Wir alle kennen ihn: den Kollegen, die jede PowerPoint des Chefs mit „Wow, stark visualisiert!“ feiern, als hätte da gerade Steve Jobs persönlich den Laserpointer geschwungen. Es wirkt gekünstelt. Aufgesetzt. Man fühlt sich fremdschämend – und trotzdem: Solches Verhalten ist kein Ausreißer, sondern Alltag. Die Frage ist nur: Warum?

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Was bedeutet „Einschleimen“ eigentlich?

Einschleimen ist ein Verhalten, bei dem ein Mensch gezielt übertriebenes Lob, Schmeicheleien oder devote Gesten nutzt, um sich bei einer übergeordneten Person beliebt zu machen. Es ist eine Form sozialer Manipulation – oft subtil, manchmal schamlos. Der Unterschied zu einem ehrlichen Kompliment liegt nicht im Wortlaut, sondern in der Absicht.

Denn ja – auch Führungskräfte dürfen und sollen gelobt werden. Aber ob ein „Das war wirklich eine kluge Entscheidung“ aufrichtig gemeint ist oder nur ein Sprungbrett zur eigenen Sichtbarkeit darstellt, spürt man meist intuitiv. Einschleimen ist kein Ausdruck von Wertschätzung – sondern von strategischem Opportunismus.

Die Psychologie hinter dem Schleimen: Warum machen Menschen das?

Wer sich einschleimt, will meistens eines: Sicherheit. Oder Aufstieg. Oder wenigstens keine Nachteile.

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Denn in hierarchischen Systemen wie der Arbeitswelt liegt Macht nicht gleichmäßig verteilt. Vorgesetzte entscheiden über Aufgaben, Budgets, Sichtbarkeit – manchmal sogar über das Wohl und Wehe einer ganzen Karriere. Diese Asymmetrie erzeugt psychologischen Druck. Und aus diesem Druck heraus entsteht ein Verhalten, das weniger auf Integrität als auf Selbstschutz oder Nutzenmaximierung beruht.

Aus psychologischer Sicht ist Schleimen eine statusregulierende Handlung. Studien zur sozialen Hierarchie zeigen: Wer sich in Machtbeziehungen unterlegen fühlt, versucht instinktiv, durch Anschlussverhalten Vorteile zu sichern. Die freundliche Geste ist dabei nicht das Ziel, sondern das Mittel.

In Unternehmen mit stark vertikaler Kultur oder in unsicheren Organisationsphasen – etwa bei Umstrukturierungen, Führungswechseln oder Konkurrenzdruck – nimmt das Einschleimen erfahrungsgemäß zu.

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Die sozialen Dynamiken im Team: Wer leidet unter Schleimerei?

Das Problem am Einschleimen ist nicht nur, dass es peinlich ist. Es hat auch Folgen für das Arbeitsklima. Denn wer sich regelmäßig beim Chef einschmeichelt, signalisiert allen anderen: „Ich spiele nicht euer Spiel, sondern mein eigenes.“

Das erzeugt Misstrauen. Kollegen zweifeln an der Aufrichtigkeit, an der Teamloyalität – und nicht selten an der Kompetenz. Wenn nämlich Lob nur noch als Karrierewerkzeug gelesen wird, wird jedes ehrliche Feedback entwertet. Kritik wird zur Gefahr. Authentizität zur Schwäche. Und so entsteht eine Kultur, in der die Lautesten, nicht die Besten, gehört werden.

Langfristig entwickeln sich drei Konsequenzen:

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  • Vertrauensverlust im Team: Wer Schleimerei beobachtet, beginnt, die Motive anderer infrage zu stellen.
  • Verunsicherung bei Führungskräften: Wenn niemand mehr widerspricht, fehlt die kritische Reibung.
  • Kulturverschiebung: Leistung tritt in den Hintergrund – Loyalität wird zum Währungssystem.

Lob oder Schleimerei? Wo ist die Grenze?

Die viel wichtigere Frage lautet: Würde ich das auch sagen, wenn meine Karriere nicht davon abhinge?

Ehrliches Lob ist konkret und punktuell. Es entsteht aus Anerkennung, nicht aus purer Berechnung. Es ist eine Rückmeldung auf Inhalt oder Verhalten – nicht auf Position oder Macht.

Typisch für aufrichtiges Lob:

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  • Es benennt klar, was geschätzt wird.
  • Es ist nicht inflationär.
  • Es geht auch mal an Kollegen neben oder unter einem in der Hierarchie.

Typisch für Schleimerei:

  • Es überhöht („Das war wirklich visionär – da kann man nur staunen.“).
  • Es ist regelmäßig, auffällig selektiv.
  • Es wirkt wie einstudiert und kommt auf Knopfdruck.

Und was, wenn es funktioniert?

Die bittere Wahrheit: Ja, Einschleimen funktioniert oft. Zumindest kurzfristig. Wer Chefs umschmeichelt, bekommt manchmal schneller Zugang zu Projekten, Einfluss oder Boni. Führungskräfte sind schließlich keine Maschinen – sie reagieren emotional, selbst wenn sie sich für rational halten.

Aber: Die soziale Rendite ist brüchig. Wer einmal als Schleimer abgestempelt ist, verliert an Glaubwürdigkeit. Und wer nur durch Nähe zur Macht aufsteigt, steht irgendwann ohne Rückhalt da – besonders dann, wenn sich die Machtverhältnisse ändern. Noch schlimmer:

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Wer als Führungskraft zu viel Schleimerei zulässt oder gar belohnt, schadet seiner eigenen Integrität. Man wird nicht geachtet – man wird bedient.

Was tun als Führungskraft?

Die Verantwortung liegt auch bei jenen, die oben stehen. Wer klare, ehrliche Kommunikation will, muss sie auch einfordern. Und aushalten. Führung bedeutet nicht nur, Entscheidungen zu treffen, sondern auch Feedback zu ermöglichen.

  • Lob nicht reflexhaft anzunehmen, sondern zu hinterfragen.
  • Kritik nicht als Angriff, sondern als Ausdruck von Vertrauen zu werten.
  • Sich selbst regelmäßig Feedback einzuholen – auch anonym.
  • Schleimerei höflich, aber bestimmt zu ignorieren.

Was tun als Mitarbeitender?

Der eigene Karriereweg muss nicht über die Schleimspur führen. Menschen, die authentisch sind, gewinnen meist langsamer, aber nachhaltiger. Wer klar kommuniziert, ehrlich lobt und bei Bedarf widerspricht, baut Vertrauen auf. Nicht bei allen. Aber bei den Richtigen. Natürlich kann man diplomatisch sein. Aber Diplomatie ohne Rückgrat ist Schleimerei im feinen Zwirn. Wer sich ständig anpasst, wird irgendwann austauschbar.

Schleimen ist keine Karrierekompetenz

In Zeiten, in denen Unternehmen von „Wertschätzung“, „Transparenz“ und „Leadership auf Augenhöhe“ sprechen, ist es ein Armutszeugnis, wenn sich Schleimerei als Erfolgsrezept hält. Willst du lieber befördert werden, weil du gefallen hast – oder weil du wirklich was auf dem Kasten hast? Karriere geht auch ohne Schleimspur.

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