Eine Entschuldigung kann manchmal Schaden anrichten, sagt Vertrauensforscher Dr. Peter H. Kim. Wie geht es richtig?

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Ohne Vertrauen laufen kollegiale Beziehungen häufig ins Leere. Die Verbindung zwischen Chef und Mitarbeitern etwa setzt eine solide Vertrauensbasis voraus. Wer einen Fehler macht, entschuldigt sich. Um Vertrauen herzustellen und um zu zeigen, dass man Verantwortung übernimmt.

Insbesondere für Unternehmen müsse es ein Alarmzeichen sein, wenn Mitarbeiter Führungskräften und dem Betrieb nicht vertrauen könnten. Es sei auch wichtig, Vertrauen in die Welt haben zu können, etwa für junge Managerinnen und Manager, um erfolgreich zu sein. Darauf verweist Ana-Christina Grohnert, ehemalige Partnerin bei Ernst & Young und früher Personalvorstand bei der Allianz Deutschland AG.

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Aber eine Entschuldigung, zu der wir nach einem Vertrauensbruch und Fehler greifen, kann manchmal sogar Schaden anrichten, findet Dr. Peter H. Kim, Vertrauensforscher und Management-Professor an der University of South California, der für seine Arbeit unter anderem von der American Psychological Association ausgezeichnet worden ist.

Welche Art von Entschuldigung kann schaden?

Eine Entschuldigung baue auf zwei Komponenten, so Kim. Einerseits ginge es um die Erlösung: Nach einem Fehler wollte man zeigen, dass man seine Tat bereut. Dies könne zu Erlösung führen, sodass alle Beteiligten Erleichterung verspüren und der Weg freigeräumt wird, um die Wiederherstellung von Vertrauen sicherzustellen.

Andererseits aber ginge es um Schuldeingeständnis: Wer sich entschuldigt, gesteht seinen Fehler automatisch ein, was zunächst sinnvoll erscheint. Doch, so Kim, sei ein solches Eingeständnis möglicherweise sogar schädlich, wenn wir unsere Tat nicht erklären und uns nur auf die Schuld konzentrieren. Und genau das sei der Knackpunkt: die Begründung.

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Fehlt die Begründung oder Erklärung für das, was wir gemacht haben, kann Vertrauen manchmal nicht wirklich hergestellt werden und eine Entschuldigung bewirkt lediglich, dass wir unsere Schuld bestätigen. Doch das, was andere verletzt und in ihrem oder dem normativen Wertesystem unethisch erscheint, könnte für jemanden, der einen Fehler begeht, hingegen wichtig oder gar eine Frage der Existenz sein.

Ein vielleicht extremes Beispiel: Person A bestiehlt Person B. Person B ist verletzt, als diese erfährt, was vorgefallen ist. Person A, die in ärmlichen Verhältnissen lebt und einen Weg sucht, zu überleben, hat das Geld gebraucht. Auch wenn andere Lösungen die bessere Möglichkeit gewesen wären oder Diebstahl aus ethischen Gründen verurteilt wird, macht eine gute Begründung für die Tat eines eventuell möglich: das Nachvollziehen. Eine Entschuldigung kann noch so aufrichtig sein. Fehlt aber die Nachvollziehbarkeit, kommt es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu größeren Vertrauensproblemen.

Ähnliches gilt im Berufsleben. Führungskräfte, die eine für Mitarbeiter verletzende Handlung vornehmen oder Entscheidung treffen, die im Wertesystem beider eine unterschiedliche Gewichtung hat, kann schließlich dazu beitragen, dass das Vertrauen nicht mehr wiederhergestellt werden kann. Auch wenn wir uns entschuldigen, ist dies im Leben bekanntermaßen keine Garantie dafür, dass alles wieder gut wird. Eine plausible Begründung für das, was wir machen, muss in vielen Fällen deshalb mindestens kommuniziert werden.

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Sich richtig entschuldigen: Worauf kommt es an?

Neben einer guten, nachvollziehbaren und ehrlichen Begründung, die den entscheidenden Unterschied machen kann, kommt es beim richtigen Entschuldigen oft auf Folgendes an:

1. Eine Entschuldigung sollte nicht (nur) eigennützig sein

Zugegeben, jede Entschuldigung hat irgendwo einen Anteil Eigennützigkeit. Denn wir entschuldigen uns auch, um andere Menschen nicht zu verlieren, etwa, um Einsamkeit zu verhindern. Oder wir entschuldigen uns öffentlichkeitswirksam, um unser eigenes Image reinzuwaschen, was wiederum ausschließlich auf Basis eigener Vorteile beruhen kann.

Eine aufrichtige Entschuldigung sollte deshalb vor allem so erfolgen, dass sie den Geschädigten im Blick hat – und nicht nur uns selbst.

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2. Ein „Sorry“ sollte ehrlich sein

Manchmal neigen wir dazu, uns aus Höflichkeit zu entschuldigen. In Alltagssituationen dient dies der Harmonie, weshalb es ein gutes Instrument ist, um in sozialen Situationen miteinander auszukommen. Solche Regeln, die den allgemeinen gesellschaftlichen Normen entsprechen, haben deshalb gewissermaßen ihre Daseinsberechtigung.

Doch in Situationen, in denen jemand ernsthaft verletzt wird, reicht eine Höflichkeitsentschuldigung nicht aus. Sie sollte aufrichtig sein, um wirken zu können.

3. Um Verzeihung zu bitten, sollte nicht inflationär werden

Entschuldigungen sind wichtig. Aber sie verlieren an Bedeutung, wenn wir uns immer und für alles entschuldigen. Solche Arten der Entschuldigung sprechen wir aus, wenn wir echte Schuld nicht von irrationaler Schuld unterscheiden können. Irrational ist die Schuld etwa, wenn wir nicht wirklich etwas falsch gemacht haben, uns aber dennoch schuldig fühlen.

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Grundsätzlich werden irrationale Schuldgefühle auf frühe Erfahrungen aus der Kindheit zurückgeführt. Wer beispielsweise häufig ausgeschimpft worden ist, weil eine natürliche Reaktion des Körpers als Stressreaktion auf Angst oder Wut erfolgte, damit ist das Weinen gemeint, entschuldigt sich auch später noch dafür, weinen zu müssen. Es galt schließlich als Tabu – und wer es doch tat, machte sich (scheinbar) schuldig.

4. Auf die Art und Weise kommt es an

Nicht allen Menschen wird unsere Art der Entschuldigung passen, was es zu akzeptieren gilt. Denn so individuell, wie Menschen sind, ist auch ihre Art, Dinge einzuordnen und zu beurteilen. Trotzdem spielt die Art und Weise, wie wir uns entschuldigen, häufig eine bedeutende Rolle.

Wer sich für einen Fehler per SMS entschuldigt, wird bei einigen Betroffenen Wut auslösen, bei anderen aber wird es Erleichterung sein. Ein „Richtig“ und „Falsch“ gibt es also nicht. Grundsätzlich kann es aber helfen, dennoch einige allgemeingültige Regeln zu befolgen:

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  • Wenn die Entschuldigung von Angesicht zu Angesicht erfolgt, ist die Körpersprache wichtig. Häufig wirkt ein Sorry nur dann aufrichtig, wenn wir es auch schaffen, Blickkontakt zu halten. Diesen sollten wir deshalb nicht vermeiden.
  • Eine Entschuldigung können wir niemandem aufzwingen. Wenn diese nicht akzeptiert wird, sollte die Ernsthaftigkeit zunächst nochmals untermauert werden. Aber auch wir müssen, wenn es für unser Gegenüber nicht möglich ist, eine Entschuldigung im Moment anzunehmen, lernen, einen Umgang damit zu finden.
  • Auch auf die Beziehung kommt es an: Eine Entschuldigung kann über- oder untertrieben wirken, wenn wir nicht darauf achten, mit wem wir es eigentlich zu tun haben. Während wir beim eigenen Partner persönlich sein können und häufig weniger Schwierigkeiten damit haben, uns zu öffnen, kann eine solche Entschuldigung, wenn der Chef sie etwa bringt, schon fehl am Platz wirken. Denn hier ist trotz Aufrichtigkeit und Menschlichkeit professionelle Distanz gefragt.

Entschuldigung reicht nicht immer aus

Kim betont, dass seine Forschungen ihm vor allem eine wichtige Erkenntnis ermöglicht hätten: Für eine gute Vertrauensbasis genüge es oft nicht, wenn Menschen, die in der Rolle des „Täters“ sind, sich aufrichtig entschuldigten. Ob Vertrauen nach einem Fehler möglich (und auch gewollt) sei, komme auch auf das „Opfer“ an, weil eine Entschuldigung aufrichtig, toll und ehrlich sein kann, aber in puncto Vertrauen nicht hilft, wenn die Bereitschaft oder auch das Können der anderen Seite fehlt, sich in die Lage desjenigen hineinzuversetzen, der sich entschuldigt. Das ist nicht immer möglich oder erwartbar und sinnvoll, etwa in ernsthaften Fällen von Gewalt oder Missbrauch.

Davon jedoch ab und wenn es um „alltägliche“ Probleme geht: Ob im Job oder in der Partnerschaft, Beziehungen bestehen mindestens aus zwei Beteiligten, die miteinander interagieren. Fehler machen beide. Aber verstehen – das kann nicht jeder. Man neige häufig dazu, vorschnell zu urteilen, so der Forscher.

Bild: CoffeeAndMilk/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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