In der Arbeitsalltag reden wir viel – in Meetings, Mails, Slack-Kanälen. Wir kommunizieren in Projekten, mit Kunden, mit Vorgesetzten. Und doch sagen viele: „Ich werde nicht verstanden.“ Oder schlimmer: „Ich habe das Gefühl, mir hört niemand richtig zu.“ An der Oberfläche wirken Gespräche oft glatt, effizient, professionell. Doch darunter stauen sich die Dinge, die nicht gesagt werden: Frust, Verunsicherung – manchmal auch Resignation.
Der Wunsch nach mehr Offenheit
In der Psychologie spricht man von der transaktionalen Kommunikation: Botschaften werden gesendet und empfangen, manchmal korrekt, oft verzerrt. Doch das Problem ist nicht das Senden oder Empfangen – sondern das, was unausgesprochen bleibt. Was wir nicht wagen zu sagen. Oder nicht hören wollen, wenn es gesagt wird.
Dabei liegt in jeder echten Begegnung – auch im Beruf – die Chance auf Verbindung. Doch dafür braucht es einen Faktor, der in Präsentationsskills und Feedbacktrainings selten vermittelt wird: Tiefe.
Tiefe bedeutet nicht, dass wir unsere intimsten Gedanken offenlegen müssen. Aber dass wir es zulassen, einen Moment lang wirklich da zu sein. Dass wir nicht nur reagieren, sondern mitgehen. Dass wir nicht nur urteilen, sondern verstehen wollen.
Echte Gespräche schaffen Vertrauen und Nähe
Menschen, die in Gesprächen auch persönliche Gedanken teilen – also, was sie wirklich bewegt –, werden als kompetenter und vertrauenswürdiger wahrgenommen. Und doch widerspricht das einem alten Muster: dass man im Job Stärke zeigen müsse, indem man sich unnahbar und sattelfest gibt. In Wahrheit entsteht aber Stärke gerade dort, wo jemand bereit ist, menschlich zu sein.
In tiefen Gesprächen passieren subtile, aber machtvolle Dinge. Wir fühlen uns plötzlich gehört. Wir entspannen uns. Der soziale Stress, der so viele Arbeitssituationen durchzieht, löst sich auf einmal auf. Und in dieser Entspannungsphase entsteht Raum – für Ideen, für Kooperation, für Vertrauen.
Schon gewusst: Nur 10 bis 20 Prozent unserer Kommunikation laufen über Worte. Der weitaus größere Teil – rund 80 bis 90 Prozent – geschieht nonverbal: über Tonfall, Mimik, Gestik und Körpersprache. In digitalen Gesprächen oder zwischen Tür und Angel gehen viele dieser Signale verloren – das erhöht die Wahrscheinlichkeit von Missverständnissen. Vielleicht ist es genau das, was viele Teams spüren – ohne es konkret benennen zu können.
Zwischen Kontrolle und Begegnung
Die moderne Arbeitskultur liebt ihre Strukturen: agile Methoden, klare Rollen, präzise Ziele. All das ist sinnvoll. Aber zwischen all den Plänen, Protokollen und Weisungen verliert sich manchmal das, was das Miteinander wirklich lebendig macht: Resonanz. Der Moment, in dem man merkt: Da ist jemand, der hört mir nicht nur zu, sondern versteht auch, was ich sage und wie ich das meine.
Der Soziologe Hartmut Rosa nennt das „Weltbeziehung durch Resonanz“. Gemeint ist ein Zustand, in dem wir nicht nur funktionieren, sondern uns verbinden. Das passiert natürlich nicht ständig – aber wenn, dann verändert es etwas. Im Anderen. Und in uns.
Was wir tun können, um Gespräche besser zu machen
Tiefe Kommunikation lässt sich natürlich nicht verordnen. Aber sie lässt sich ermöglichen – durch Haltung, durch Aufmerksamkeit, durch kleine, aber entscheidende Gesten. Zum Beispiel:
- Indem wir Fragen stellen, die über das Offensichtliche hinausgehen:
Nicht nur: „Wie ist der Stand beim Projekt XYZ?“ Sondern: „Was beschäftigt dich gerade sehr? Wo benötigst du Hilfe?“ - Indem wir ein wenig Mut zur Verletzlichkeit zeigen: Wer sagt: „Ich bin unsicher, ob das ausreicht“, öffnet einen Raum, in dem auch andere offen und ehrlich sein dürfen.
- Indem wir echtes Interesse am Gesagten zeigen: Nicht das höflich-nickende, sondern das neugierige und nachfragende.
- Und indem wir Gesprächspausen aushalten lernen: Tiefe braucht Zeit. Und manchmal auch Stille.
Ein Appell für mehr Tiefe in Gesprächen
Vielleicht geht es nicht darum, dass wir mehr kommunizieren. Sondern ehrlicher – tiefgründiger. Nicht nur Informationen auszutauschen, sondern wirklich miteinander in Kontakt zu treten. Und dass wir anerkennen: Der Mensch am anderen Ende des Calls ist mehr als ein funktionierendes Zahnrad. Er ist jemand, der – wie wir – gehört, verstanden und berührt werden möchte. Im besten Fall entsteht dann etwas Seltenes: Ein Gespräch, das nicht nur ein Ziel verfolgt, sondern etwas verändert.