Es treibt Mitarbeiter regelmäßig zur Weißglut: Da rackert man sich jahrelang ab, reißt sich regelrecht den Hintern auf, kennt die internen Prozesse aus dem Effeff – und wird beim nächsten Karriereschritt dann doch einfach übergangen. Stattdessen wird jemand von außen geholt. Jemand, der mehr verdient. Jemand, der erstmal gar nichts auf die Kette kriegt.

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Wer braucht schon loyale Leistungsträger im Unternehmen, wenn man für 20 % mehr Gehalt auch jemanden bekommen kann, der sich erst zwei Jahre lang einarbeitet?

Was genau läuft da schief?

Matthew Bidwell, Managementprofessor an der renommierten Wharton School, hat untersucht, wie sich externe Neueinstellungen im Vergleich zu internen Beförderungen schlagen. Das Ergebnis: erschütternd. Externe verdienen 18–20 % mehr – bringen aber in den ersten zwei Jahren nicht die erhoffte Leistung, kündigen häufiger und werden sogar schnell wieder entlassen. Und trotzdem machen Unternehmen so weiter. Warum?

Mehr Schein als Sein: Die Externen-Falle

Bidwells Studie zeigt, dass Unternehmen sich gern blenden lassen. Vom Lebenslauf. Von der „frischen Perspektive“. Externe Kandidat: wirken zunächst erfahrener – und bekommen deshalb mehr Gehalt. Doch der schöne Schein trügt: Erfahrung lässt sich nicht 1:1 auf neue Firmenkulturen übertragen. Externe müssen erst lernen, wie der Laden läuft.

Dabei gibt es sie doch längst: interne Mitarbeiter, die den Ablauf kennen. Die wissen, wie der Laden tickt. Wer wann was entscheidet. Und wen man anrufen muss, wenn’s brennt. Sie brauchen keine Einarbeitung, keine Spielregeln, kein Buzzword-Bingo. Sie liefern – ab Tag eins.

Lese-Tipp: Management-by-Konzepte: Zwischen Führungsstrategie und Buzzword-Bingo

Der Arbeitstag

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Schon gewusst? Externe Neueinstellungen brauchen je nach Position, Tätigkeit und Branche im Schnitt zwei bis drei Jahre, um die gleiche Performance zu erreichen wie intern beförderte Mitarbeiter. Trotzdem wird erwartet, dass sie schnellstmöglich Ergebnisse liefern, nicht zuletzt wegen des höheren Gehalts. Diese Lücke zwischen Erwartung und Realität führt dazu, dass externe Mitarbeitende häufiger scheitern. Sie werden eher entlassen oder kündigen selbst, wenn Frust und Überforderung überwiegen.

Change um jeden Preis

Wenn externe Kräfte z. B. in ihre neue Führungsposition starten, steht eines ganz oben auf der Agenda: Veränderung. Schließlich will man zeigen, dass man sein Geld wert ist. Also werden Prozesse überarbeitet, neue Tools implementiert, Strukturen umgekrämpelt. Alles soll schneller, agiler, innovativer werden, am besten gleichzeitig.

Doch was geistig skizziert ganz groß wirkt, kollidiert im Alltag oft mit gewachsenen Strukturen. Statt Effizienz herrscht erstmal Verwirrung. Das Team kämpft sich durch neue Prozesse, während bewährte Abläufe kommentarlos gestrichen werden. Firmenspezifisches Wissen, das sich über Jahre angesammelt hat, verpufft einfach, weil es im neuen Konzept keinen Platz mehr findet.

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Dabei hätte es eine Lösung gegeben, die weniger gekostet und mehr gebracht hätte: eine erfahrene Kraft aus dem eigenen Haus. Ohne Anlaufzeit. Ohne krampfhaften Umbruch.

Bidwell nennt noch einen spannenden Aspekt

Externe fordern mehr Gehalt, weil sie mehr riskieren. Sie verlassen ein sicheres Arbeitsumfeld, werfen sich in neue Strukturen, neue Gesichter, neue Spielregeln. Das ist mutig, aber auch riskant. Denn wenn’s nicht läuft, war’s das. Wer als Externer nicht schnell liefert, steht ganz schnell vor dem Firmentor. 

Warum also ignorieren Unternehmen diese Erkenntnisse? Ein Grund: Interne Kandidaten sind zu bekannt. Sie gehören zum Inventar. Ihre Schwächen sind schon ausgelotet. Externe wirken dagegen wie eine Blackbox – und genau das macht sie so attraktiv. Der Mythos vom „besseren Mitarbeiter da draußen“ hält sich hartnäckig.

Dabei müsste man es längst besser wissen. Bidwells Forschung zeigt, dass intern Beförderte langfristig bessere Leistungen bringen und dabei weniger kosten.

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Was bedeutet das für Unternehmen?

Die naheliegendste Erkenntnis zuerst: Wer ständig nach außen schielt, übersieht, was er längst hat. In vielen Unternehmen sind die besten Kandidaten für Führungspositionen längst an Bord – nur eben ohne Glamour-Faktor im Lebenslauf. Statt sich vom „frischen Wind“ externer Bewerber blenden zu lassen, sollten sich die Unternehmensriege viel öfter im eigenen Haus umsehen. Welcher Mitarbeiter könnte die Rolle genauso – oder sogar besser – ausfüllen?

Der Lebenslauf-Fetischismus vieler Personalabteilungen gehört hinterfragt. Denn nur weil jemand fünf Stationen in namhaften Unternehmen vorzuweisen hat, heißt das noch lange nicht, dass diese Person auch im neuen Kontext performen wird. Job-Hopping kann auch ein Warnsignal sein. Erfahrung ist eben kein Garant für Eignung, schon gar nicht in komplexen, eingespielten Teams.

Und nicht zuletzt: Wer langfristige Bindung will, muss auch langfristig denken. Loyalität lässt sich nicht mit Einstiegsgehältern erkaufen. Sie entsteht durch Vertrauen und Entwicklungsmöglichkeiten. Interne Beförderungen sind somit nicht nur ein Zeichen der Wertschätzung, sie sind auch ökonomisch sinnvoller.

Und was heißt das für Mitarbeitende?

Wer im eigenen Unternehmen wachsen will, darf nicht auf den Zufall hoffen. Sichtbarkeit ist entscheidend. Das bedeutet: Netzwerke pflegen. Eigene Erfolge klar kommunizieren. Und sich regelmäßig ins Gespräch bringen, wenn es um neue Rollen oder Projekte geht.

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Zugleich sollte man nicht zu naiv sein: In vielen Fällen hilft nur ein externer Impuls, um im Unternehmen wahrgenommen zu werden. Ein konkretes Angebot von außen kann Türen öffnen oder zumindest zu einem ehrlicheren Gespräch über das eigene Entwicklungspotenzial führen.

Aber Vorsicht: Wer mit Kündigung droht, nur um mehr Gehalt zu bekommen, spielt ein riskantes Spiel. Nicht viele Vorgesetzte reagieren wie erhofft auf solche Taktiken. Wer hingegen mit Bedacht und strategischem Feingefühl agiert, kann seine Karriere auch ohne den Umweg über einen neuen Arbeitgeber gezielt gestalten.

Denn klar ist: Externe Neueinstellungen sind kein Wundermittel. Sie kosten mehr, leisten anfangs weniger und springen schneller ab. Die wahren Stars? Die sitzen längst im Unternehmen. Man muss ihnen nur den verdienten Auftritt geben.

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