Es ist wie ein kleiner Sonnenstrahl nach einem langen, grauen Tag. Ein Kollege sagt etwas Nettes. Der Chef lobt. Eine Zuhörerin bedankt sich für deine Worte. Eigentlich nichts Weltbewegendes. Doch in dir beginnt ein inneres Beben. Statt Stolz zu empfinden, suchst nach dem Aber. Und findest dich plötzlich in einem Gedankenstrudel wieder, der so gar nicht zum freundlichen Moment passen will.

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Denn das, was da als Lob gemeint war, wird nicht gehört wie ein Lob. Es wird analysiert, hinterfragt, seziert. Nicht als Anerkennung, nicht als Freude – und schon gar nicht als verdient.

Warum Lob oft Unbehagen auslöst

Dabei ist die Anerkennung oft nicht einmal groß oder übertrieben. Es ist selten das Lob für ein Lebenswerk. Viel öfter ist es die Rückmeldung für einen guten Gedanken, eine überzeugende Präsentation, eine Lösung, auf die sonst keiner gekommen ist. Ein kleiner Moment mit Wirkung. Nur leider nicht der erhofften.

Denn wer mit Selbstzweifeln kämpft, hört nicht, was gesagt wird. Er hört nur das Echo seiner eigenen Unsicherheit. In dem Satz „Das war wirklich stark von dir“ klingt dann nicht Anerkennung, sondern Erwartung. Verpflichtung. Oder sogar Verdacht.

Diese Reaktion ist nicht eingebildet. Sie ist erlernt. Viele Menschen – und gerade die besonders Engagierten – haben über Jahre verinnerlicht, dass Lob kein Selbstverständnis ist, gerade im Job. Es sei eine Ausnahme. Eine Strategie. Vielleicht sogar ein Vorbote für das, was als Nächstes kommt. Sie haben gelernt, sich auf Fehler zu konzentrieren, statt auf Fortschritt. Auf Kritik zu achten, nicht auf Wertschätzung.

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Ein Lob? Da muss doch was faul sein!

Und so wächst mit jedem Lob nicht das Selbstvertrauen, sondern der Druck. Denn wer gelobt wird, muss liefern. Wer gelobt wird, darf nicht enttäuschen. Wer gelobt wird, steht im Rampenlicht. Ob man will oder nicht.

Dabei wird oft vergessen: Lob ist keine Einbahnstraße. Es ist eine Form von Beziehung. Eine Rückmeldung über Wirkung. Eine Art, zu sagen: Ich habe gesehen, was du getan hast. Und es hat etwas bewirkt. Doch genau das scheint für viele schwer auszuhalten.

Es ist, als wäre das eigene Bild von sich selbst so tief in Unsicherheit getränkt, dass jede positive Rückmeldung wie ein Angriff wirkt. Sie tut nicht weh, weil sie etwa verletzend formuliert wäre, sondern weil sie das innere Gleichgewicht erschüttert, das über Jahre hinweg zur Gewohnheit geworden ist. Ein Gleichgewicht, das – so zeigt es die Self-Verification Theory des Psychologen William Swann – für viele Menschen essenziell ist, selbst wenn es auf einem negativen Selbstbild basiert.

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Laut Swann haben Menschen ein grundlegendes Bedürfnis nach Stimmigkeit. Sie möchten von anderen so gesehen werden, wie sie sich selbst sehen. Wenn nun jemand mit geringem Selbstwertgefühl ein Lob erhält, das nicht zum eigenen Selbstbild passt, entsteht ein innerer Konflikt. Das Lob fühlt sich falsch an, weil es nicht zur vertrauten Selbstwahrnehmung passt. Das Gehirn reagiert mit Misstrauen: Der andere übertreibt, hat keine Ahnung oder verfolgt womöglich eine Absicht. Das eigentlich positiv gemeinte Feedback wird zur psychologischen Bedrohung.

Dieses Unbehagen ist also kein Zeichen von Bescheidenheit. Es ist vielmehr ein Abwehrmechanismus. Einer, der verhindern soll, dass unser inneres Weltbild ins Wanken gerät. Selbst dann, wenn dieses Weltbild uns kleinhält und blockiert.

Dabei genügt manchmal ein freundliches „Danke“

Wer so geprägt ist, hat ein feines Gespür für Fehler, aber ein stumpfes für Erfolge. Dafür gibt es sogar eine biologische Erklärung: Das sogenannte 5:1-Prinzip, erforscht vom renommierten Psychologen John Gottman. Es zeigt, wie sehr unser Gehirn auf Negatives gepolt ist. Eine einzige kritische Bemerkung wirkt im Kopf etwa fünfmal stärker als ein Lob.

Evolutionär gesehen war das auch sinnvoll – wer Gefahren schneller erkennt, überlebt. Doch im beruflichen Alltag wird dieser Mechanismus zur psychologischen Falle. Es braucht fünf positive Rückmeldungen, um die Wirkung einer negativen zu kompensieren. Kein Wunder also, dass sich Kritik tiefer eingräbt als ein freundliches „Gut gemacht“.

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Viele Menschen erinnern sich glasklar an die eine harsche Bemerkung eines Kollegen oder der Chefin, während fünf Komplimente einfach verpuffen. Je länger das so geht, desto mehr verstärken sich Selbstzweifel und desto weniger Vertrauen bleibt ins eigene Können.

Was helfen kann, ist die Art, wie Lob formuliert wird. Besser angenommen wird sogenanntes Prozess-Lob. Es beschreibt, was getan wurde – nicht, wer man ist. „Ich sehe, wie viel Mühe du dir mit dieser Präsentation gegeben hast“, wirkt weit weniger bedrohlich als ein pauschales „Du bist brillant“. Letzteres trifft oft auf ein inneres Nein. Ersteres erkennt eine Handlung an – und damit etwas, das greifbar und real ist. Selbstzweifelnde Menschen können damit besser umgehen. Denn eine gute Tat lässt sich eher akzeptieren als ein großes Lob für die eigene Identität.

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