Ein Lebenslauf braucht keine Stunde mehr. Nicht mal eine halbe. Laut aktueller LiveCareer Auswertung von 698.082 CVs, liegt die durchschnittliche Erstellungszeit bei exakt 27,87 Minuten. Das Resultat: 371 Wörter, kaum ein Zertifikat, meist ohne Anschreiben. Der moderne Bewerbungsprozess ist nicht nur digital, sondern vor allem effizient – fast schon minimalistisch. Weniger scheint demnach heute mehr zu sein. Doch was bedeutet das für Bewerber und für Unternehmen?
Generator statt Gehirnschmalz: Wenn Tools den Lebenslauf schreiben
Noch vor wenigen Jahren galt: Wer es mit seiner Karriere ernst meint, investiert Zeit in jedes Detail. Design, Formulierungen, Layout – alles sollte perfekt sein. Heute übernimmt das ein Generator: Templates, Textvorschläge, sogar Soft Skills werden vorgeschlagen. Der „CV-Builder“ wird zur Allzweckwaffe – und damit zur neuen Norm.
Die Automatisierung spart Zeit. Sie reduziert Einstiegshürden, vor allem für jüngere Bewerber und für Menschen ohne große Bewerbungserfahrung. Aber sie bringt auch Risiken mit sich.
Wenn Lebensläufe sich ähneln wie ein Ei dem anderen, verliert er an Wert.
Die Effizienz von 28 Minuten hat ihren Preis: In Branchen mit vielen Bewerbern gleichen sich die Lebensläufe wie ein Ei dem anderen. Doch wie lässt sich echtes Engagement bei potenziellen Jobkandidaten erkennen, wenn alle auf dieselbe Vorlage setzen?
Kurz. Klar. Charakterlos?
Ein schneller Lebenslauf ist nicht per se schlecht. Im Gegenteil: Klarheit, Prägnanz und Übersichtlichkeit gelten längst als Qualitätsmerkmale. Die 371 Wörter, die Bewerber durchschnittlich schreiben, reichen oft aus, um Berufserfahrung, Ausbildung und Fähigkeiten auf den Punkt zu bringen. Doch was geht dabei verloren?
Ein Beispiel: Nur 0,36 Zertifikate werden im Schnitt angegeben. Eine überraschend niedrige Zahl, wenn man bedenkt, wie stark sich berufliche Weiterbildung in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat. Entweder geben Bewerber diese Informationen gar nicht mehr an oder sie haben keine nachzuweisen. Beides wirft Fragen auf.
Auch das klassische Bewerbungsschreiben scheint in der 28-Minuten-Routine kaum noch Platz zu finden. Viele Bewerbungen bestehen heute ausschließlich aus einem Lebenslauf – schnell erstellt, automatisch formatiert. Was dabei fehlt, ist die persönliche Note des Bewerbenden:
- Warum genau dieser Job?
- Warum genau dieses Unternehmen?
Bewerber sind heute schneller, fokussierter, digital versierter
Das ist ein Fortschritt, gerade in einem Arbeitsmarkt, der Tempo und Anpassungsfähigkeit verlangt. Doch Geschwindigkeit ersetzt keine Substanz. Wer sich in 28 Minuten bewirbt, sollte wissen, was er weglässt und warum.
Ein schlanker Lebenslauf ist also kein Problem, solange er das Wesentliche zeigt: Fähigkeiten, Erfahrungen, Einstellung. Wer auf das klassische Anschreiben verzichtet, sollte umso klarer in seinem Profil sein. Und wer keine Zertifikate anführt, sollte andere Belege für Qualifikation liefern, etwa durch präzise beschriebene Projekte oder Verantwortungsbereiche.