Besonders düster ist die Stimmung in der Industrie und auf dem Bau. Ganz anders der Dienstleistungssektor – dort keimt verhaltener Optimismus auf. Die neue IW-Konjunkturumfrage zeigt: Während sich viele Betriebe auf Einschnitte vorbereiten, ist ein Aufschwung weiter nicht in Sicht.
Eine Lage, die sich nur scheinbar verbessert
Zahlen, die nach Erholung klingen, halten einer genaueren Betrachtung nicht stand. Zwar hat sich der Saldo der Geschäftserwartungen – also die Differenz zwischen optimistischen und pessimistischen Unternehmen – gegenüber dem Herbst 2024 verbessert, von -17 auf -3 Prozentpunkte. Doch diese scheinbare Erholung basiert auf einem Tiefpunkt. Die Stimmung ist immer noch im Minus, der Boden der Krise noch nicht durchschritten.
Knapp 40 Prozent der Unternehmen sprechen von einer schlechteren Geschäftslage als im Vorjahr. Nur 18 Prozent berichten von einer Besserung. In der Industrie fällt die Bilanz noch deutlicher aus: 47 Prozent sehen sich in einer schlechteren Lage – ein Symptom der anhaltenden Schwäche des Sektors.
Industrie verliert Substanz
Die deutsche Industrie, lange Rückgrat des Wirtschaftsstandorts, leidet unter gleich mehreren Faktoren: geopolitische Unsicherheiten, hohe Energiepreise, schleppende Genehmigungsverfahren, sinkende Wettbewerbsfähigkeit. Der Abwärtstrend ist nicht neu, aber er setzt sich fort. Besonders betroffen: die Investitionsgüterindustrie. Hier erwarten über 40 Prozent der Unternehmen rückläufige Produktion im Jahr 2025.
Der Export als Rettungsanker fällt aus. „Donald Trumps Launen kommen zu einer Unzeit und sind eine Härteprüfung für die deutsche Wirtschaft“, warnt IW-Konjunkturchef Michael Grömling. Der Zollkonflikt mit den USA belastet das Tagesgeschäft spürbar – auch wenn die konkreten Maßnahmen zur Zeit der Befragung noch nicht in Kraft waren, war das Exportklima bereits deutlich eingetrübt.
Bauwirtschaft: Krisengeplagt trotz Nachfrage
Ähnlich trüb ist das Bild im Baugewerbe. Trotz Wohnungsmangel und staatlicher Investitionsankündigungen rechnet ein Drittel der Unternehmen mit weiter sinkender Produktion. Materialpreise, Finanzierungskosten und langwierige Verfahren bremsen die Branche aus.
Besonders alarmierend: Auch bei den Investitionen bleibt der Sektor zurückhaltend. 38 Prozent der Bauunternehmen planen, 2025 weniger zu investieren. Die Folge: Der Beschäftigungsabbau dürfte weitergehen. Nur 18 Prozent wollen Personal aufbauen – 31 Prozent erwarten Kündigungen.
Hoffnungsträger Dienstleistungen?
Ein anderer Ton im Dienstleistungssektor. Knapp 29 Prozent der Betriebe erwarten steigende Umsätze. Bei der Beschäftigung planen sogar 36 Prozent mit einem Plus – der höchste Wert aller Sektoren. Der Anteil der Unternehmen, die Personal abbauen wollen, ist auf 21 Prozent gesunken.
Besonders positiv: Auch das Investitionsklima hat sich in diesem Bereich merklich verbessert. 35 Prozent der Dienstleister wollen mehr investieren – nur 23 Prozent planen Kürzungen. Das zeigt: Es gibt Stabilitätsanker in der deutschen Wirtschaft. Doch ob sie die Industrie kompensieren können, ist fraglich.
Regionale Unterschiede – ein gespaltenes Land
Ein Blick in die Regionen zeigt ein gespaltenes Bild: Während in Norddeutschland und Bayern mehr Unternehmen mit einer Produktionsausweitung rechnen als mit einem Rückgang, sieht es in Baden-Württemberg und Teilen Ostdeutschlands düster aus. In Baden-Württemberg etwa erwarten fast 40 Prozent eine sinkende Wirtschaftsleistung – nur 20 Prozent glauben an ein Wachstum.
Die IW-Studie macht deutlich: Die wirtschaftliche Schwäche trifft nicht alle gleich. Und sie vertieft bestehende Unterschiede zwischen Regionen und Branchen.
Investitionen bleiben weiterhin das Sorgenkind
Ein zentrales Problem bleibt die schwache Investitionstätigkeit. Zwar hat sich der Negativsaldo der Investitionserwartungen leicht verbessert – von -17 auf -7 Prozentpunkte. Doch 35 Prozent der Unternehmen wollen 2025 weniger investieren als im Vorjahr. Vor allem in der Industrie bleibt die Zurückhaltung groß.
Diese Entwicklung hat langfristige Folgen: Sinkende Investitionen heute bedeuten weniger Innovation, weniger Wachstum und weniger Beschäftigung in der Zukunft. Der vielzitierte Strukturwandel gerät so ins Stocken.
Politik in der Bringschuld
Die neue Bundesregierung hat Investitionsprogramme angekündigt – auch im Verteidigungs- und Infrastrukturbereich. Doch viele Unternehmen bleiben skeptisch. Der Vertrauensverlust gegenüber der Politik ist groß. Zu oft wurden in der Vergangenheit Förderprogramme angekündigt, aber nicht umgesetzt. Zu langsam verlaufen Genehmigungen, zu unklar sind energiepolitische Leitplanken.
Um das Vertrauen zurückzugewinnen, brauche es politische Klarheit und verlässliche Rahmenbedingungen.
Wo stehen wir – und was tun?
Die Wirtschaft in Deutschland steckt nicht in einer klassischen Konjunkturdelle, sondern in einem strukturellen Stimmungstief. Der Stellenabbau ist Symptom eines tieferen Problems: fehlende Perspektiven.
Unternehmen sollten diesen Moment nutzen, um strategisch zu denken. Wer nur reagiert, verliert. Wer investiert – in Mitarbeiter, Digitalisierung, neue Geschäftsmodelle – hat die Chance, gestärkt aus der Krise zu kommen.
Und die Politik? Sie muss endlich aufhören, Symptombekämpfung zu betreiben, und beginnen, ein Zukunftsmodell für den Standort Deutschland zu entwerfen. Bleibt zu hoffen, dass die Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag fruchten.