chef. Und was denkst du? Wahrscheinlich nicht: „Ja, das war wirklich stark von mir!“ Sondern eher: „Ach, die anderen hätten bestimmt besser abgeliefert.“ Willkommen im Club der Selbstzweifler. Deine Mitgliedskarte nennt sich übrigens: Hochstapler-Syndrom.

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Was ist das Hochstapler-Syndrom?

Das Hochstapler-Syndrom (auch Impostor-Syndrom genannt) beschreibt das psychologische Phänomen, bei dem kompetente Menschen glauben, sie hätten ihre herausragenden Erfolge nicht verdient. Sie fühlen sich wie Leistungsbetrüger in eigener Sache. Erfolge werden auf Glück, Zufall oder das Wohlwollen anderer geschoben. Fehler hingegen sind Beweis für die eigene Unfähigkeit. Klingt paradox? Ist es auch.

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Woher kommt dieses Gefühl, ein Hochstapler oder Impostor zu sein?

Das Impostor-Syndrom wurde erstmals in den 1970er-Jahren von den Psychologinnen Pauline Clance und Suzanne Imes beschrieben. Ursprünglich vor allem bei erfolgreichen Frauen beobachtet, weiß man heute: Auch viele Männer sind betroffen. Besonders in leistungsorientierten Umfeldern, in denen Fehler stigmatisiert und Perfektion erwartet wird, fühlt sich das eigene Können schnell wie ein Kartenhaus an.

Der ständige Vergleich mit anderen, soziale Unsicherheiten, das Streben nach Kontrolle und der Drang, niemals Schwäche zu zeigen, bilden den perfekten Nährboden für das Impostor-Gefühl. Und das wird im Joballtag besonders tückisch.

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Schon gewusst: Laut einer Studie von KPMG haben 75 Prozent der weiblichen Führungskräfte zu bestimmten Zeitpunkten ihrer Karriere das Hochstapler-Syndrom erlebt. 85 Prozent halten es für ein weit verbreitetes Phänomen – gerade unter Frauen in der amerikanischen Wirtschaft. 81 Prozent setzen sich selbst stark unter Druck, nicht zu scheitern – und 74 Prozent glauben, dass Männer seltener unter Selbstzweifeln leiden. Und fast die Hälfte der Befragten führt ihre Unsicherheit darauf zurück, dass sie nie mit dem heutigen Erfolg gerechnet hätten. Als wichtigste Schutzfaktoren nennen sie unterstützende Vorgesetzte, Anerkennung – und den Austausch mit Mentoren oder Vertrauenspersonen.

Wie zeigt sich das im Joballtag?

Was andere als Leistung feiern, wird von Betroffenen systematisch entwertet. Sie halten Lob auf Abstand wie einen verbal übergriffigen Bekannten. Bloß keine Nähe. Bloß nicht einlassen. Lieber den Rückzug antreten, bevor es peinlich wird. Ein paar Beispiele gefällig? 

  • Beförderung erhalten? „Wahrscheinlich war gerade niemand anderes verfügbar.“ oder „Den Job will ja sonst keiner machen.“
  • Projekt gerockt? „Das war doch alles Teamleistung, nicht nur mein Verdienst.“
  • Lob vom Management? „Die haben mich nur noch nicht durchschaut.“ oder „Wann fliege ich auf?“

Aber es geht noch tiefer: Betroffene vermeiden es, sich überhaupt in Situationen zu bringen, in denen sie auffallen könnten. Sie sind im Meeting mucksmäuschenstill, vermeiden Präsentationen, sagen „Nein“ zu neuen Projekten – aus Angst, die Erwartungen nicht zu erfüllen. Und wenn sie es doch tun, setzen sie sich unter massiven inneren Druck, alles perfekt zu machen. Die Angst, aufzufliegen, ist ein ständiger Begleiter.

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Warum ist das problematisch?

Wer ständig mit sich selbst im Ring steht, hat kaum Kapazitäten für Entwicklung. Das Hochstapler-Gefühl wirkt wie eine mentale Fußfessel: Es bremst Karrieren, sabotiert Beziehungen zu Kollegen und schadet langfristig der eigenen Gesundheit. Denn ständiger innerer Alarmzustand führt nicht nur zu Erschöpfung, sondern auch zu einem toxischen Arbeitsverhalten:

  • Aufgaben werden übererfüllt – aus Angst, nicht zu genügen.

  • Delegation wird vermieden – niemand soll merken, dass man „eigentlich nichts kann“.

  • Selbst einfache Komplimente lösen Herzrasen aus – denn drehen am Gedankenkarussel 

Das Tragische: Viele Betroffene leisten enorm viel. Doch statt sich daran aufzurichten und sich selbst auf die Schulter zu klopfen, versinken sie in Selbstzweifel. Die Folge ist nicht nur psychischer Druck, sondern oft auch ein massives Missverhältnis zwischen Aufwand und Anerkennung. Wer sich selbst klein macht, gibt der Umwelt unbewusst die Erlaubnis, es ebenfalls zu tun.

Was hilft gegen das Impostor-Syndrom?

  • Lob annehmen lernen: Lob ist wie eine Einladung. Lehnesie nicht ab, weil du überrascht bist. Nimm sie an. Sag Danke. Und dann darfst du innerlich ruhig ein bisschen feiern.
  • Erfolge dokumentieren: Schreib dir auf, was du wann und wie geleistet konkret hast. 
  • Darüber sprechen: Sprich mit anderen. Der offene Austausch hilft, die eigene Wahrnehmung zu hinterfragen.
  • Coaching oder Therapie: Besonders bei starkem Leidensdruck und Selbstzweifeln kann professionelle Hilfe unterstützen.

Du darfst dich über Lob freuen und es annehmen!

Das Hochstapler-Syndrom flüstert dir ins Ohr, du wärst nicht gut genug. Aber die Fakten sprechen eine andere Sprache. Du hast Lob bekommen? Dann hast du es verdient. Punkt. Und beim nächsten Kompliment: Bitte lächeln, freuen und nicht relativieren.

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