Wir leben in einer Leistungsgesellschaft – und trotzdem reicht Leistung allein für den Aufstieg nicht aus. Die Vorstellung, dass harte Arbeit automatisch zu Anerkennung, Karriere oder einem besseren Gehalt führt, hält sich dennoch hartnäckig. Schließlich haben gerade die Babyboomer genau nach diesem Mantra gelebt und gearbeitet. Heute aber ist diese Annahme nicht nur unrealistisch, sondern auch gefährlich – weil sie die eigentlichen Spielregeln des beruflichen Erfolgs verschleiert.

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Was steckt hinter dem Glauben an die stille Anerkennung?

Die Aussage „Harte Arbeit zahlt sich irgendwann aus“ basiert auf dem Ideal, dass Qualität, Einsatzbereitschaft und Disziplin ausreichen, um gesehen zu werden. Es ist ein Überbleibsel aus einer Zeit, in der Bescheidenheit als Tugend galt und Eigenlob verpönt war. Besonders jungen Arbeitnehmer wird oft geraten, sich zurückzuhalten, einfach ihre Aufgaben zu erledigen und darauf zu vertrauen, dass Vorgesetzte das schon irgendwann und irgendwie bemerken werden. Doch genau das passiert in der Realität leider nur selten.

Wissenschaftlich widerlegt – warum Leistung allein nicht reicht

Viele glauben noch immer, dass gute Arbeit automatisch gesehen wird. Doch wer nicht sichtbar ist, wird übersehen. Entscheidend für beruflichen Erfolg sind weniger reine Leistung als vielmehr Selbstmarketing, Netzwerken und strategisches Auftreten. Anerkennung fällt nicht einfach so vom Himmel, sie ist vielmehr das Ergebnis bewusster Inszenierung und kluger Einflussnahme.

Auch die Forschung gibt dem recht. Eine groß angelegte Studie der City University London, bei der über 51.000 Angestellte in ganz Europa untersucht wurden, zeigt deutlich: Weder Überstunden noch besonders hohe Arbeitsintensität führen – wie man so schön sagt – zu einer steileren Karriere.

Im Gegenteil: Wer dauerhaft zu viel arbeitet, hat nicht nur weniger Energie und Freizeit, sondern wird paradoxerweise auch seltener befördert. Die Forscher stellten fest, dass übermäßiger Einsatz sogar negative Auswirkungen auf das berufliche Vorankommen haben kann, unabhängig von Alter, Branche oder Position.

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Noch brisanter: Die Studie zeigt, dass gerade Arbeitsintensität, also ständiger Zeitdruck und hohes Tempo, der deutlich größere Karrierekiller ist. Sie wirkt sich stärker negativ aus als Überstunden. Wer also den ganzen Tag durchpowert, macht sich im Zweifel unsichtbarer als jemand, der zur richtigen Zeit laut „Hier!“ ruft.

Der Grund: Wer kaum zur Ruhe kommt, verliert an Präzision. Fehler schleichen sich so zwangsläufig ein, der Blick für das Wesentliche verschwimmt. Die vermeintliche Extra-Leistung wird zur Karrieresackgasse.

Was erleben wir im Arbeitsalltag?

Die Kollegin, die regelmäßig Überstunden macht, ist am Monatsende genauso ernüchtert wie der Kollege, der kluge Ideen entwickelt, aber selten den Mund aufmacht. Beide leisten viel, bleiben aber trotzdem im Hintergrund. Auffallen tun dagegen andere: jene, die sich zeigen, die sagen, was sie wollen, und die genau wissen, wem sie es sagen müssen. Menschen, die sich in Meetings zu Wort melden – wie in der Schule, wo so mancher Streber für andere zu oft den Finger hob, aber genau deshalb ins Blickfeld der Lehrerin rückte. Sie verstecken ihre Erfolge nicht, sondern bringen sie geschickt ins Gespräch. Fachlich nicht immer überlegen, aber strategisch oft einen Schritt voraus. Und wer so denkt und handelt, macht Karriere.

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Die Schattenseiten des Leistungsdogmas

Ein übermäßiger Fokus auf harte Arbeit führt aber nicht nur zu Erschöpfung, sondern auch zu Enttäuschung. Denn wenn der erhoffte Lohn ausbleibt, stellt sich früher oder später das Gefühl ein, nicht genug zu sein, obwohl genau das Gegenteil der Fall ist. Viele Überstunden rauben die nötige Erholungszeit. Hohe Arbeitsintensität verhindert Pausen. Stress wird zum Dauerzustand. Und wer überlastet ist, macht mehr Fehler – was die eigene Leistung wiederum schmälert. So entsteht ein toxischer Kreislauf aus Einsatz, Unsichtbarkeit und Frustration.

Die Forscher:innen der City University London formulieren es so klar wie selten: Work effort broadly predicts unfavorable outcomes. Oder anders gesagt: Viel Arbeit, wenig Lohn – auf ganzer Linie.

Wie gelingt beruflicher Aufstieg wirklich?

  • Sichtbarkeit statt Selbstaufopferung: Wer auffällt, wird gefördert – nicht wer sich aufreibt.
  • Kommunikation statt Bescheidenheit: Sprich über deine Erfolge. Niemand sonst wird es tun.
  • Beziehungen statt Dauerleistung: Netzwerke öffnen Türen, die harte Arbeit allein verschlossen lässt.
  • Strategie statt Überstunden: Arbeite mit Plan, nicht nur mit Kraft.
  • Grenzen setzen: Nur wer sich selbst schützt, bleibt langfristig leistungsfähig.
  • Gezieltes Auftreten: Wer positiv im Gedächtnis bleiben will, darf ruhig auch mal bewusst netzwerken. Ein ehrliches Lob an den Vorgesetzten oder eine gut platzierte Frage nach Karrieretipps bleibt hängen, gerade bei den Menschen, die über Beförderungen entscheiden. Es geht nicht darum, Kollegen zu beeindrucken, sondern die, die am Hebel sitzen.
  • Optische Präsenz: Auch die äußere Erscheinung hat Einfluss. Wer sich minimal eleganter kleidet als der Rest des Teams, signalisiert unbewusst Kompetenz, Souveränität und Führungsanspruch. Nicht umsonst heißt es: Kleider machen Leute.

Erfolg folgt nicht automatisch auf Leistung

Der Mythos von der „sprechenden Arbeit“ schadet mehr, als er nützt. Wer glaubt, dass gute Arbeit sich von selbst auszahlt, spielt ein Spiel nach veralteten Regeln. Es ist Zeit, mit dieser Illusion aufzuräumen. Nicht mehr schuften, sondern gezielt sichtbar werden. Nicht mehr hoffen, sondern auch fordern. Denn Leistung braucht Bühne, nicht Bescheidenheit.

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