Chefs sollen motivieren, inspirieren, begeistern – soweit so gut. Doch die Vorstellung, dass Führungskräfte ständig als Animateure agieren müssen, ist überzogen. Sie überfordert Chefs und frustriert Mitarbeiter gleichermaßen.

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Der Motivations-Mythos

In der Management-Literatur klingt es oft so, als sei Motivation der Schlüssel zu allem: Leistungssteigerung, Zufriedenheit, Wachstum. Die Realität sieht freilich anders aus. Man könnte fast meinen, Motivation sei die Antwort auf jedes Problem – wie ein Allheilmittel, das man nur anwenden muss, um sämtliche Unternehmensziele zu erreichen. Aber kann das wirklich funktionieren?

Hier lohnt sich ein Blick auf die Faktenlage. Gallup führt seit Jahren Studien durch, die weltweit das Engagement von Mitarbeitern untersuchen. Das Ergebnis ist ernüchternd: Nur ein Bruchteil der Arbeitnehmer ist wirklich engagiert bei der Arbeit – aus den verschiedensten Gründen. Die Vorstellung, dass Chefs mit den richtigen Anreizen oder Maßnahmen die gesamte Belegschaft in motivierte High Performer verwandeln können, ist schlichtweg naiv.

Woher kommt echte Motivation?

Es gibt zwei Hauptquellen für Motivation: die extrinsische, also durch äußere Anreize wie Boni oder Prämien, und die intrinsische, die aus dem Inneren eines Menschen kommt. Die extrinsische Motivation kann kurzfristig zwar wirken, verliert aber schnell an Fahrt. Boni und Belohnungen motivieren höchstens für den Moment, sie schaffen jedoch keinen dauerhaften Anreiz.

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Die intrinsische Motivation hingegen beruht auf dem Sinn, den ein Mitarbeiter in seiner Arbeit sieht, und darauf, ob er sich in seiner Aufgabe und seinem Umfeld wohlfühlt. Hier kommt die Rolle des Chefs ins Spiel: Gute Führungskräfte schaffen ein Arbeitsumfeld, das sinnstiftend ist. Doch auch das hat seine Grenzen.

Drei Gründe, warum Motivation nicht immer funktioniert

  1. Motivation ist individuell: Es gibt keinen „One-size-fits-all“-Ansatz. Was den einen Mitarbeiter anfeuert, lässt den anderen kalt. Während der eine durch Herausforderungen angespornt wird, wünscht sich der andere eher Stabilität und klare Vorgaben. Führungskräfte, die versuchen, alle über einen Kamm zu scheren, werden zwangsläufig scheitern.

  2. Äußere Anreize sind kurzlebig: Geldprämien, Gym-Abo und Lob können kurzfristig helfen, die Leistung zu steigern. Doch Studien zeigen, dass diese Effekte nicht lange anhalten. Einige Untersuchung kommen gar zu dem Schluss, dass extrinsische Belohnungen in vielen Fällen sogar die intrinsische Motivation untergraben können.

  3. Manchmal sind persönliche Faktoren wichtiger: Ein Chef kann noch so sehr motivieren – wenn ein Mitarbeiter privat unter starkem Stress steht oder sich in einer Lebenskrise befindet, wird das die berufliche Leistung zwangsläufig beeinträchtigen. Empathische Führungskräfte erkennen die Befindlichkeiten ihrer Mitarbeiter und bieten entsprechende Unterstützung an. Vor allem aber geben sie ihnen die Zeit, um damit fertig zu werden.

Was zeichnet gute Chefs wirklich aus?

Statt zu versuchen, permanent als „Motivationstrainer“ zu agieren, sollten Führungskräfte den Fokus auf ein unterstützendes Arbeitsumfeld legen. Dazu gehören:

  • Vertrauen und Autonomie: Mitarbeiter, die das Gefühl haben, eigenverantwortlich arbeiten zu können, sind in der Regel motivierter. Die Selbstbestimmungstheorie (Deci und Ryan) zeigt, dass Autonomie ein zentraler Faktor für langfristige Motivation ist.

  • Transparente Kommunikation: Mitarbeiter müssen verstehen, warum ihre Arbeit wichtig ist und welchen Beitrag sie zum Gesamtziel des Unternehmens leisten. Klare Kommunikation und ehrliches Feedback spielen dabei eine wichtige Rolle.

  • Wertschätzung und Anerkennung: Es geht nicht darum, jeden Tag Lobeshymnen zu singen, sondern darum, echte Anerkennung zu zeigen, wenn sie verdient ist. 

Die Grenzen der Motivation

Ein Punkt, den einige Führungskräfte außer Acht lassen: Nicht jeder will oder kann permanent motiviert werden. Es gibt Mitarbeiter, die schlichtweg einen „Job“ suchen, keine Berufung – und das ist auch in Ordnung. Die Herausforderung besteht darin, realistische Erwartungen zu haben – sowohl an die Mitarbeiter als auch an die eigene Rolle.

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Ist es also die Aufgabe eines Chefs, ständig als Motivator aufzutreten? Oder sollte man vielmehr akzeptieren, dass es Grenzen gibt, was Motivation bewirken kann? Die Erwartung, dass jede Führungskraft ein „Motivationstalent“ sein muss, führt letztlich eher zu Frustration und Druck – auf beiden Seiten. Besonders dann, wenn unmotivierte Mitarbeiter weder motiviert werden können noch wollen.

Motivation ja, aber keine Wunder erwarten

Ja, gute Chefs sollten motivieren – aber mit Fingerspitzengefühl. Sie sollten erkennen, dass Motivation nicht mit Druck oder immer neuen Anreizen erzwungen werden kann. Stattdessen sollte die Unternehmenskultur ein Umfeld schaffen, in dem Motivation von selbst entstehen kann. Das bedeutet nicht, dass Chefs ständig Entertainer oder Animateur sein müssen, sondern dass sie die Voraussetzungen für sinnvolle Arbeit, Vertrauen und Anerkennung schaffen.

Und vielleicht liegt in dieser Erkenntnis der Schlüssel: Ein guter Chef muss kein „Motivationstalent“ sein. Ein guter Chef weiß, wann er motivieren kann – und wann er es besser bleiben lässt.

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