Viele Beschäftigte erleben nach den ersten Wochen im neuen Job einen deutlichen Motivationseinbruch. Die Leistung sinkt, das Engagement lässt nach – der berüchtigte „Honeymoon-Hangover-Effekt“ setzt ein.
Eine Studie von Boswell, Shipp, Payne und Culbertson (2009) im Journal of Applied Psychology untersucht dieses Phänomen genauer und zeigt, wie sich die Arbeitszufriedenheit neuer Mitarbeitender über das erste Jahr hinweg entwickelt. Dabei wird ein typisches Muster sichtbar: Die Zufriedenheit erreicht anfangs einen Höhepunkt, um dann – ähnlich wie bei einem Hangover – rapide abzufallen. Doch was genau steckt hinter diesem Effekt, und wie kann man ihm entgegenwirken?
Wenn der Glanz des neuen Jobs verblasst
Die Phase voller Aufbruchstimmung zu Beginn eines neuen Jobs wird in der Psychologie als „Honeymoon-Phase“ beschrieben. Alles ist aufregend und voller Möglichkeiten: Neue Aufgaben, interessante Kollegen und die Chance, sich zu beweisen. Doch meist ist diese Phase von kurzer Dauer. Nach wenigen Wochen kehrt der Alltag ein, und die anfängliche Begeisterung verliert sich schneller als erwartet. Die Studie von Boswell et al. zeigt dabei ein typisches Muster: Die Arbeitszufriedenheit erreicht zunächst einen Höhepunkt, um dann – ähnlich einem Hangover – abzunehmen.
Diese Ernüchterung hat viele Ursachen. Ein wichtiger Grund ist, dass wir anfangs häufig idealisierte Vorstellungen vom neuen Job haben. Mit dieser rosaroten Brille übersehen wir potenzielle Herausforderungen und Stolpersteine, die uns bald jedoch ins Auge fallen. Die ersten Schwierigkeiten, die sich abzeichnende Routine und das Bewusstsein, dass auch dieser Job seine Schattenseiten hat, führen oft zu Ernüchterung. Die tägliche Arbeit erscheint weniger spannend, und die anfängliche Energie scheint erschöpft.
Der Druck, sich „beweisen“ zu müssen
Ein weiterer Auslöser des „Job-Hangovers“ ist der innere Druck, im neuen Job alles richtig zu machen und schnell im Team Fuß zu fassen. Gerade in den ersten Wochen versuchen viele, sich zu beweisen, arbeiten länger, nehmen zusätzliche Aufgaben an und setzen sich selbst unter hohen Leistungsdruck. Doch diese Intensität hat einen Preis: Das Gehirn läuft auf Hochtouren, neue Informationen müssen verarbeitet und Abläufe schnell verinnerlicht werden. Wenn dieser Adrenalinschub nachlässt, bleibt ein Gefühl der Erschöpfung zurück – die Motivation fällt rapide ab.
Psychologische Mechanismen: Idealbild versus Realität
Psychologisch betrachtet spielen zwei Mechanismen eine zentrale Rolle beim Honeymoon-Hangover-Effekt:
Selektive Wahrnehmung: Zu Beginn konzentrieren wir uns stark auf die positiven Seiten eines neuen Jobs und blenden negative Aspekte schlichtweg aus. Dieser psychologische Filter hilft zwar dabei, uns schnell in die neue Situation einzufinden und motiviert anzupacken, führt jedoch später zur Enttäuschung, wenn die Realität den Erwartungen nicht entspricht.
Hedonische Anpassung: Ein bekanntes Phänomen, das beschreibt, wie schnell sich Menschen an neue Umstände gewöhnen. Ist der anfängliche Reiz des Neuen verblasst, suchen wir nach weiteren Anreizen, um Zufriedenheit zu empfinden. Routine und Vertrautheit, die sich bald im Job einstellen, machen es jedoch oft schwer, dieses Bedürfnis zu stillen, was die anfängliche Euphorie allmählich in Ernüchterung umschlagen lässt.
Einflussfaktoren auf die Arbeitszufriedenheit: Einsichten aus der Boswell-Studie
Die Studie von Boswell et al. (2009) zeigt, dass nicht alle Beschäftigten den Honeymoon-Hangover-Effekt in gleicher Intensität erleben. Personen, die mit ihrer vorherigen Arbeit weniger zufrieden waren, erlebten im neuen Job anfangs einen besonders starken Zufriedenheitsanstieg – jedoch auch einen ebenso ausgeprägten Einbruch.
Positive Faktoren wie die Erfüllung von Erwartungen und Verpflichtungen sowie ein hohes Maß an Sozialisation halfen jedoch, die Motivation und Zufriedenheit zu stabilisieren. Wer sich gut in das Team integriert fühlt und das Gefühl hat, dass die Versprechen des Arbeitgebers eingehalten werden, ist weniger anfällig für den schnellen Rückgang der Zufriedenheit.
Wie Unternehmen den Job-Hangover mindern können
Auch Unternehmen haben einen wichtigen Einfluss darauf, ob neue Mitarbeitende nach der Honeymoon-Phase einen Job-Hangover erleben. Eine längeres und intensiveres Onboarding, regelmäßige Feedbackgespräche und kleine, wertgeschätzte Erfolgserlebnisse helfen, die Motivation der Beschäftigten hoch zu halten. Besonders wichtig ist, dass Unternehmen ihren Versprechen treu bleiben und die Erwartungen neuer Mitarbeitender ernst nehmen – denn unerfüllte Erwartungen sind ein Hauptfaktor für spätere Unzufriedenheit.
Job-Hangover überwinden: Tipps, um langfristig motiviert zu bleiben
Einige praktische Ansätze und Strategien helfen, den „Job-Hangover“ zu überwinden und die Anfangsmotivation in nachhaltige Zufriedenheit zu verwandeln:
Realistische Erwartungen setzen
In der Anfangsphase neigen viele dazu, den Job zu idealisieren und zu glauben, sie seien endlich „angekommen“. Doch kein Job ist frei von Routinen und Rückschlägen. Eine realistische Erwartungshaltung hilft, Herausforderungen gelassen zu begegnen und die Freude an kleinen Erfolgen nicht zu verlieren.Self-Care von Anfang an
Die ersten Wochen im neuen Job sind intensiv. Wer bewusst Pausen einlegt und auf ausreichend Schlaf, Bewegung und gesunde Ernährung achtet, bleibt langfristig motiviert und kann einem Erschöpfungseinbruch vorbeugen.Eigene Fortschritte reflektieren
Regelmäßige Reflexion – beispielsweise in Form einer Art Rückblick (gern auch schriftlich) – hilft, die eigenen Erfolge und Lernfortschritte bewusst wahrzunehmen und ein realistisches Bild der eigenen Leistung zu entwickeln.Kleine, erreichbare Ziele setzen
Anstatt sich gleich auf große Karriereziele zu konzentrieren, hilft es, kleinere, erreichbare Ziele zu setzen. Solche Etappenziele liefern regelmäßig Erfolgserlebnisse und halten so die Motivation hoch.Gespräche mit Kollegen suchen
Durch den Austausch mit Kollegen lässt sich die eigene Job-Situation meist realistischer betrachten – wenn dieser offen und ehrlich erfolgt. Ein Gespräch über Herausforderungen, Rückschläge und Erfolge hilft, sich verstanden zu fühlen und die eigenen Erwartungen zu justieren.
Vom Höhenflug zum Alltagstrott: Der Job-Hangover gehört dazu
Der „Honeymoon-Hangover-Effekt“ ist ein normaler Teil des beruflichen Neuanfangs und kein Zeichen dafür, dass der Job nicht passt. Vielmehr ist er ein Übergang von der anfänglichen Euphorie zur tatsächlichen Integration in die neue Rolle. Die Einsichten der Boswell-Studie unterstreichen, dass dieser Effekt nicht unvermeidlich ist und durch positive soziale Integration und die Erfüllung von Erwartungen abgemildert werden kann.
Wer den Job-Hangover versteht und realistisch auf die neue Position blickt, kann sich nach und nach ein stabiles Fundament für langfristige Zufriedenheit schaffen – und so auch im Alltag die Freude an der Arbeit bewahren.