Noch vor wenigen Jahren war Künstliche Intelligenz ein abstraktes Thema für Konferenzen und Zukunftsforscher. Heute schreibt sie E-Mails, plant Meetings, optimiert Texte und verändert dabei, wie wir arbeiten. Manchmal mit Erleichterung. Manchmal mit Angst.
Die E-Mail, die du gerade liest. Der Text, den du morgen schreibst. Der Report, den du sonst mühselig formatierst. All das kann KI inzwischen auch, nicht immer perfekt, aber zumindest schnell. Und oft so gut, dass man sich fragt: Warum eigentlich noch selbst machen und sich den Kopf zerbrechen?
Diese Frage stellen sich viele Arbeitnehmer. Künstliche Intelligenz kann bereits einen erheblichen Teil der Aufgaben im Job übernehmen. Acht von zehn Beschäftigten in Deutschland nutzen inzwischen entsprechende Tools, vor einem Jahr waren es noch zwei Drittel. Der Anstieg ist beachtlich. Für einige Beschäftigte aber auch beunruhigend.
Denn mit der Nutzung wächst auch die Unsicherheit. Je mehr Menschen KI einsetzen, desto stärker der Druck, mithalten zu müssen. Laut einer EY-Studie sorgen sich 36 Prozent der Arbeitnehmer um negative Folgen für ihren Arbeitsplatz. Sieben von zehn glauben, dass KI künftig Jobs kosten wird. Der technologische Fortschritt kommt für viele Beschäftigte nicht als Welle, sondern als Druckwelle.
Künstliche Intelligenz kam auf leisen Sohlen
Was als kleine Hilfestellung begann, ist längst fester Bestandteil vieler Jobs. Ob Chatbot, Sprachassistent oder Textgenerator – KI ist heute besonders für viele Bürokräfte mehr Werkzeug als Zukunftsversprechen.
Der Arbeitstag
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Was früher einen halben Tag dauerte, geht heute in einer Stunde. Wer weiß, wie man die Tools promptet, ist im klar Vorteil. Wer nicht, hinkt schon bei der Eingabe hinterher. Und genau darin liegt die eigentliche Disruption: Nicht die Technologie verändert den Job, sondern die Ungleichheit im Umgang mit ihr.
Dr. David Alich von EY bringt es auf den Punkt: „KI wird Angestellte nicht einfach ersetzen. Aber eine Fachkraft mit KI-Kompetenz wird wahrscheinlich mehrere Mitarbeitende ohne diese Fähigkeiten ersetzen.“ Eine klare Ansage und ein durchaus realistisches Szenario.
Wer kann, der kann mehr
Im Kern bedeutet das: Wer versteht, wie KI funktioniert und wie man mit ihr umgeht, wird nicht entlassen, sondern entlastet. In der Studie sagen 54 Prozent der Befragten, dass sie durch KI vor allem Zeit sparen. 44 Prozent nennen Kostensenkung, 39 Prozent Fehlervermeidung. Die meisten setzen KI für Texterstellung ein, aber auch für Übersetzungen, Datenauswertungen, Kundenkommunikation. Die Werkzeuge sind da, sie müssen nur genutzt werden.
Doch genau hier liegt das Problem: Nicht jeder darf das. Nur rund ein Drittel der Befragten kann KI im Job frei einsetzen. Ein weiteres Drittel darf es nur eingeschränkt. Und ein Fünftel gar nicht. Das erzeugt Ungleichheit und teils auch Unmut.
Das war doch eh die KI …
Man sitzt stundenlang an der Präsentation, feilt an jedem Satz, wählt jedes Bild mit Bedacht. Natürlich muss auch vieles gekennzeichnet werden, was durch KI erzeugt wurde. Über den Sinn lässt sich freilich streiten. Und was kommt zurück? Ein Schulterzucken – „Hat doch eh die KI gemacht.“ Was früher „nur“ sichtbar war, ist heute oft verdächtig effizient. Je glatter das Ergebnis, desto schneller steht der Verdacht im Raum, es sei automatisiert entstanden. Nicht die Arbeit zählt, sondern der Verdacht auf deren Abkürzung.
Das verändert natürlich die Zusammenarbeit. Es kratzt am Kern dessen, was im Team als Leistung gilt. Wertschätzung wird brüchig, wenn niemand mehr genau weiß, wie viel davon in dem Sinne „echt“ war. Wenn Tools mitarbeiten, wird der Applaus leiser und das Misstrauen lauter.
Künstliche Intelligenz verändert also nicht nur Prozesse. Sie verändert auch, wem etwas zugetraut und wem etwas zugeschrieben wird.
Neugier schlägt Schulung
Die Lösung liegt – wie so oft – in der Weiterbildung. 63 Prozent der deutschen Beschäftigten haben sich inzwischen zu KI fortgebildet. Ein Jahr zuvor waren es noch 37 Prozent. Das ist beachtlich. Aber es reicht nicht.
Denn nur ein Viertel der Befragten ist mit dem Weiterbildungsangebot im eigenen Unternehmen zufrieden. 40 Prozent wünschen sich diesbezüglich mehr. Und das zu Recht. Denn während viele Firmen glauben, ihre Leute seien gut vorbereitet, sieht die Realität oft anders aus. Es klafft eine Lücke zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung. Zwischen Management und Mitarbeitenden. Zwischen Anspruch und Wirklichkeit.
Dr. Christian Wesp, ebenfalls bei EY, formuliert es so: „Angst ist in diesem Fall nachvollziehbar, aber wie so oft kein guter Ratgeber.“ Entscheidend ist vielmehr, dass Unternehmen klar kommunizieren, wie sie KI nutzen wollen und ihre Mitarbeitenden befähigen, mitzumachen. Das kann ein Stück weit die Angst nehmen.
Zwischen Experiment und Alltag
Manche nutzen KI nur gelegentlich – als Starthilfe für Mails, zur Ideensuche, zum Übersetzen. Andere haben längst Routinen entwickelt, nutzen täglich denselben Prompt, geben ganze Arbeitsschritte ab und automatisieren Workflows. Manchmal spart das Minuten, manchmal halbe Tage.
Doch nicht immer läuft alles glatt. Manchmal entstehen Missverständnisse. Weil ein Text zu glatt klingt. Eine Präsentation zu schnell fertig geworden ist. Oder Kollegen skeptisch reagieren, wenn klar wird, dass hier kein Mensch allein gearbeitet hat. Auch das gehört zur neuen Arbeitsrealität: Die Frage, wie viel KI im Ergebnis steckt und ob das genauso zählt.
Ob nur als Helfer oder schon als stiller Co-Worker: Wer KI im Alltag nutzt, merkt schnell, wie tief sie Prozesse verändert. Und wie sehr sie fordert, den eigenen Job neu zu denken.







