„Die Zeiten der autoritären Führung sind vorbei!“ – dieser Satz ist seit Jahren ein Mantra in der Unternehmenswelt. Besonders mit dem Eintritt der Generation Z in den Arbeitsmarkt wird er immer wieder wiederholt. Junge Talente wollen mehr Mitsprache, Sinnhaftigkeit, Augenhöhe. Also setzen Unternehmen auf New Work, agile Methoden, demokratische Entscheidungen, Servant Leadership. Doch in der Praxis zeigt sich: Vieles davon funktioniert nicht wie gedacht.
Woran liegt das? Warum sind Unternehmen permanent auf der Suche nach dem perfekten Führungsstil, aber selten kommt dabei heraus, was sich Mitarbeitende wirklich wünschen? Ein Blick auf die aktuellen Entwicklungen zeigt, dass Leadership heute vor einer paradoxen Herausforderung steht:
Die Bedürfnisse der Belegschaft sind diverser denn je, und kein Führungsstil kann alle gleichermaßen zufriedenstellen.
„Den perfekten Führungsstil“ gibt es nicht
Die Managementliteratur ist voll von Konzepten: transformational, partizipativ, autoritär, laissez-faire, situativ, servant, charismatisch. Doch in der Praxis zeigt sich: Ein einziges Modell wird den Anforderungen moderner und diverser Teams nicht gerecht. Denn je nach Branche, Teamzusammensetzung und Unternehmenskultur unterscheiden sich die Erwartungen an Führung massiv.
Ein Beispiel: In einem kleinen, kreativen Start-up mag eine flache Hierarchie gut funktionieren. Ideen entstehen in einem offenen Austausch, Entscheidungen werden gemeinsam getroffen. In einem Industriebetrieb mit sicherheitskritischen Prozessen hingegen kann zu viel Mitbestimmung fatal sein – hier braucht es klare Verantwortlichkeiten und schnelle Entscheidungen, die auf Erfahrung und Fachexpertise beruhen.
Generation Z: Erwartungen vs. Realität
Viel wird darüber diskutiert, dass die Generation Z andere Ansprüche an Führung hat. Sie wünscht sich Flexibilität, Sinnhaftigkeit, Transparenz, flache Hierarchien. Doch in der Praxis zeigt sich, dass auch sie sich nach klarer Orientierung sehnen. Viele junge Berufstätige fordern zwar Mitbestimmung, sind aber oft unsicher, wenn sie tatsächlich Verantwortung übernehmen sollen. Gerade in unklaren und neuen Situationen im Arbeitsalltag zeigt sich der Wunsch nach einer kompetenten und stabilen Führungskraft, die Entscheidungen trifft. Ein Mangel an klarer Führung kann im Umkehrschluss dazu führen, dass das Mitarbeiterengagement der jungen Talente leidet – denn Unsicherheit hemmt Motivation und Eigeninitiative.
Dazu kommt: Die Werte innerhalb einer Generation sind keineswegs homogen. Während die einen Freiheit im Job schätzen, wollen andere feste Strukturen oder gar an die Hand genommen werden. Während manche auf Homeoffice setzen, bevorzugen andere die klare Trennung von Arbeit und Privatem im Büro. Führungskräfte stehen also vor der Herausforderung, nicht nur die Generationenunterschiede zu verstehen, sondern auch innerhalb einer Alterskohorte unterschiedliche Bedürfnisse auszubalancieren.
Führung als Balanceakt
Was also tun? Der erfolgversprechendste Ansatz scheint ein situativer Führungsstil zu sein: Gute Leader erkennen, dass nicht jedes Team und jede Aufgabe die gleiche Art von Führung benötigt. Mal braucht es klare Ansagen, mal kreativen Freiraum. Mal enge Steuerung, mal Autonomie.
Dazu gehört auch, sich von der Illusion zu verabschieden, dass alle Mitarbeitenden das Gleiche wollen. Führung muss heute flexibler sein als je zuvor – und gleichzeitig klare Orientierung bieten. Die besten Führungskräfte sind diejenigen, die sowohl die individuelle Ebene verstehen als auch die Fähigkeit haben, auf Teamebene eine kohärente, funktionierende Struktur zu schaffen.
Am Ende bleibt Leadership eine Kernaufgabe in Unternehmen. Und die wichtigste Fähigkeit von Führungskräften ist nicht, den „richtigen“ Stil zu finden – sondern herauszufinden, was in welchem Kontext funktioniert.