Ein Smiley sagt mehr als tausend Worte – nur leider oft die falschen. Was als kleine Geste der digitalen Freundlichkeit begann, hat sich in vielen Unternehmen zur Kommunikationskrankheit entwickelt: der übermäßige Einsatz von Emojis im Job.
In der E-Mail an den Kunden, im Projektchat mit dem Team, in der LinkedIn-Bio. Es scheint fast, als könnten wir keine Nachricht mehr verschicken, ohne ein gelbes Gesicht, ein Tier oder ein Symbol hinterherzuwerfen.
Aber mal ehrlich: Braucht die Mail an den CEO wirklich ein Partyhütchen? Ist der Daumen hoch unter dem Krisenbericht wirklich hilfreich? Oder verwässert diese Emoji-Welle nicht längst unsere berufliche Kommunikation?
Vom Zwinkern zum Zappeln – Die Evolution des Smiley-Wahns
Die Wurzel des Ganzen liegt laut Time in einem harmlosen Vorschlag: 1982 tippte Informatiker Scott Fahlman in einem Uni-Forum 🙂 – ein ironischer Hinweis, der klarmachen sollte: Das war jetzt ein Witz. Niemand ahnte, dass daraus eine globale Sprache entstehen würde. Heute sind es laut Statista über 3.700 Emojis, die von der Unicode-Organisation standardisiert und jährlich erweitert werden. Und das ist kein Spaß: Jedes neue Emoji muss einen Antrag durchlaufen, wird diskutiert, bewertet – von Gabel bis Gletscher.
Emojis sind längst ein eigenes Zeichensystem. Sie visualisieren Gefühle, Situationen, Objekte – und transportieren dabei Tonalität, Haltung, sogar Werte. Doch genau darin liegt das Problem: Diese Symbole sind offen für Interpretationen. Was für dich „locker“ heißt, wirkt auf den Kunden vielleicht „unprofessionell“. Was als Zeichen der Wertschätzung gedacht war, kommt als emotionale Inkompetenz an.
Und das geschieht schneller, als uns bewusst ist: Eine Analyse von Beißwenger und Pappert (2020) zeigt, dass Emojis durch ihre visuelle Auffälligkeit sofort ins Auge springen – und damit oft stärker wirken als der eigentliche Text. Die Autoren sprechen von „visueller Salienz“: Ein kleines Symbol verändert die Bedeutung der Nachricht – gewollt oder nicht.
Zwischen Nähe und Nerv: Wann Emojis hilfreich sind
Natürlich gibt es Kontexte, in denen Emojis sinnvoll sind – ja, sogar verbindend. In Teams mit lockerer Unternehmenskultur, in Start-ups oder Agenturen, in denen der Ton bewusst informell ist. Ein gezielt eingesetzter Smiley kann Wärme und Persönlichkeit in den digitalen Austausch bringen, Missverständnisse abbauen, soziale Signale senden, die in E-Mails oder Messengern sonst verloren gehen würden.
Gerade im Remote-Arbeitsalltag ersetzen Emojis oft das, was zwischen Tür und Kaffeemaschine gesagt oder nonverbal vermittelt wurde: ein anerkennendes Nicken, ein „Alles klar“, ein Augenzwinkern. Emojis können in vertrauten Teamstrukturen das Gemeinschaftsgefühl fördern – sie funktionieren wie digitale Körpersprache.
Sprachexperten sprechen hier von „sozialen Markern“: Wer ein Emoji verschickt, signalisiert Nähe – ob gewollt oder nicht. Und genau das kann problematisch werden, wenn die Beziehungsebene fehlt.
Wenn das Einhorn zum Reputationsrisiko wird
Aber: Emojis sind kein Freifahrtschein. In der externen Kommunikation – also mit Kundinnen, Partnern, Bewerbern – wird ihre Wirkung schnell zur Blackbox. Emojis in E-Mails von unbekannten Absendern können als unprofessionell oder unpassend wahrgenommen werden. Und je höher die Hierarchieebene des Empfängers, desto kritischer ist die Reaktion. Besonders problematisch: Der Missbrauch von Emojis zur Emotionssteuerung, etwa um negative Botschaften zu „verzuckern“.
Beispiele aus dem echten Leben gefällig?
- Die HR-Managerin, die eine Absage mit einem traurigen Smiley abschickt.
- Der Vertriebler, der jede Angebotsmail mit Flammen, Raketen und Fäusten dekoriert.
- Der Chef, der Deadlines mit einem kichernden Affen kommentiert.
Was gut gemeint ist, wird schnell zur Karikatur der eigenen Rolle. Und wer sich im Job selbst karikiert, verspielt Glaubwürdigkeit.
Berufsprofil mit Bildsprache: Was Emojis über dich verraten
Noch heikler wird’s, wenn Emojis zur Stilkonstante werden – etwa in Social-Media-Profilen oder Business-Bios. Wer sich auf LinkedIn mit fünf Symbolen vor dem Jobtitel schmückt, zeigt zwar Persönlichkeit – aber eben auch: Unsicherheit. Die Bildsprache verdrängt den Inhalt. Und plötzlich steht nicht mehr „HR Business Partner“, sondern „HR – People – Culture – Growth – Trust“.
Ja, das ist bunt. Ja, das ist nett. Aber auch: beliebig. In einem Zeitalter, in dem Klarheit, Haltung und Kompetenz zählen, wirken solche Profile wie Wunschzettel ans Universum.
Kommunikationskompetenz heißt auch: Grenzen kennen
Was viele vergessen: Sprache ist auch im Digitalen ein Führungsinstrument. Wer beruflich kommuniziert, übernimmt Verantwortung – für Inhalte, Wirkung und Missverständnisse. Emojis sind kein Ersatz für Tonalität, sondern ein Risiko für Missdeutung. Ein Smiley kann Nähe signalisieren – oder Passivität. Ein Daumen hoch kann Zustimmung bedeuten – oder ein genervtes „Ja, ja, schon gut“.
Professionelle Kommunikation heißt, bewusst zu gestalten. Wer sich hinter Symbolen versteckt, gibt diese Gestaltung aus der Hand. Und das kann sich niemand leisten – weder im Vertrieb, noch im Recruiting, noch in der Führung.
Emojis sind wie Gewürze – nicht die Hauptzutat
Natürlich musst du nicht komplett auf Emojis im Job verzichten. Aber überlege gut, wann, wie viele und bei wem du sie einsetzt. Je offizieller, je neuer der Kontakt, je sensibler der Inhalt – desto zurückhaltender solltest du sein.
Eine gute Faustregel: Wenn du dir nicht sicher bist, ob das Emoji angemessen ist – dann lass es weg. Klarheit, Empathie und eine saubere Sprache wirken immer professioneller als ein Arsenal aus Gesichtern, Tieren und Symbolen.