Wir leben in Zeiten des ortsunabhängigen Arbeitens. Immer mehr Menschen verfügen über die Möglichkeit zum Homeoffice, digitale Nomaden ziehen wohnsitzlos mit ihrem Laptop um die Welt und Remote Work gilt aktuell als das Arbeitsmodell schlechthin. Das klingt nach Zeit-Souveränität, persönlicher Freiheit und einer nie dagewesenen Flexibilität für Arbeitnehmer. Wissenschaftler warnen aber: Remote Work könnte gesundheitsschädlich sein. Nur, wieso?

Anzeige

Telearbeit – Ein Zukunftsmodell mit Tücken

Remote Work, also die Telearbeit, ist derzeit (nicht nur durch Corona) das vielversprechendste Arbeitsmodell. Es erlaubt Platz- und Kosteneinsparungen für die Arbeitgeber und zugleich ein Höchstmaß an persönlicher Freiheit für den Arbeitnehmer. Vereinbarkeit von Beruf und Familie, keine Pendlerzeiten mehr, eine ausgewogener Work-Life-Balance und ein Höchstmaß an Flexibilität hinsichtlich der Arbeitszeiten sowie des Arbeitsortes – all das scheint durch das Modell „Remote Work“ endlich möglich zu werden. Es verspricht ein völlig neues Maß an Selbstbestimmung und Zufriedenheit bei den Arbeitnehmern. Weniger Stress und mehr Zufriedenheit, das klingt wiederum nach aktiver Gesundheitsförderung. Ja, die Telearbeit bringt eine Menge Vorteile mit sich.

Doch leider hat auch diese Medaille eine Kehrseite. In den eigenen vier Wänden – oder auch am Strand am anderen Ende der Welt – zu arbeiten, bedeutet in der Regel auch „alleine“ zu arbeiten. Und genau das kann laut Experten auf Dauer einsam machen. Klingt harmlos, ist es aber nicht. Neueste Studien belegen nämlich, dass Einsamkeit auf lange Sicht ein ebenso hohes Gesundheitsrisiko birgt wie Rauchen oder Übergewicht. Remote Work könnte deshalb in Zukunft zum echten Risikofaktor für Deine psychische und physische Gesundheit werden.

Anzeige

Einsamkeit ist genauso tödlich wie Rauchen oder Übergewicht

Viele Studien haben sich in den letzten Jahren mit dem Thema beschäftigt, ob und inwiefern sich Einsamkeit auf die Gesundheit eines Menschen auswirkt. Die Ergebnisse waren erstaunlich: Um bis zu 29 Prozent steigert soziale Isolation die Mortalität. Wer alleine lebt, hat sogar ein 32 Prozent höheres Sterberisiko als Menschen in einer Wohngemeinschaft – sei sie mit der Familie, dem Partner oder auch Mitbewohnern.

Doch nicht (nur) die Quantität der sozialen Kontakte ist dabei entscheidend, sondern vor allem deren Qualität. Forscher fanden nämlich ebenfalls heraus, dass das reine Gefühl der Einsamkeit das Sterberisiko um 26 Prozent erhöht. Das bedeutet: Selbst, wenn du dich inmitten von Menschenmassen befindest, in einer (unglücklichen) Beziehung lebst oder in einem mit Arbeitskollegen gefüllten Großraumbüro arbeitest, kannst du dich einsam fühlen und dadurch einem Gesundheitsrisiko ausgesetzt sein. Natürlich werden solche Gefühle der Einsamkeit aber besonders gefördert, je mehr Zeit du tatsächlich alleine verbringst.

Einsamkeit ist kein „Killer“, sondern ein „schleichender Tod“

Nun ist es aber natürlich nicht so, dass du, wenn du dich einsam fühlst, plötzlich tot umfällst. Einsamkeit ist stattdessen Auslöser vieler psychischer oder physischer Folgeerkrankungen, die wiederum den Tod verursachen können. Sie selbst ist also kein „Killer“, sondern sie bringt indirekt und auf Umwegen einen langsamen, schleichenden Tod. Solche Umwege können sein:

Anzeige
  • Depressionen/Suizid
  • Immunschwäche
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Schlaganfälle
  • Krebs

Wer sich hin und wieder alleine fühlt, wird davon noch nicht krank. Wenn die Gefühle der Einsamkeit schon häufiger auftreten, versuchen viele Menschen diese noch (erfolgreich) zu verdrängen. Irgendwann machen sich dann in der Regel aber erste psychische oder physische Symptome bemerkbar, die zu Beginn mehr oder weniger harmlos erscheinen. Dazu gehören

  • Angstzustände und Panikattacken
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Schlaflosigkeit
  • Rückenschmerzen
  • Magen- und Darmbeschwerden
  • Migräne
  • u. v. m.

Das Interessante hierbei ist, dass die durch Einsamkeit hervorgerufenen Symptome exakt jenen durch Stress erzeugten Beschwerden ähneln. Sie äußert sich schlussendlich also nicht anders als ein Burnout-Syndrom und kann daher ebenfalls wie Stress im plötzlichen oder eben schleichenden Tod enden.

Lese-Tipp:Karoshi – Erst die Arbeit, dann der Tod

Anzeige

Die „New York Times“ liefert zu diesem Thema noch einmal weitere spannende Zahlen und Fakten. Hier heißt es: Soziale Isolation erhöht das Risiko einer Herzerkrankung um 29 Prozent, jenes eines Herzinfarktes sogar um 32 Prozent. Menschen, die sich einsam fühlen, haben einer weiteren Studie zufolge ein 30-prozentig höheres Risiko, in den nächsten sieben Jahren zu sterben – und zwar nicht nur im hohen, sondern vor allem im mittleren Lebensalter. Einsamkeit fördert außerdem den mentalen und körperlichen Abbauprozess bei älteren Personen merklich und sozial isolierte Menschen sterben mit doppelter Wahrscheinlichkeit früher als der Altersdurchschnitt, wohingegen sozial integrierte Personen eine erhöhte Lebenserwartung aufweisen.

Soziale Isolation wirkt sich negativ auf die körperliche und geistige Gesundheit eines Menschen aus, dadurch zieht er sich immer weiter zurück und verstärkt dementsprechend die Gefühle der Einsamkeit. Es entsteht also eine Abwärtsspirale, die im schlimmsten Fall tödlich enden kann.

Eine solche soziale Isolation im Kindes- und Jugendalter wirkt sich zudem noch 20 Jahre später negativ auf die Gesundheit der Betroffenen aus – selbst, wenn die Einsamkeit dann bereits der Vergangenheit angehört. Alles in allem stufen die Forscher den Faktor „Einsamkeit“ daher als mindestens ebenso hohes Risiko für die Gesundheit eines Menschen ein wie Rauchen oder Übergewicht.

„Gemeinsam einsam“: Soziale Isolation wird immer mehr zum Massenphänomen

Dass sich Forscher, Wissenschaftler und Mediziner gerade jetzt so intensiv mit dem Thema Einsamkeit beschäftigen, ist kein Zufall. Derzeit ist nämlich ein gefährlicher Trend in den westlichen Industrienationen zu beobachten: Unsere Gesellschaft vereinsamt. Trotz – oder gerade aufgrund – Corona, wachsender Großstädte, verbesserter Kommunikationsmittel und flexiblerer Arbeitsmodelle, scheinen sich die Menschen immer einsamer zu fühlen. Wie bereits erwähnt, geht es dabei weniger um das Alleinsein an sich als um das subjektive Gefühl der Einsamkeit. Wir Menschen sind „gemeinsam einsam“. Experten bezeichnen die soziale Isolation sogar bereits als die schlimmste Epidemie unserer Zeit. Aber woran liegt das?

Anzeige

Statistik: Sind Sie jemand, der sich oft einsam fühlt? | Statista
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

Seit den 1980er Jahren hat sich die Zahl der Menschen, die sich einsam fühlen, in den USA von 20 auf 40 Prozent verdoppelt. In Deutschland lassen sich ähnlich steigende Tendenzen feststellen. Experten vermuten hierfür zwei hauptsächliche Ursachen:

  • Einerseits haben gerade junge Menschen dank moderner Kommunikationsmittel wie Smartphones, Social Media & Co prinzipiell zu mehr Personen Kontakt als früher, doch sind die sozialen Interaktionen oberflächlicher, sprich qualitativ schlechter, geworden. Psychologen vermuten, dass viele der „Digital Natives“ sprichwörtlich verlernt haben, tiefergehende soziale Beziehungen zu führen und dadurch Gefühle der Einsamkeit zu verhindern. Nicht ohne Grund wird die Generation Y auch oft spöttisch als die „Generation beziehungsunfähig“ bezeichnet.

Andererseits fördern aber auch neue Arbeitsmodelle wie die Remote Work Gefühle der Einsamkeit bei den Betroffenen, so die Experten. Die meisten Menschen verbringen einen Großteil ihres Lebens am Arbeitsplatz. 35, 40 oder über 50 Arbeitsstunden pro Woche sind nichts Ungewöhnliches. Doch immer mehr Arbeitgeber offerieren ihren Arbeitnehmern flexible Arbeitszeitmodelle im Homeoffice oder als Telearbeitsvertrag. Das bringt zwar wie bereits erwähnt zahlreiche Vorteile mit sich, leider lassen sich aber bereits jetzt auch erste negative Effekte beobachten. Und die Soziologen sind sich einig, dass die Remote Work in Zukunft zum echten Problem werden könnte, zumindest, was die soziale Isolation und ihre negativen Auswirkungen auf die Gesundheit betrifft.

Anzeige

Tipps: So wirkst du der sozialen Isolation durch Telearbeit entgegen

Nicht nur im Privatleben, sondern auch im Berufsleben wird also die persönliche Kommunikation immer mehr durch Telefon, Messenger oder E-Mails ersetzt. Dass das die soziale Isolation fördert, ist keine Überraschung. Allerdings können sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer die Vorteile der Telearbeit nutzen und dennoch das Risiko der Einsamkeit mindern. Wie?

Tipps für Arbeitgeber

  • Schaffe ein Bewusstsein für die Problematik „Einsamkeit durch Remote Work“
  • Versuche, die Modelle Telearbeit und Präsenzarbeit in einem gesunden Verhältnis zu mischen
  • Fördere Gruppenaktivitäten deiner Mitarbeiter in den Pausen oder außerhalb der Arbeitszeiten
  • Integriere psychologische Angebote in Deinem Gesundheitsmanagement wie einen Betriebspsychologen als Anlaufstelle bei sozialer Isolation

Tipps für Arbeitnehmer

Anzeige
  • Werde dir des Problems der sozialen Isolation durch Telearbeit bewusst und üben dich in Selbstreflexion, ob, wann und in welchem Ausmaß du dich (bereits) einsam fühlst
  • Führe öfter einmal sowohl private als auch berufliche Telefonate, anstatt eine E-Mail oder WhatsApp-Nachricht zu versenden
  • Verbringe deine Freizeit bewusst mit Familie und Freunden als Ausgleich zum „einsamen“ Berufsalltag
  • Suche dir Hobbys, ehrenamtliche Tätigkeiten, Vereine & Co, in welchen du (neue) soziale Kontakte knüpfst
  • Treffen dich in Deiner Mittagspause mit Freunden, Bekannten oder Arbeitskollegen zum Essen
  • Nutze Co-Working-Spaces

Lese-Tipp:CoWorking: Kurzweiliger Trend oder Arbeitsform der Zukunft?

Wenn du um das Problem des Gesundheitsrisikos „soziale Isolation durch Remote Work“ weißt, ist es eigentlich gar nicht so schwierig, der Einsamkeit entgegen zu wirken. Wichtig ist allerdings auch, dass du eben nicht nur auf die Quantität Deiner sozialen Beziehungen achtest, sondern vor allem auf deren Qualität. Dann wirst du die Vorteile der Remote Work optimal für dich nutzen und dennoch langfristig gesund sowie glücklich bleiben können – ohne Einsamkeit.

Welche weiteren Tipps hast du, um der Einsamkeit im Homeoffice oder bei der Remote Work entgegen zu wirken? Und kennst du weitere mögliche Maßnahmen zur „Einsamkeitsprävention“ durch den Arbeitgeber? Wir freuen uns auf all deine Anregungen zum Thema in den Kommentaren!

Bildnachweis: Bild von Jose Antonio Alba auf Pixabay

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

Mach mit und diskutiere mit uns in unserer Skool Community!

Egal, ob du Fragen hast, Antworten suchst oder einfach nur deine Erfahrungen zu diesem oder anderen Themen teilen möchtest, du bist herzlich willkommen. Diskutiere mit, erweitere dein Wissen und werde Teil einer inspirierenden Gemeinschaft. Zur Arbeits-ABC Community