Du hast nie davon geträumt, Steuerfachangestellte zu werden. Und doch sitzt du jetzt da – im dritten Lehrjahr, zwischen Buchungssätzen und Bilanzen. Warum? Weil der Platz frei war. Weil es sich gut angehört hat. Weil du eben irgendetwas machen musstest. Ein klassischer Vernunftentscheid. Aber: Kann aus Vernunft irgendwann Leidenschaft werden?

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Was bedeutet „Berufung finden“ überhaupt?

„Berufung finden“ klingt nach heiligem Gral, nach Erleuchtung im Großraumbüro. Gemeint ist damit: ein Job, der dich nicht nur finanziert, sondern erfüllt. Wo deine Talente gefragt sind, du einen Sinn siehst, morgens nicht drei Mal snoozed. Ein Gefühl von: Ich bin hier richtig. Ich kann hier wachsen. Ich gestalte mit.

Aber was, wenn man in einen Job startet, der sich eher nach Plan B als Herzenswunsch anfühlt?

Viele starten ohne Plan ins Berufsleben

Laut der Studie „Ausbildungsperspektiven 2025“ möchten nur 43 % der Schüler nach der Schule auf jeden Fall eine Ausbildung machen, 45 % sind noch unentschlossen. Besonders unter Gymnasiast:innen ist die Unsicherheit groß. Fast 30 % geben an, keine klare Vorstellung davon zu haben, was sie nach der Schule wollen.

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Nur ein Drittel der Jugendlichen fühlt sich laut Studie überhaupt gut informiert über ihre beruflichen Optionen. Mehr als die Hälfte findet sich im Dschungel der Möglichkeiten nicht zurecht.

Noch brisanter: Bei den Jugendlichen, die bereits nach Ausbildungsplätzen gesucht haben, sagen 38 %, dass sie nicht wussten, was oder wo sie überhaupt arbeiten wollen. Orientierungslosigkeit ist kein Randphänomen. Sie ist Alltag.

Wie sich aus einem „Okay-Job“ echte Berufung entwickeln kann

Berufung ist kein Geistesblitz. Sie ist oft das Ergebnis von Erfahrung, Wachstum und Reibung. Viele lieben ihren Job erst mit den Jahren – wenn sie Sicherheit spüren, Routinen verinnerlicht haben, Verantwortung übernehmen. Leidenschaft entsteht nicht im Vorstellungsgespräch, sondern beim Dranbleiben, beim Gestalten, beim Verändern.

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Beispiel: Anne wollte Polizistin werden. Geworden ist sie Einzelhandelskauffrau. Anfangs nur ein Job, um Geld zu verdienen. Doch sie blieb – wurde stellvertretende Filialleitung, übernahm Verantwortung, bildete Azubis aus. Heute leitet sie ein ganzes Team. Sie sorgt für Struktur, für Klarheit, für Zusammenhalt. Eigenschaften, die sie immer hatte, nur anders einsetzen wollte. Die Uniform trägt sie nicht. Die Haltung schon.

Ein anderes Beispiel: Cem hat als Notlösung eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker gemacht. Heute ist er technischer Ausbilder in einem Handwerksunternehmen, liebt die Arbeit mit Azubis, motiviert junge Menschen, sich weiterzuentwickeln. Sein Handwerk wurde zur Bühne für seine pädagogische Ader.

Berufung ist selten offensichtlich – aber oft spürbar

Was diese Menschen gemeinsam haben? Sie haben sich erlaubt, innerhalb ihrer Jobs zu experimentieren. Haben nicht auf den perfekten Job gewartet, sondern das Beste aus dem gemacht, was sie hatten. Und dabei Seiten an sich entdeckt, die vorher gar keinen Raum hatten.

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Berufung fühlt sich oft nicht an wie ein „Aha!„, sondern wie ein leises, wachsendes „Ja, das passt zu mir„. Sie entsteht, wenn Tätigkeit, Persönlichkeit und Umfeld auf Dauer zusammenpassen.

Was passiert, wenn du deine Berufung nicht suchst?

Wenn du dich dauerhaft in „Ganz okay“ einrichtest, fehlt dir irgendwann mehr als Motivation. Dann kratzt der Frust an der Tür, montags wie freitags. Du wirst zynisch. Funktionierst nur noch. Und irgendwann stellst du dir die Frage: War’s das? Der Mensch will gestalten, Sinn erleben, sich entwickeln. Wird das unterdrückt, leidet auf Dauer die seelische Gesundheit.

Hinzu kommt: 19 % der jungen Erwachsenen zwischen 20 und 34 Jahren haben keine berufliche Qualifikation – mit steigender Tendenz. Wer ohne Plan startet, bleibt oft ohne Perspektive. Berufung braucht also nicht nur Herz, sondern auch Handwerkszeug.

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5 Impulse, wie du in deinem Beruf doch noch deine Berufung finden kannst

  • Bleib neugierig: Frag nach neuen Aufgaben, Projekten, Abteilungen. Was liegt dir mehr, als du dachtest? Berufung entsteht oft durch Umwege.
  • Mach dein Ding draus: Jeder Job hat Spielraum. Bring deine Stärken ein, auch wenn sie nicht im Stellenprofil stehen. Vielleicht wirst du zur internen Kommunikationsexpertin, obwohl du eigentlich „nur“ im Vertrieb bist.
  • Sprich mit Menschen, die ihren Job lieben: Ihre Energie ist ansteckend. Und oft verraten sie, dass sie auch nicht sofort Feuer & Flamme waren. Die wenigsten Karrieren sind linear.
  • Finde Sinn im Kleinen: Berufung muss nicht weltverändernd sein. Auch Routinejobs können Wert stiften. Vielleicht sorgst du mit deiner Ruhe für ein stabiles Team. Vielleicht bist du die Person, die andere morgens aufmuntert.
  • Wechsle, wenn du musst: Nicht jeder Beruf wird zur Berufung. Wenn du dauerhaft spürst: „Das wird nix“, dann ist ein Jobwechsel der beste Schritt. Mut ist auch eine berufliche Kompetenz.

Und irgendwann ist’s Berufung

Nicht jeder startet mit der großen Vision. Manche stolpern rein. Verlaufen sich. Finden erst später, was sie antreibt. Das ist okay. Wichtig ist nur: Geh nicht davon aus, dass es „halt so bleibt“. Berufung findet man nicht über Nacht. Aber vielleicht über Jahre. Und manchmal beginnt sie genau da, wo du nie gesucht hast. Entscheidend ist, ob du offen bleibst – für dich, für Veränderung, für Entwicklung. 

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