Nach einem langen und anstrengenden Tag sehnst du dich nach Nähe. Du liegst nachts im Bett wach und fühlst dich einsam, weil du mal wieder zu viel gearbeitet hast und deine Freundschaften nicht pflegst? Dein Job wird jetzt nicht für dich da sein.

Es gibt sie: Menschen, die mit ihrem Job „verheiratet“ sind. Vielleicht hast auch du dich ganz deinem Beruf verschrieben – oder merkst, dass er zumindest ein großer Teil deines Lebens ist. Das ist per se nicht verkehrt. Denn Arbeit vermittelt das Gefühl, gebraucht zu werden und etwas Sinnvolles zu tun. Sie gibt dem Tag eine Struktur.

Das Problem: Wenn du einen Tiefpunkt durchlebst, wird dein Job dich zwar ablenken können. Ein emotionales Auffangbecken sieht jedoch anders aus. Denn langfristig sind es soziale Bindungen und Beziehungen zu unseren Liebsten, die uns in schwierigen Zeiten stärken. Keiner kann sie ersetzen – auch und vor allem die Arbeit nicht.

Der Beruf als große Liebe und emotionale Stütze – ist das gesund?

Trennungen, Einsamkeit, Kummer oder Krankheit: Jeder kennt die besonders belastenden Phasen im Leben, in denen wir uns nach emotionaler Erlösung, Trost und Unterstützung sehnen. Einige von uns kompensieren harte Zeiten und lähmende Gefühle mit ihrem Job. Verständlich – denn Arbeit fühlt sich im Idealfall wie eine gute Beziehung an: Wir sehen sie gerne, verbringen viel Zeit mit ihr und fühlen uns emotional erfüllt, wenn wir ein Erfolgserlebnis mit ihr „teilen“. Wer seinen Job liebt, neigt deshalb in der Regel dazu, sich diesem voll und ganz zu verschreiben.

Der Vorteil: Eine solche Beziehung zu unserem Beruf erfüllt uns mit Sinnhaftigkeit und Zufriedenheit. In schweren Zeiten kann er sogar eine geeignete Ablenkung sein, um grüblerische Gedanken für einige Stunden aus unserem Kopf zu verbannen.

Was wir bei all der Liebe zu unserer Beschäftigung vergessen:

  • Während eines emotionalen Tiefs ist Arbeit kein langfristiger Ersatz für zwischenmenschliche und vor allem konstante Beziehungen.
  • Emotionale Grundbedürfnisse, zu denen vor allem das Bedürfnis nach Bindung gehört, kann der Beruf nicht ersetzen. Eher im Gegenteil: Wer zu viel Zeit mit der Arbeit verbringt, neigt laut einer australischen Studie dazu, unter einer gesteigerten Nervosität zu leiden. Die Forscher stellen fest, dass es zu psychischen Beeinträchtigungen kommen kann, wenn wir mehr als 40 Stunden arbeiten. Auch das Risiko für körperliche Erkrankungen soll demnach steigen.
  • Der eigene Beruf darf zwar unsere „große Liebe“ sein. Verlangen wir jedoch zu viel von ihm und auch von uns, kann es schnell ungesund und toxisch für die Seele werden.

Besser: Soziale Beziehungen, Freundschaften und Partnerschaften konstant pflegen

Während emotional herausfordernder Zeiten wird unser Beruf manchmal zu einer Art Schutzraum für uns. Dort, wo die Kontrolle und Sicherheit im Alltag fehlt, etwa aufgrund von Liebeskummer, wegen einer Erkrankung oder nach einem Verlust, suchen wir sie im Job. Dann symbolisiert dein Beruf alles, was dir fehlt: Sicherheit und Beständigkeit. Wir bekommen auf diese Weise schnell das Gefühl, unser Leben wieder unter Kontrolle zu haben. Aber der Schein trügt. Laut einer neurobiologischen Studie sind es vor allem soziale Beziehungen, welche unsere Resilienz stärken. Das bedeutet auch:

Menschen, die ihre Gedanken mit anderen Menschen teilen können sowie psychische Unterstützung und auch körperliche Nähe erfahren, entwickeln demnach eine stärkere Widerstandskraft.

Wie du schwierige Phasen im Leben mit den richtigen Menschen an deiner Seite durchstehst

Klar ist jetzt: Der Beruf kann keine menschlichen Beziehungen ersetzen und unsere Bedürfnisse nach Nähe, Vertrautheit und auch Sicherheit nicht erfüllen – zumindest nicht so, wie wir es in schwierigen Zeiten manchmal brauchen. Problematisch wird es, wenn wir unsere Einsamkeit zu spät bemerken.

Das ist ein Zeichen dafür, dass wir uns bereits in einer „Ehe“ mit unserem Beruf befinden. Der Job hat Priorität. Und in harten Phasen des Lebens müssen wir die schmerzliche Erkenntnis machen, dass wir unser soziales Umfeld vernachlässigt haben. Spätestens jetzt wird es Zeit, eine Rettungsaktion zu starten, um Belastungen im Leben nicht alleine durchstehen zu müssen.

Rette, was du retten kannst: Unsere 3 Tipps gegen berufsbedingte Vereinsamung

  1. Setze klare Prioritäten – und die erste sollte im Idealfall deine psychische Gesundheit sein. Workaholics müssen aufpassen, sich bei emotionalen Belastungen nicht immer in die Arbeit zu stürzen. Besser: Hilfe suchen, die Liebsten involvieren und offen über die eigenen Gefühle sprechen.
  2. Pflege deine Kontakte: Soziale Bindungen und Beziehungen müssen genährt werden, um zu wachsen. Nur so können sie zu einem Fundament werden – und halten trotz hoher Belastungen stand. In schwierigen Phasen des Lebens sind sie so besonders wertvoll.
  3. Mache rechtzeitig Feierabend. Klingt banal, ist aber wichtig: Nur so lernst du, eine Grenze zwischen Beruf und Privatleben zu setzen. Es ist okay, ab und zu eine Überstunde zu schieben, um dich von emotionalem Ballast abzulenken. Das sollte jedoch nicht zum Dauerzustand werden.

Fazit: Manchmal reichen unsere eigenen Ressourcen nicht aus, um uns in schwierigen Phasen des Lebens genügend Halt zu geben. Dann sind wir auf die Hilfe unserer Liebsten angewiesen. Dein Beruf mag zwar ein sicherer Posten in deinem Leben sein. Achte jedoch darauf, emotionale Belastungen nicht ausschließlich durch Flucht in die Arbeit zu kompensieren. Viel wertvoller ist dein soziales Umfeld, deine Beziehung und dein Freundeskreis – vor allem zu Krisenzeiten.

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