Rentner sollen nicht nur länger arbeiten, sondern dabei auch noch steuerfrei hinzuverdienen dürfen. Bis zu 2.000 Euro im Monat – steuerfrei! Das klingt nach einem großzügigen Anreiz für alle, die im Ruhestand noch mit anpacken wollen. 

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Doch eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) bringt das Vorhaben ins Wanken. Die sogenannte „Aktivrente“ würde den Staat jährlich 2,8 Milliarden Euro kosten – der tatsächliche Nutzen bleibt ungewiss.

Was ist die Aktivrente?

Die Aktivrente soll älteren Menschen ermöglichen, bis zu 24.000 Euro im Jahr steuerfrei neben ihrer Rente zu verdienen, egal ob angestellt oder selbstständig. Damit will die Politik mehr ältere Erwerbstätige auf dem Arbeitsmarkt halten und so dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Auch besonders langjährig Versicherte unterhalb der Regelaltersgrenze mit mindestens 45 Beitragsjahren sollen profitieren können.

Die Rechnung dürfte nicht aufgehen

Die IW-Studie vom August 2025 zeigt: Die Maßnahme ist teuer, sehr teuer. Für Selbstständige über der Regelaltersgrenze entstehen insgesamt knapp 1,4 Milliarden Euro Steuerausfälle. Davon entfallen rund 1,2 Milliarden Euro auf diejenigen, die mehr als 24.000 Euro im Jahr verdienen – ihr durchschnittliches Erwerbseinkommen liegt bei über 68.000 Euro. Selbstständige mit einem Einkommen bis zu 24.000 Euro würden den Staat weitere 195 Millionen Euro kosten.

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Auch bei den Altersrentnern über der Regelaltersgrenze summieren sich die Mindereinnahmen auf rund 1,4 Milliarden Euro. Hier entfallen 828 Millionen Euro auf Besserverdienende mit mehr als 24.000 Euro Einkommen und weitere 590 Millionen Euro auf kleinere Hinzuverdienste. Zusammengerechnet ergibt das die 2,8 Milliarden Euro, die jedes Jahr im Bundeshaushalt fehlen würden, ohne dass ein nennenswerter Beschäftigungseffekt gesichert wäre.

Wer arbeitet freiwillig im Alter?

Die IW-Befragung zeigt zudem: Viele Rentner arbeiten nicht wegen des Geldes, sondern wegen sozialer Kontakte und Sinnstiftung. Die meisten, die über die Regelaltersgrenze hinaus tätig sind, tun das bereits – ganz unabhängig von steuerlichen Anreizen. Umgekehrt gilt: Wer einmal in Rente ist, kehrt nur selten in den Job zurück. Der große Hebel für den Arbeitsmarkt bleibt also aus.

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Bürokratisch, teuer – und rechtlich fragwürdig

Besonders heikel ist die Ausweitung auf besonders langjährig Versicherte unterhalb der Regelaltersgrenze. Würden auch sie den Freibetrag nutzen können, stiegen die Steuerausfälle um weitere 340 Millionen Euro. Ob es rechtlich überhaupt zulässig ist, nur dieser Untergruppe Steuererleichterungen zu gewähren, ist fraglich. Zudem könnte ein solcher Schritt dazu führen, dass Menschen schon mit 63 Jahren früher in Rente gehen – und parallel zur Rente steuerfrei hinzuverdienen. Ein Nebeneffekt, den die Politik wohl kaum im Blick hat.

Fachkräftemangel: Bis 2035 fehlen 7 Millionen

Warum kommt die Aktivrente überhaupt auf den Tisch? Weil der Fachkräftemangel in Deutschland dramatische Ausmaße annimmt. Schon 2023 fehlten laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) rund 1,2 Millionen Fachkräfte. Bis 2035 könnte diese Lücke auf bis zu 7 Millionen Menschen anwachsen.

Unternehmen suchen deshalb dringend nach neuen Wegen, ihre Belegschaften zu sichern. Klassische Instrumente wie Praktika und Werkstudentenstellen spielen dabei eine zentrale Rolle. Sie ermöglichen es, junge Talente früh an ein Unternehmen zu binden. Auch Traineeprogramme oder Kooperationen mit Hochschulen sind wichtige Bausteine. Entscheidend bleibt jedoch die kontinuierliche Weiterbildung: Firmen, die in Schulungen, Mentoringprogramme und Karrierepfade investieren, schaffen nicht nur Know-how, sondern auch Loyalität.

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Hinzu kommt die Notwendigkeit flexibler Arbeitsmodelle. Homeoffice, Teilzeit, Jobsharing oder Sabbaticals sind entscheidend, um Talente langfristig im Unternehmen zu halten und gleichzeitig die Lebensrealitäten der Mitarbeitenden zu berücksichtigen. 

Was bedeutet das für die Arbeitswelt?

Die Zahlen der IW-Studie lassen kaum Zweifel: Selbstständige über 65 profitieren am meisten von der Aktivrente, während normale Rentner mit kleinem Nebenverdienst kaum einen Vorteil haben. Für den Staat bedeutet die Maßnahme hingegen massive Steuerausfälle – ohne dass die dringend benötigten Fachkräfte tatsächlich signifikant länger im Erwerbsleben bleiben.

Rentenpolitik löst kein Fachkräfteproblem

Die Aktivrente klingt zunächst wie eine Win-win-Situation. Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich: Sie ist ein teures Mitnahmegeschäft, das vor allem besserverdienende Selbstständige entlastet. Für die Sicherung von Fachkräften taugt sie kaum.

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Was es stattdessen braucht, sind andere Hebel: altersgerechte Arbeitsplätze, lebenslanges Lernen, strategisches Talentmanagement und flexible Arbeitsmodelle. Denn eines ist klar, die Aktivrente stopft kein 7-Millionen-Loch.

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