Ein Satz, der in Chefetagen gerade wieder Konjunktur hat, meist gepaart mit ratlosem Kopfschütteln und und einer Brise Verbitterung. Gemeint ist damit selten die vollständige Arbeitsverweigerung, sondern das spürbare Nachlassen des Einsatzwillens. Dienst nach Vorschrift statt „Mitziehen bis zum Schluss“. Die Begeisterung für die berühmte Extra-Meile schwindet. Und mit ihr: die Leistungsbereitschaft.

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Ein bemerkenswerter Befund, gerade jetzt, wo die deutsche Wirtschaft nach Jahren der Rezession, Inflation und Fachkräftemangel auf nichts dringender angewiesen ist als auf Menschen, die bereit sind, richtig anzupacken. Die Erzählung vom Leistungsträger bekommt in Zeiten der Krise eine neue Brisanz.

Doch ist das wirklich der Fall? Oder haben sich schlicht die Maßstäbe verschoben – dafür, was als Leistung gilt, unter welchen Bedingungen sie erbracht werden soll und wem sie am Ende eigentlich nützt?

Was bedeutet Leistung heute überhaupt?

Das Wort Leistungsbereitschaft wirkt inzwischen selbst wie ein Anachronismus. Es erinnert an andere Zeiten, andere Werte. Zeiten, in denen die Bereitschaft zur Selbstausbeutung als Tugend galt. Wer bis in die Abendstunden blieb, wurde als engagierter und treuer Mitarbeiter wahrgenommen. Wer krank zur Arbeit kam, hatte sich eben nicht so. Krankheit war eher eine lästige Kleinigkeit als ein legitimer Grund zum Aussetzen. Widerspruch war selten gefragt, geschätzt wurde, wer sich reibungslos in Unternehmensgetriebe einfügte. Anerkennung blieb meist symbolisch: ein Schulterklopfen, im besseren Fall ein Firmenwagen.

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Leistung, aber bitte mit Sinn

Heute hingegen fragt sich eine neue Generation von Arbeitnehmern: Wozu das alles? Für irgendwelche Boni? Für Zielvereinbarungen, die sowieso stets nach oben korrigiert werden? Für Führungskräfte, die Anwesenheit mit Engagement verwechseln? Leistungsbereitschaft ist nicht verschwunden, sie ist nur selektiver geworden. Und das wird oft verwechselt mit Desinteresse oder gar Leistungsverweigerung.

Was viele Unternehmen heute spüren, ist nicht ein Mangel an Arbeitskraft, sondern ein Mangel an bedingungsloser Hingabe. Und das trifft auf eine Wirtschaft, die über Jahrzehnte hinweg genau diese Hingabe eingefordert hat. Die Erzählung vom Aufstieg durch Fleiß prägte schon unsere Eltern. Wer sich anstrengte, kam weiter, so lautete zumindest das vage Versprechen. Doch dieses Versprechen wurde gebrochen. Zu oft, zu sichtbar, zu harsch. Befristete Verträge, unbezahlte Praktika, abrutschende Mittelschichten, all das hat das Fundament der Leistungslogik bis ins Mark erschüttert.

Wer viel gibt, will auch was zurück

Gleichzeitig wächst das Bewusstsein dafür, was ständige Verfügbarkeit und grenzenloser Einsatz mit einem macht. Die Zahlen sind eindeutig: Psychische Erkrankungen steigen, stressbedingte Ausfälle nehmen zu. 2024 wurden über eine Milliarde Überstunden geleistet, ein großer Teil davon unbezahlt. Was sagt das über unsere Definition von Leistungsbereitschaft aus? Vielleicht, dass sie längst still, unsichtbar und selbstverständlich geworden ist?

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Das Missverständnis beginnt bereits dort, wo Leistung mit Quantität verwechselt wird, mit Anwesenheit, mit Überstunden, mit ständiger Erreichbarkeit. Doch Arbeit im 21. Jahrhundert funktioniert anders. Sie ist immaterieller geworden, fluider, weniger messbar. Eine gute Idee entsteht selten zwischen 9 und 17 Uhr. Ein innovativer Impuls kommt nicht, weil jemand besonders lange im Büro sitzt und diesen regelrecht herbeizwingt. Wer Leistung will, muss Vertrauen schenken und Bedingungen schaffen, unter denen Motivation überhaupt entstehen kann.

Was in den aktuellen Debatten oftmals fehlt, ist der Blick auf das Ganze: Menschen leisten nicht nur im Büro oder an der Werkbank. Viele pendeln täglich stundenlang, kümmern sich um Kinder, Angehörige, erledigen Hausarbeit, organisieren das Leben. Wer tagsüber acht Stunden arbeitet, arbeitet nach Feierabend weiter – unsichtbar, unbezahlt, selbstverständlich. Diese Form von Leistung wird selten gewürdigt, obwohl sie Gesellschaft und Wirtschaft überhaupt erst funktionsfähig macht. 

Kontrolle motiviert nicht – sie bremst

Zudem ist Arbeit längst nicht mehr automatisch identitätsstiftend. Viele sehen keinen Sinn darin, sich für Jobs aufzuopfern, die weder langfristige Sicherheit bieten noch gesellschaftlich etwas beitragen. Die Vorstellung, sich für eine Aufgabe aufreiben zu sollen, deren Ergebnis maximal ein Quartalsziel erfüllt, überzeugt immer weniger. Wenn sich die Frage „Wofür tue ich das alles?“ nicht beantworten lässt und auch nicht im Portemonnaie wiederspiegelt, schwindet auch die Bereitschaft, über das Notwendige hinauszugehen.

Natürlich bedeutet das auch Reibung. Wer Jahrzehnte lang Führung so verstand, dass oben sagt und unten macht, fühlt sich durch diese Haltung schnell entmachtet. Und wer sein Selbstverständnis über Arbeitsmoral definiert, wird irritiert, wenn andere den Feierabend wichtiger finden als das Meeting um 18:30 Uhr.

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Ein neuer Blick auf Leistung

Umso erstaunlicher ist, dass wir ein System akzeptieren, in dem Leistung angeblich objektiv messbar sein soll – in Zahlen, Boni, Überstunden, Zielerreichungen. Als ließe sie sich in Euro oder Stunden exakt beziffern. 

Vielleicht liegt aber genau in dieser Irritation eine Chance: unsere Vorstellung von Leistung neu zu denken. Weg von der Idee der Verausgabung – hin zu einem Verständnis, das Energie nicht nur verbraucht, sondern freisetzt. Das etwas zurücklässt: Sinn, Stolz, Wirksamkeit. Und vielleicht sogar das Gefühl: Es hat sich gelohnt.

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