Ich war unzufrieden. Nicht verzweifelt, aber ehrlich genug, mir einzugestehen: Der Job passte nicht mehr zu mir. Kein Wachstum, keine Perspektive, mich in irgendeine Richtung weiterzuentwickeln. Sollte es so den Rest meines Arbeitslebens weitergehen? Nein. Ich wusste, was ich wollte – nur nicht, wer es mir bieten konnte.
Also beschloss ich, drei sehr unterschiedliche Unternehmen an einem Tag zu treffen. Ein bewusstes Kontrastprogramm:
- Ein etabliertes Mittelstandsunternehmen.
- Ein Tech-Start-up mit Wachstumsschub.
- Ein Konzern – international, aber schwerfällig
Meine Hoffnung: In direktem Vergleich spüre ich schneller, was wirklich zu mir passt. Und ich lasse mir weniger vormachen, weil ich am selben Tag drei Kulturen, drei Gesprächsstile, drei Menschenbilder erlebe.
Die Vorbereitung: Nicht perfekt, sondern einfach nur ehrlich
Ich habe keine 20 Seiten Dossiers erstellt. Ich habe nicht jedes Geschäftsmodell in- und auswendig gelernt. Stattdessen habe ich mir für jedes Gespräch drei Dinge notiert:
- Was mich an dem Unternehmen reizt – ehrlich, nicht taktisch.
- Was ich dort konkret lernen möchte.
- Was ich in den ersten drei Monaten einbringen könnte.
Das war mein roter Faden. Kein Auswendiglernen, sondern innere Klarheit. Und die war entscheidend, als die Nervosität einsetzte. Ich hatte das Gefühl: Ich bewerbe mich nicht, um zu gefallen – sondern um zu prüfen, ob wir zusammenpassen.
Der Tag selbst: Drei Welten, drei Spiegel
Gespräch 1: Klassisch. Ein Mann, Hemd, Uhr mit Lederarmband, strukturierte Fragen. Ich war freundlich, fokussiert, nicht überdreht. Er wollte wissen, wie ich mich in Teams verhalte. Ich sagte: „Ich bringe viel Energie mit – aber ich beobachte erst, bevor ich etwas sage.“ Das kam gut an.
Gespräch 2: Start-up-Flair, Kaffeetasse in der Hand, duzen ab Minute eins, toll. Hier ging es um Vision, Tempo, Power. Ich habe ehrlich gesagt, dass ich Klarheit brauche, was genau auf mich zukommt. Auch das kam an. Sie sagten: „Gut, dass du das sagst – viele trauen sich das nicht.“
Gespräch 3: Konzern, etwas starres Setting, aber viel über Werte, Wirkung, Haltung. Ich habe gefragt: „Wie ehrlich ist Feedback bei euch – und wird es auch angenommen?“ Das war der Moment, in dem ich selbst gemerkt habe: Ich weiß, worauf es mir ankommt.
Was wirklich funktioniert hat – und was völliger Quatsch ist
Was nicht funktioniert hat:
- Buzzwords („agil“, „hands-on“)
- Durchgetaktete, auswendig gelernte Antworten
- Strategisches Verbiegen
Was funktioniert hat:
- Klare und ehrliche Aussagen
- Gute Fragen stellen (Was brauchen Sie von mir, damit ich erfolgreich bin?)
- Richtig zu hören und sich ins Gespräch einbringen (Fragen, Antworten, Anregungen)
Der Unterschied lag nicht im Lebenslauf oder im „Pitch“. Sondern darin, ob ein echtes Gespräch entsteht – eines, das sich nicht wie eine Prüfung anfühlt.
Mein Fazit: Drei Gespräche, eine Erkenntnis
Am Abend war ich erschöpft – aber klar. Ich wusste, was ich wollte – und vor allem: was ich nicht mehr wollte. Ein paar Tage später kam die erste Zusage, wenig später die Einladung zu einem weiteren Gespräch. Ich habe mich für das Unternehmen entschieden, wo das Auftreten mir gegenüber echt war, das Interesse aufrichtig – und die Antwort auf meine Frage nicht aus einem Handbuch oder HR-Leitfaden stammte.
Ich würde es jederzeit wieder so machen. Zwei oder drei Gespräche an einem Tag oder zeitnah an darauffolgenden Tagen sind nicht leicht zu handhaben (die Arbeitgebertermine müssen ja mitmachen) – aber sie sind unglaublich effektiv. Du lernst nicht nur die Unternehmen kennen. Du lernst auch zwischen den Zeilen zu lesen. Und du wirst selbst relaxter. Auswahl schafft eben Optionen.
Hinweis: Diese Ich-Erzählung basiert auf der verdichteten Erfahrung eines Bewerbers. Sie soll zum Nachdenken und Reflektieren anregen.