Entgegen häufiger Annahmen lernen Menschen weniger aus ihren Fehlern als aus ihren Erfolgen. Damit es dir leichter fällt, deine Fehler aus einer sinnvollen und wohlwollenden Perspektive zu betrachten, sind Distanz und Wertfreiheit wichtig.

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Der Begriff Fehler

Fehler ist ein Begriff, der nicht nur kontrovers betrachtet, sondern auch im Bereich der Literatur selten einheitlich verwendet wird. Da ist von Irrtümern die Rede, von falschen Umsetzungen oder auch abweichenden Handlungen jenseits einer normativen Festlegung. Grundsätzlich ist der Richtwert immer eine bestimmte Norm, die Dir als Basis dient, um einen Fehler überhaupt definieren zu können.

Es gibt zahlreiche unterschiedliche Arten von Fehlern. Sie können fachlich begründet sein, moralisch definiert werden oder auch einen sozialen Kontext haben. Damit du einen Fehler als solchen erkennen kannst, ist eine Analyse der Situation erforderlich. In vielen Fällen ist diese evidenzbasiert und der Fehler lässt sich klar eingrenzen und benennen. In anderen Situationen musst du eine subjektive Bewertung vornehmen und die Fehlerdefinition ist eine rein persönliche.

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Generell lässt sich ein Fehler nur bestimmen, wenn vorab ein Sollzustand bekannt ist, von dem der Istzustand abweicht. Dies ist in sämtlichen Lebensbereichen möglich und führt häufig zu Folgen, die nicht erwünscht sind. Ob daraus für dich eine Lernkurve erfolgt, hängt von sehr unterschiedlichen Faktoren ab.

Der Umgang mit Fehlern

Es ist nicht leicht, aus selbst verursachten Fehlern zu lernen oder gar an ihnen zu wachsen. Je nach Art des Fehlers und dem gesellschaftlichen Kontext, in dem du lebst, kann ein sinnvoller Umgang mit Fehlern hoch komplex und sogar zum Scheitern verurteilt sein.

Den meisten Menschen fällt es immens schwer, sich das eigene Scheitern einzugestehen oder zu akzeptieren, dass eine einmal getroffene Entscheidung in letzter Konsequenz ein Fehler war. Die Wahrnehmung dessen ist schmerzhaft, häufig beschämend und so gut wie nie einfach.

Damit du aus deinen Fehlern lernen kannst, brauchst du ein wohlwollendes Verhältnis im Umgang mit ihnen. Dabei gilt es, einen Fehler nicht in entwertender Hinsicht zu betrachten, sondern als realistischen Teil des eigenen Lebens, der sich in einer anderen Situation nicht zwangsläufig wiederholen muss. Es ist der Blick auf ein im Nachhinein unerwünschtes Handeln, der das Lernen bestimmt, sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht.

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Die mangelnde Fehlertoleranz

Gegenwärtige Gesellschaftsformen tragen dazu bei, dass ein positives Lernen aus Fehlern zumindest deutlich erschwert wird. Der Alltag ist ausgerichtet auf Effizienz, Leistung und Effektivität. Das wirtschaftliche Klima legt fest, dass Scheitern in aller Regel keine Option ist und die Marktlage so viel Perfektion wie möglich vorgibt. Das Leben ist für viele Menschen wie ein Wettbewerb, innerhalb dessen sie sich behaupten müssen. Fehler sind darin als normale Option nicht vorgesehen, zumindest aber nicht erwünscht.

In der Psychologie gibt es den Bereich der Fehlerforschung. Der renommierte Psychologe Olaf Morgenroth, Professor an der Medical School Hamburg, stellt fest, dass Scheitern innerhalb sogenannter individualistisch orientierter Gesellschaften eine Bedrohung des persönlichen Selbstwerterlebens darstellt. Wenn Leistung der wesentliche Aspekt ist, der die eigene soziale Rolle bestimmt, gelten Fehler als individuelles Versagen und weniger als Möglichkeit oder Chance.

Einschränkende Kriterien für das Lernen aus Fehlern

Fehler gehören zu den prägenden Erfahrungen eines jeden Menschen. Unabhängig von dem Setting, in das wir hineingeboren werden oder in dem wir uns zu leben entschieden haben gibt es konkrete Faktoren, die sich auf den Umgang mit Fehlern auswirken. Ob es uns besonders leicht oder doch eher schwer fällt, aus Fehlern zu lernen, hängt beispielsweise auch von diesen Parametern ab:

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Dein Ego

Du entwertest dich möglicherweise häufig selbst oder bist stattdessen von Haus aus eher optimistisch.

Deine Persönlichkeit

Du bist risikofreudig und fürchtest dich nicht vor Fehlern oder reagierst alternativ eher vorsichtig und verhalten.

Deine Vorerfahrungen

Du hast bereits konkrete positive oder auch negative Erfahrungen mit Fehlern und den Reaktionen darauf gemacht.

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Der Umgang mit negativen Gedanken

Damit du Fehler als konstruktiv sowie als Chance und Option deines eigenen Lernens verstehen kannst, ist es wichtig, ihnen bewusst einen Sinn zu geben. Dabei geht es weniger darum, deinen eigenen Ansprüchen gerecht zu werden, als zu verstehen, vor welchen Hintergrund ein Fehler stattgefunden hat. Es gilt dabei, die Gesamtsituation, die zum Fehler geführt hat, sinnvoll zu bewerten, ohne dabei deinen eigenen Selbstwert infrage zu stellen. Dies ist in den meisten Fällen der größte Risikofaktor, der das Lernen aus Fehlern deutlich erschwert. Es geht selten um den tatsächlichen Fehler, aber weitaus häufiger um die persönliche Entwertung.

Vielfach ist eine Fehleranalyse eingebettet in ein ganzes Sammelsurium an Selbstzweifeln, negativen Gedanken und Abwertungen aller Art. Dabei stehen das Scheitern und das damit verbundene persönliche Versagen im Fokus, nicht aber die konkrete Situation, die den Fehler ermöglicht hat. Um einen Fehler realistisch einzuschätzen und die Ursachen zu verstehen ist es wesentlich, dass du einen Schritt zurücktrittst, genügend Abstand gewinnst und dir die Situation im besten Fall auch mit der Unterstützung durch den Blick einer unbeteiligten Person anschaust.

Die Notwendigkeit einer positiven Fehlerkultur

Ursprünglich aus dem Bereich der Sozialwissenschaften gibt es mittlerweile auch in der Wirtschaft das Konzept einer positiven Fehlerkultur. Damit verbunden ist eine differenzierte Sichtweise, wie Individueln, Systeme, Kulturen und Gesellschaftsformen sowohl mit Fehlern als auch mit der Betrachtung dieser Fehler umgehen. Der grundlegende Umgang sollte dabei immer konstruktiver Natur sein. Fehler werden vor diesem Hintergrund nicht als unvermeidbare Katastrophe verstanden, sondern als Chance und Möglichkeit daraus zu lernen und daran zu wachsen.

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Damit dies gelingt, sind eine Reihe vor Voraussetzungen erforderlich:

  1. Ein Fehler wird nicht im Sinne einer Schuldfrage einer Person zugeschrieben, sondern relevant ist die Frage, warum etwas so passiert ist, wie es passiert ist.
  2. Fehler werden gemeinsam getragen und nicht als Belastung für eine einzelne Person betrachtet.
  3. Die Gruppe, Organisation, Gesellschaft, in der ein Fehler geschehen ist, versteht sich als wertschätzend und akzeptierend gegenüber der Möglichkeit, Fehler zu machen.
  4. Fehler sind kein Scheitern.
  5. Feedback von Außenstehenden hilft bei der Reflexion und gilt als wesentlich.
  6. Die Akzeptanz von Fehlern als Möglichkeit verändert bereits die Sichtweise auf den Umgang mit Fehlern insgesamt.

Bild: Foto von Georges Tomazou/Pexels.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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