Hobbys und Bewerbungsbilder werden überbewertet, niedrige Gehaltsvorstellungen erhöhen die Chance auf eine Jobzusage. Wahr oder falsch? Wir haben Bewerbungsmythen auf den Prüfstand gestellt.

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Mythos Nr. 1: Bewerbungsbilder beeinflussen die Erfolgschancen

Erhöht ein Bewerbungsfoto die Chancen auf eine Jobzusage – oder steht es uns sogar im Weg? Prof. Dr. Kathrin Schütz, Dozentin für das Fach Wirtschaftspsychologie, hat sich in ihren Untersuchungen genau diesem Thema gewidmet. Sie ist der Frage nachgegangen, wie das Aussehen unsere Bewerbungschancen beeinflusst.

Die Ergebnisse: Bewerbern mit einem attraktiveren Aussehen werden häufiger Kompetenzen zugesprochen, die für eine Stelle notwendig sind, als Bewerbern, die objektiv weniger attraktiv erscheinen. Ob die Personen die Kompetenzen tatsächlich besitzen, ist unklar. Geht man jedoch von diesen Ergebnissen aus, bekommen attraktiv wirkende Menschen eher eine Einladung zum Gespräch.

Das heißt: Bewerbungsfotos spielen eine entscheidende Rolle, weshalb du stets gepflegt und authentisch aussehen solltest. Problematisch ist das ganze Thema dennoch: Laut des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) dürfen zum Beispiel Rasse, Weltanschauung oder Sexualität keine Rolle spielen, wenn es um eine Jobeinstellung geht.

Wird ein Bewerber jedoch abgelehnt, weil er beispielsweise übergewichtig ist oder unattraktiv wirkt, stehen die Chancen schlecht, rechtlich dagegen vorzugehen – so die Auffassung des Arbeitsrechtlers Michael Eckert aus Heidelberg. Ob Bewerbungen ohne Foto fairer wären, ist deshalb eine grundsätzliche Debatte.

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Mythos Nr. 2: Wer sich elegant kleidet, kommt besser an

Auch hier sind wir wieder beim Thema der optischen Erscheinung. Schließlich zählt der erste Eindruck: Alexander Todorov lehrt Psychologie an der Princeton University. Seiner Auffassung nach gehören Gesicht und Kleidung unter anderem zu den Faktoren, die Einfluss auf den ersten Eindruck nehmen. Innerhalb von wenigen Sekunden würde der Mensch demnach sagen können, ob das Gegenüber zum Beispiel vertrauenswürdig wirkt.

Wenn du dich für einen hochwertigen, eleganten Look entscheidest, um deinen potenziellen Arbeitgeber bei der ersten Begegnung zu beeindrucken, ist es grundsätzlich die richtige Strategie. Aber: Es kommt auch auf Branche und Betrieb an. Viele Start-up-Unternehmen setzen beispielsweise auf locker-legere Kleidung. Handwerker kleiden sich anders als Banker – und bei ersteren könnte ein „protziges“ Outfit fehl am Platz sein. Du siehst also, dass der Mythos eben nur eine Halbwahrheit ist.

Lese-Tipp: Ein lässiger Look macht noch keinen Steve Jobs aus

Mythos Nr. 3: Nur wer dem Anforderungsprofil entspricht, sollte sich bewerben

Lohnt sich eine Bewerbung, wenn du dem Anforderungsprofil eines Unternehmens nicht zu 100 Prozent entsprichst? Ein bekannter Mythos ist, dass die meisten Menschen in solchen Fällen keine Chance hätten.

Deborah Dudda-Luzzato vom Bundesverband der Personalmanager (BPM) sagt: Wer auch nur 70 Prozent der geforderten Skills mitbringt, sollte sich um eine Stelle bewerben. Dies gelte als Faustregel unter den Personalern. Schließlich sind wir alle in der Lage, dazuzulernen – und das müssen wir auch, wenn wir eine neue Stelle antreten. Wenn die Basics stimmen, stehen die Jobchancen demnach gut.

Das bedeutet: Dieser Mythos ist tatsächlich ein Märchen. Denn auch Unternehmen möchten sich von ihrer besten Seite zeigen und deutlich machen, dass sie viel vorhaben. Lasse dich von den Anforderungen auf den ersten Blick nicht abschrecken.

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Mythos Nr. 4: Offline-Bewerbungen gehören der Vergangenheit an

Online-Bewerbungen sind heute eher die Regel, Bewerbungsmappen die Ausnahme. So ganz gehören sie der Vergangenheit aber noch nicht an. Denn in vereinzelten Branchen, etwa bei einigen Arbeitgebern aus der Logistik, gibt es sie noch: Offline-Bewerbungen.

Unser Tipp: Achte bei deiner Bewerbung darauf, ob du deine Unterlagen per Post, über das Online-Formular des Unternehmens oder per E-Mail einreichen sollst und erspare dir so ein ärgerliches Missgeschick.

Mythos Nr. 5: Hobbys gehören nicht in die Bewerbung

Freizeitaktivitäten sind eigentlich Privatsache. Eigentlich. Wenn sie der Stelle dienlich sind, spricht nichts dagegen, sie in die Bewerbung zu integrieren. Beschäftigst du dich zum Beispiel intensiv mit Social Media und bewirbst du dich für ein Unternehmen, welches Kompetenzen in dem Bereich schätzt, ist dein Hobby sogar äußerst wichtig. Und für deinen künftigen Arbeitgeber nicht mehr bloße Freizeitaktivität, sondern Skill.

Achtung: Überlade deine Bewerbung nicht mit Hobbys, die du nicht hast. Denn du musst davon ausgehen, dass der eine oder andere Personaler dich dazu befragen könnte. Um nicht blöd aus der Wäsche zu gucken, sollten wir deshalb lieber bei der Wahrheit bleiben und ganz darauf verzichten, Freizeitaktivitäten in einer Bewerbung anzugeben, die nicht existieren.

Mythos Nr. 6: Offene Stellen werden oft nur intern besetzt

Wer kennt es nicht: Du bewirbst dich für eine Stelle. Langsam tut sich jedoch der Verdacht auf, dass es eine sogenannte „Pro-forma-Ausschreibung“ ist. Das sind Stellen, die im Grunde schon intern besetzt sind. Aus gesetzlichen Gründen muss die Stellenausschreibung dennoch erfolgen. Oft verstaubt die Bewerbung im E-Mail-Postfach, denn es kommt nur selten eine Rückmeldung.

Die gute Nachricht: Interne Stellenbesetzungen sind keine Seltenheit, aber auch nicht immer die Lösung für Unternehmen. Verzweifle deshalb nicht, wenn einige potenzielle Arbeitgeber nicht sofort reagieren. Externe Personalbeschaffung hat für Firmen vor allem den Vorteil, dass die Auswahl an Bewerbern größer ist und mehr frische Ideen und Perspektiven ins Unternehmen kommen. Und genau aus diesem und weiteren Gründen gibt es sie: Recruiter, die sich um frischen Wind kümmern.

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Mythos Nr. 7: Wer viele Bewerbungen verschickt, hat bessere Chancen

Nicht unbedingt. Klar: Aus mathematischer Sicht erhöhst du die Chancen auf eine Zusage. Was aber nützt es, Bewerbungen en masse zu verschicken, um die du dich qualitativ nicht kümmern konntest, weil es dir auf die Quantität ankam? Genau hier liegt das Problem.

Wer haufenweise Bewerbungen abschickt, muss mit inhaltlichen Abstrichen rechnen. Copy-and-paste kann unser größter Helfer sein, uns unsere Tour aber auch vermasseln. Recruiter kennen sich nämlich mit standardisierten Floskeln bestens aus. Setzte lieber auf hochwertige, fehlerfreie und vor allem besondere Inhalte, auch wenn du weniger Bewerbungen versendest.

Lese-Tipp: Masse statt Klasse: Die sechs größten Irrtümer von Bewerbern

Mythos Nr. 8: Niedrige Gehaltsvorstellungen erhöhen die Chance, eine Stelle zu bekommen

Unternehmen möchten nicht nur gucken, ob deine finanziellen Vorstellungen zu ihrem Budget passen. Sondern auch, ob du deinen Wert kennst. Deshalb ist der Mythos, dass niedrige Gehaltsvorstellungen die Jobchancen erhöhen, nicht unbedingt wahr.

Wer sich deutlich unter seinem eigenen Wert verkaufen möchte, nur um eine Jobzusage zu erhalten, pokert unsicher. So wirkst du nicht selbstbewusst, sondern verzweifelt. Gerade wegen des Fachkräftemangels in einigen Branchen, die dringend nach neuen Talenten suchen, solltest du deinen Marktwert kennen.

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Lese-Tipp: Gehaltsfrage im Vorstellungsgespräch – Was Bewerber antworten sollten

Mythos Nr. 9: Wer online nicht sichtbar ist, ist für Recruiter unsichtbar

Jein. Als einen Teil des sogenannten Active-Sourcing-Konzepts in der Personalbeschaffung setzen immer mehr Unternehmen zwar darauf, mit Bewerbern online über verschiedene Kanäle in Kontakt zu treten. Das heißt, nicht du gehst unbedingt auf sie zu, sondern sie auf dich. Schlechtere Jobchancen hast du aber nicht zwangsläufig, wenn du online nicht sichtbar bist. Zumindest nicht, wenn die von dir favorisierten Unternehmen auf die klassische Bewerbung setzen. Auch hier kommt es auf Job und Branche an.

Dennoch: Es hilft, seinen Lebenslauf oder seine Daten beispielsweise bei Online-Jobbörsen zu speichern und zur Verfügung zu stellen, damit potenzielle Arbeitgeber dich besser und schneller finden. So kann es zu einem Match kommen.

Bildnachweis: imtmphoto/istockphoto.com

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Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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