Die Loyalität von Mitarbeitenden war lange ein stabiler Anker für Unternehmen. Doch eine aktuelle Erhebung des EY-Parthenon Loyalitätsindex zeigt, dass dieser Anker immer mehr ins Wanken gerät. Mit 92 Punkten liegt der Index auf dem niedrigsten Stand seit seiner Einführung. Noch 2023 lag er bei 100 Punkten, ein Wert, der zumindest eine gewisse Konstanz andeutete. Die Folgen: Unternehmen laufen Gefahr, ihre besten Talente zu verlieren – und mit ihnen das Know-how und die Stabilität, die langfristigen Erfolg sichern.
Warum ist Loyalität heute so rar?
Die Antwort liegt nicht nur in den schwachen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, sondern auch in den veränderten Erwartungen von Mitarbeitenden. Während früher langfristige Beschäftigung ein Zeichen von Stabilität war, ist heute Flexibilität der Trumpf. Wer bleibt, fragt sich immer häufiger, was das Bleiben eigentlich rechtfertigt – wenn ein Jobwechsel oft mit besseren Arbeitsbedingungen oder einer Gehaltserhöhung einhergeht.
Laut Dr. Gregor Enderle von EY-Parthenon wird Loyalität zunehmend zur Seltenheit:
„Die Daten zeigen gerade für Unternehmen in schwieriger wirtschaftlicher Lage eine weitere Herausforderung, denn sie sind besonders gefährdet, durch abwanderungswillige Fachkräfte zusätzlich geschwächt zu werden und gegenüber dem Wettbewerb zurückzufallen.“
Gute Kollegen zählen mehr als Geld
Natürlich bleibt das Gehalt ein entscheidender Faktor. Doch die Studie zeigt, dass Loyalität durch mehr als finanzielle Anreize entsteht. Mitarbeitende suchen Arbeitsumfelder, die Entwicklungsmöglichkeiten bieten, flexible Arbeitszeiten ermöglichen und eine wertschätzende Unternehmenskultur schaffen.
Ein zentraler Punkt ist der Kollegenzusammenhalt: Zwei von drei Beschäftigten ohne Wechselabsicht geben an, dass sie vor allem wegen ihres Teams bleiben. Das zeigt, wie wichtig es für Unternehmen ist, ein positives Arbeitsklima zu fördern und auch Mitarbeitende einzustellen, die ins Team passen. Bereits ein einziger „fauler Apfel“ – der ständig nörgelnde, frustrierte und unzufriedene Kollege – kann die Stimmung und Leistung des Teams belasten
Paradox: Wer Angst hat zu bleiben, entscheidet sich fürs Gehen
Besonders in Branchen, die von Krisen betroffen sind, ist der Loyalitätsindex noch niedriger. In der Automobil- und Pharmaindustrie liegt er gerade einmal bei 67 bzw. 74 Punkten. Hier treiben Angst vor Jobverlust und finanzielle Einschnitte die Wechselbereitschaft in die Höhe. Für viele wird der nächste Arbeitgeber zum vermeintlich sicheren Hafen.
Was Unternehmen tun können, um Loyalität zu stärken
- Flexibilität ist Trumpf
Mitarbeitende wollen bei Arbeitgeber anheuern, die auf ihre Lebensumstände eingehen. Flexible Arbeitszeiten, Homeoffice oder Sabbaticals, all das wird heute nicht nur gewünscht, sondern gefordert. Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten schaffen und klar aufzeigen
Regelmäßige Gespräche über persönliche Karriereziele, individuelle Weiterbildungen und Führungskräfteprogramme können Perspektiven aufzeigen und ebenfalls die Bindung zum Unternehmen stärken.Wertschätzung in den Fokus rücken und wirklich leben
Echte Wertschätzung geht weit über ein gelegentliches Lob oder „Toll gemacht“ hinaus – sie ist ein wesentlicher Bestandteil einer Unternehmenskultur, die Bindung und Motivation stärkt. Für viele Mitarbeitende ist das Gefühl, gesehen und anerkannt zu werden, wichtiger als rein monetäre Anreize wie Gehaltserhöhungen.Transpart kommunizieren und Sicherheit vermitteln
Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten hilft offene Kommunikation, Unsicherheiten zu reduzieren. Mitarbeitende wollen verstehen, wie ihre Arbeit zum Erfolg des Unternehmens beiträgt und dass ihre Jobs sicher sind – oder zumindest alles in der Richtung getan wird.
Niemand versteht die Bedürfnisse, Herausforderungen und Wünsche der Mitarbeitenden besser als die Unternehmen selbst – sollten sie zumindest. Nur wer gezielt auf die Sorgen und Erwartungen seiner Mitarbeitenden eingeht, fördert die Bindung und baut Unsicherheiten ab.