Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt (BAG) hat entschieden: Eine über Jahre unfair bezahlte Arbeitnehmerin, die weniger Geld als ihr männlicher Kollege erhalten hat, muss nun entschädigt werden.

Verhandlungsgeschick rechtfertigt keine bessere Bezahlung, wenn Arbeitnehmer die gleiche Arbeit ausrichten: Ein wichtiges Urteil hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt laut Pressemitteilung wegen Ungleichbehandlung in einem Fall gefällt, in dem eine Außendienstmitarbeiterin eines Dresdner Metallunternehmens für ihre Arbeit weniger Geld als ein männlicher Kollege erhalten hatte. Die Chefin des Unternehmens soll die höhere Vergütung des männlichen Mitarbeiters unter anderem damit begründet haben, dass dieser besser verhandelt habe und Nachfolger einer Ex-Mitarbeiterin gewesen sei, welche in seiner Position besser vergütet worden wäre.

Während die Klägerin 3.500 Euro brutto für ihren Job bekam, erhielt ihr Teamkollege, welcher die Stelle zwei Monate vorher angenommen hatte, für die gleiche Arbeit ganze 1.000 Euro mehr. Zunächst schien es wenig Hoffnung zu geben. Das Dresdner Arbeitsgericht sowie das Landesgericht Sachsen wiesen die Klage der Außendienstmitarbeiterin ab. Das BAG urteilte nun zugunsten der Klägerin: Es liege eine Ungleichbehandlung vor. Neben der Nachzahlung soll es auch eine Entschädigungszahlung für die Betroffene geben.

Wichtig: Auch wenn die ausführliche Urteilsbegründung des BAG noch erwartet wird, hat das Gericht bereits deutlich gemacht, dass Arbeitserfahrung durchaus als Grund für eine Differenzierung in der Vergütung gültig ist. Wer also über umfangreiche Erfahrung verfügt und sich damit von anderen Kollegen und Kolleginnen abhebt, kann ebenfalls mehr Geld verlangen, ohne dass Arbeitgeber sich für den Vorwurf einer unfairen Bezahlung verantworten müssen.

Equal-Pay-Grundsatz: Deshalb ist das Urteil so bedeutend

Zwar existiert das sogenannte Entgelttransparenzgesetz, welches den Equal-Pay-Grundsatz verfolgt, bereits seit 2017. Vor allem für Frauen war es in der Praxis bisher dennoch nicht einfach, sich gerichtlich durchzusetzen, wenn es um eine gerechte Bezahlung ging. Das Gesetz soll Entgeltstrukturen so transparent machen, dass einer unfairen Vergütung entgegengewirkt werden kann. Unternehmen dürfen Mitarbeiter nicht unterschiedlich vergüten, wenn die Höhe der Vergütung sich lediglich mit dem Geschlecht begründen lässt.

Um Transparenz zu genießen, dürfen Beschäftigte Informationen zur Bezahlung im Unternehmen anfordern. Es gibt aber mehrere Lücken im Entgelttransparenzgesetz:

1. Nicht jeder profitiert:

Einen Auskunftsanspruch haben nur Beschäftigte in Unternehmen, welche mehr als 200 Arbeitnehmer beschäftigen. Wer in einem kleineren bis mittleren Betrieb mit weniger Kollegen arbeitet, hat keine Chance, vom Gesetz zu profitieren.

2. Keine umfassenden Vergleichsmöglichkeiten:

Beschäftigte können lediglich Informationen zu Vergleichsentgelten des anderen Geschlechts erhalten. So ist es nicht möglich, eine unfaire Bezahlung aufzudecken, wenn diese beispielsweise unter Kolleginnen erfolgt.

Mit dem neuen Gerichtsurteil konnte trotz aller bis jetzt bestehenden Widrigkeiten ein wichtiges Statement gesetzt werden: Wird die Lohn- oder Gehaltshöhe lediglich auf Basis des Verhandlungsgeschicks festgelegt, obwohl andere Mitarbeiter den gleichen Job machen und mehr bekommen, können nun vor allem unfair bezahlte Arbeitnehmerinnen wegen des neuen Urteils jetzt besser vor Gericht dagegen angehen.

Wie fordere ich Geld bei unfairer Bezahlung nach?

Im Jahr 2021 hat das BAG entschieden, dass Arbeitgeber Beweise vorlegen müssen, dass eine Arbeitnehmerin aufgrund ihres Geschlechts nicht benachteiligt wird, wenn der Verdacht einer unfairen Bezahlung von weiblichen Angestellten im Raum steht. Auch das war ein wichtiger Schritt, der es erleichtert, diskriminierende Entscheidungen von Arbeitgebern zu bekämpfen.

Ob männlich oder weiblich: Wer den Verdacht hat, unfair bezahlt zu werden oder weiß, dass einem tatsächlich weniger Geld als anderen Kollegen in gleicher Position bei gleichen Voraussetzungen und Qualifikationen bezahlt wird, hat nun vermutlich bessere Chancen vor Gericht. Darauf solltest du achten:

1. Belege sammeln, bevor es ernst wird:

Mit der Hilfe des gesetzlichen Auskunftsanspruchs sammeln Beschäftigte, die einen Verdacht hegen, zunächst relevante Informationen, um den Verdacht der unfairen Bezahlung verstärken zu können. Nur so besteht eine Grundlage, um gegen die Ungerechtigkeit anzugehen. Liegt kein begründeter Verdacht vor, ist es der Vorwurf der Ungleichbehandlung schwer nachzuvollziehen. Bevor weitere Schritte unternommen werden, ist die Recherche der wichtigste Schritt.

2. Zunächst immer außergerichtlichen Anspruch geltend machen:

Es muss nicht immer zu einer Klage kommen. Zunächst gilt es, den Anspruch auf faire Bezahlung außergerichtlich geltend zu machen. Sofern die Forderung tatsächlich Berechtigung hat, können Arbeitgeber nun anpassende Maßnahmen vornehmen. Nicht nur Unternehmen sparen Kosten – sondern auch potenzielle Klägerinnen können so auf Anwaltskosten verzichten.

3. Verjährungsfrist beachten:

Nach § 195 BGB besteht eine Verjährungsfrist von insgesamt 3 Jahren. Das bedeutet, dass wir nicht ewig Zeit haben: Wer sich unfair bezahlt fühlt, kann keine entgangenen Gelder einklagen, die über viele Jahre zurückliegen. Besteht ein Verdacht, sollten wir also zügig handeln und alle notwendigen Maßnahmen, wie Informations- und Recherchearbeiten einleiten sowie Auskunft einholen, um eine Forderung vorzubereiten und im Ernstfall gerichtlich geltend zu machen.

Schon gewusst?

Wer sich unterbezahlt fühlt, bekommt häufig nicht nur viel zu wenig Geld. Laut eines Stern-Berichts sollen Wissenschaftler der Universität Ravensburg-Weingarten belegt haben, dass es bei Betroffenen im Vergleich zu ihren Kollegen häufiger zu Stresserkrankungen sowie Depressionen kommt. Das Erkrankungsrisiko sei bei denjenigen, die sich in ihrer Position nicht gerecht bezahlt fühlen, um ganze 64 Prozent erhöht.

Mit Arbeitgeber Gehalt verhandeln: Folgendes sollten Arbeitnehmer beachten

Manchmal – nicht immer – genügt ein Gespräch mit dem Arbeitgeber, um ein besseres und vor allem faires Gehalt auszuhandeln. Wichtig ist, dass Arbeitnehmer selbst aktiv werden und nicht passiv in ihrer Unzufriedenheit „versauern“. Denn ein Kampf für eine gerechte Behandlung kann sich lohnen, vor allem in Zeiten, in denen es einen immer größer werdenden Arbeitnehmermarkt gibt und Beschäftigte mehr Verhandlungsmacht haben. Bleibt der Arbeitgeber stur, können Arbeitnehmer, die ihren Marktwert kennen, schneller einen neuen Arbeitgeber finden.

Was zudem helfen kann, ist, sachlich und nicht vorwurfsvoll zu verhandeln. Anstatt lediglich die unfaire Bezahlung anzuprangern, können Beschäftigte ihren Arbeitgeber darum bitten, die Zusammensetzung des eigenen Lohns oder Gehalts zu begründen: Nach welchen Kriterien wird vorgegangen?

Hilft ein einfaches Gespräch nicht, können Beschäftigte sich auf ihr gesetzliches Informationsrecht berufen. Vor allem in kleineren Betrieben bleibt Betroffenen aber oft nichts anderes übrig, als das offene Gespräch zu suchen und auf diesem Weg eine Lösung zu finden, wenn sie keine andere Grundlage haben. Im Ernstfall empfiehlt sich zudem immer der Weg zur Rechtsberatung, wenn Konflikte drohen.

Besonders wichtig: Bevor ein Gehaltsgespräch erfolgt, sollten Arbeitnehmer sich gut darauf vorbereiten, ihre Rechte kennen und berücksichtigen, dass Geld häufig zu einer emotionalen Angelegenheit wird. Deshalb wirkt die Atmosphäre manchmal ungewollt aufgeladen. Davon und von schwierigen Verhandlungspartnern sollten Beschäftigte sich nicht sofort verunsichern lassen oder nachgeben. Durchhalten lohnt sich: Wer gut, logisch und stark argumentiert, kann sich über einen positiven Ausgang freuen.

Gender Pay Gap: Es gibt immer noch Luft nach oben

Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) in einer Pressemitteilung erklärt, haben weibliche Beschäftigte im Jahr 2022 im Vergleich immer noch 18 Prozent – pro Arbeitsstunde – weniger als männliche Angestellte erhalten. Wegen einer neuen Datenquelle ließen sich die Ergebnisse, so das Destatis, nur eingeschränkt mit den Ergebnissen der vergangenen Jahre vergleichen.

Dennoch: Grundsätzlich wird die Lohnlücke langfristig gesehen zwar kleiner. Solange große Unterschiede in der Bezahlung vorherrschen, bleiben Ungleichbehandlungen jedoch bestehen. Es gibt also noch viel Luft nach oben.

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