Größenwahnsinnige überschatten ihre Inkompetenz: Der Lake-Wobegon-Effekt lässt Menschen glauben, sie seien überdurchschnittlich – bis sie schließlich selbst von ihrer Überlegenheit überzeugt sind.

Anzeige

Inhalt:
1. Was bedeutet Lake Wobegon?
2. Was steckt hinter dem Lake-Wobegon-Effekt?
3. Lake-Wobegon-Effekt im Berufsleben
4. Was sind die Folgen?
5. Wer neigt zum Lake-Wobegon-Effekt?
6. Selbstüberschätzende Menschen erkennen
7. Umgang mit arroganten Kollegen und Chefs

Lake Wobegon: Eine Illusion der perfekten, begabten Menschen

Es ist die Geschichte eines fiktiven Ortes, einer kleinen und beschaulichen Stadt im US-Bundesstaat Minnesota namens „Lake Wobegon“, die Namensgeber des psychologischen Phänomens „Lake-Wobegon-Effekt“ ist. Als der 1942 geborene Autor Garrison Keillor die Story erfindet, welche ein Idealbild von Menschen malt, die perfekt, unerschrocken und schön sind, nimmt alles seinen Lauf.

Im erfundenen Lake Wobegon sind Männer und Frauen stets makellos. Kinder auch. Schauen wir uns die reale Arbeits- und Geschäftswelt an, kann Makellosigkeit höchstens vorgetäuscht werden. Und so weit gehen viele Menschen, die größenwahnsinnig werden. Die, die sich selbst überschätzen, zum Beispiel im Job, sollen unter einer sogenannten self-serving bias leiden. Eine selbstwertdienliche Verzerrung, die als Lake-Wobegon-Effekt bezeichnet wird.

Anzeige

Was steckt hinter dem Lake-Wobegon-Effekt?

Das primäre Ziel der selbstwertdienlichen Verzerrung ist, ein doch eigentlich verklärtes Selbstbild von sich aufrechtzuerhalten: Man lebt im Glauben, besser als der Durchschnitt zu sein. Die maßlose Selbstüberschätzung ähnelt dem berühmten Dunning-Kruger-Effekt, welcher ebenfalls dazu führt, eine hohe Meinung von sich selbst an den Tag zu legen, obwohl das eigene Wissen das der anderen oft sogar unter- und nicht übertrumpft.

Typische Gedanken beim Lake-Wobegon-Effekt:

  • „Ich bin eine höchst kompetente Führungskraft – besser als die anderen.“
  • „Schau dir den Versager an. Das würde ich mit links schaffen.“
  • „Meine Ideen sind sowieso immer sinnvoller als die der Kollegen.“
  • „Ich bin der einzige im Team, der motiviert zur Arbeit kommt. Der Rest packt das nicht.“

Wie zeigt sich der Lake-Wobegon-Effekt im Berufsleben?

Im Berufsleben zeigt sich der Lake-Wobegon-Effekt oft, wenn Führungskräfte ihre Fähigkeiten überschätzen und kritische Ratschläge ignorieren.

Anzeige
Ein Beispiel:

In einem internationalen Marketing-Team stand eine großangelegte Kampagne zur Einführung eines neuen Produkts an. Der verantwortliche Abteilungsleiter war schon lange im Unternehmen und hatte sich durch seine Erfahrung und sein Auftreten einen Ruf als „Marketing-Experte“ aufgebaut. Er war überzeugt, das Projekt alleine stemmen zu können und ging davon aus, die Marktbedingungen besser zu verstehen als seine Kollegen oder externe Berater.


Obwohl der Rest des Teams Bedenken äußerte – vor allem wegen der fehlenden Marktanalyse und der nicht getesteten Strategie – blieb der Abteilungsleiter stur. In internen Meetings betonte er wiederholt, dass seine Erfahrung und „Bauchgefühl“ ausreichten, um das Projekt erfolgreich umzusetzen. Er hörte weder auf die Mahnungen der Teammitglieder noch auf die externen Marktforschungsberichte, die mögliche Risiken aufzeigten, und entschied, die Kampagne wie geplant durchzuführen.


Das Ergebnis? Die Kampagne scheiterte katastrophal. Wichtige Märkte hatten nicht auf die Werbemaßnahmen reagiert, weil die Zielgruppe falsch eingeschätzt wurde. Das Budget wurde massiv überschritten, und die erhofften Verkaufszahlen blieben weit hinter den Erwartungen zurück. Anstatt die Verantwortung für das Scheitern zu übernehmen, suchte der Abteilungsleiter jedoch Ausreden. Er schob die Schuld auf äußere Umstände wie wirtschaftliche Unsicherheiten oder mangelnde Unterstützung durch das Team, das seiner Meinung nach nicht genug Einsatz gezeigt hatte. Wie das Team darauf reagiert, dürfte jedem klar sein.

Der Lake-Wobegon-Effekt sorgt also nicht nur für falsche Entscheidungen und Ressourcenverschwendung, sondern auch für eine toxische Arbeitsatmosphäre.

Was sind die Folgen des Lake-Wobegon-Effekts?

Überraschenderweise hat ein self-serving bias nicht nur Nachteile, obwohl diese überwiegen. Ein positiver Effekt etwa kann sein, sich in unsicheren Situationen selbstsicherer zu fühlen. Eine psychologische Studie konnte belegen, dass Männer sich hierbei häufiger als Frauen überschätzen, wenn es um ihre Intelligenz geht. Doch ihr selbstsicheres Auftreten kann verkaufsfördernd wirken. Das bedeutet, dass ihre Chancen steigen, eine bestimmte Stelle zu bekommen oder befördert zu werden.

Übrigens: Tatsächlich intelligenter waren weder Männer noch Frauen in der Studie. Die speziell maskuline Neigung aber, Fähigkeiten zu überschätzen, sei den Wissenschaftlern nach vor allem auf die jungen Jahre zurückzuführen. So sei es keine Seltenheit, dass die Sozialisation von Frauen ohnehin so erfolge, dass ihre Fähigkeiten unterschätzt werden würden, was zur Folge hätte, dass Frauen später nicht unbedingt Karriere machten, Männer aber schon.

Anzeige

Eine negative Folge der Selbstüberschätzung ist die Abwertung anderer, was nicht gerade dazu führt, Freunde zu gewinnen. Vor allem nicht, wenn der Glaube, besser als andere zu sein, nicht nur gedacht, sondern auch arrogant an die Mitmenschen herangetragen wird. Nach dem Motto: „Ich kann das schon ganz gut. Du musst dich aber unbedingt noch verbessern.“

Wer neigt zum Lake-Wobegon-Effekt?

Prädestiniert sind in erster Linie die Menschen, die über ein geringes Selbstwertgefühl verfügen und sich deshalb minderwertig fühlen. Wer sich nicht gut genug fühlt, täuscht es eben vor. Doch Geltungssucht und Größenwahn können auch auf eine entsprechende Erziehung zurückzuführen sein: Wurde Kindern vergöttert und verwöhnt, ohne Bescheidenheit kennenzulernen, steigt die Wahrscheinlichkeit der Überheblichkeit und Selbstüberschätzung. Sich selbst besser als die anderen zu sehen, ist das Resultat.

Viele Menschen sind betroffen. Geschäftsführer, Künstler, Führungspersönlichkeiten, selbst Otto Normalarbeiter malen sich ein Bild ihrer fiktiven Fähigkeiten, um sich besser zu fühlen, um vorzugaukeln, dass sie überdurchschnittlich gut sind. Vor allem Inkompetenz kann hierdurch gut überschattet werden, weil der Lake-Wobegon-Effekt oft automatisch dazu verhilft, selbstsicher und von sich überzeugt aufzutreten.

Anzeige

Vor allem Machtmenschen, die in der Führungsetagen sitzen, neigen dazu, sich als kompetent zu bezeichnen, obwohl ihre Inkompetenz offensichtlich ist. Die Selbstüberschätzung ist dann wie ein Mantra: Sie reden sich gut zu, bis sie irgendwann selbst daran glauben, besser als alle anderen zu sein.

Vielleicht haben wir uns sogar schon dabei ertappt, auf Kollegen oder Mitmenschen herabzusehen, und das im Glauben, der besserer Autofahrer, das bessere Organisationstalent oder der bessere Teamplayer zu sein.

Wie erkenne ich selbstüberschätzende Menschen?

Stellt sich heraus, dass jemand nach dem Loblied über seine eigenen Fähigkeiten bestimmte Aufgaben immer wieder vermasselt, ist dies das sicherste Anzeichen dafür, dass eine pure Fehleinschätzung vorliegt. Weitere Anzeichen:

Anzeige
  • Menschen, die glauben, über mehr Wissen zu verfügen, geben stets ihren Senf dazu – obwohl sie nicht gefragt werden.
  • Sie gehen große Risiken ein, ohne sie sachlich zu kalkulieren, weil sie ihre Kompetenz überschätzen.
  • Sie korrigieren dich permanent.
  • Ihr Konkurrenzdenken nimmt ungesunde Züge an.
  • Sie protzen.
  • Sie betonen immer wieder, wie schlecht andere etwas können.
  • Sie treten selbstsicher auf, reagieren jedoch beleidigt, wenn sie hinterfragt werden.

Wie gehe ich mit arroganten Führungskräften und Kollegen um?

Der Umgang mit Menschen, die ihre Fähigkeiten gehörig überschätzen, ist kein einfacher. Wie dieser gelingen kann, hängt außerdem auch mit der Persönlichkeit zusammen. So lässt sich mit einsichtigen Kollegen besser als mit sturen Menschen reden, die von ihrer Haltung nicht abrücken möchten.

Generell können dir folgende Umgangstipps helfen:

1. Nimm sie, wie sie sind

Regen wir uns jedes Mal auf, wenn Kollegen oder Chefs einen arroganten Laut von sich geben, lassen wir uns selbst in eine Stresssituation versetzten, die sich vermeiden lässt. Menschen, die unter dem Lake-Wobegon-Effekt leiden und glauben, besser als andere zu sein, tun dies nicht, um dich zu ärgern. Sie überschätzen sich, weil sie ihren eigenen Wert steigern wollen – und das hat nur mit ihnen zu tun.

Anzeige

2. Gehe nicht in die Opferposition

Ein übersteigertes Selbstbewusstsein, welches eigentlich kein echtes ist, versetzt das Umfeld von arroganten Menschen manchmal in eine Position, in der die „unfähigen“ Menschen als minderwertig und Opfer dargestellt werden.

Wichtig ist, sich auf solche Spielchen, die aus Unsicherheit heraus resultieren, nicht einzulassen. Macht sich jemand über deine Fähigkeiten lustig, gilt es, nicht impulsiv zu reagieren – denn das ist es, was überhebliche Kollegen und Führungskräfte erwarten. Versuche zunächst, das Gesagte nüchtern zu betrachten: Das, was wir anderen vorwerfen, um sie zu vernichten, sagt viel über uns selbst aus. Positiv ist das nicht.

3. Konfrontiere sie

Schlucken müssen wir Abwertungen nicht, wenn sie besonders persönlich werden. Greift dich jemand direkt an, kannst du auch auf Konfrontationskurs gehen. Stelle die Person zur Rede: Was meint sie mit dem Gesagten? Kann sie das näher erläutern? Worauf basiert die Aussage? Müssen überhebliche Menschen ihre Angriffe erklären, fehlt ihnen oft die sachliche Ebene zur Argumentation. Spätestens jetzt ist es Zeit, über die Provokation nachzudenken.

4. Suche das Gespräch in einer ruhigen Minute

Oft kann es hilfreich sein, Provokateure in einer ruhigen Minute zur Seite zu ziehen und unter vier Augen über ihr Verhalten zu sprechen. Auch wenn sie dich vor versammelter Mannschaft bloßstellen wollten, um ihre eigenen Fähigkeiten in den Fokus zu rücken, musst du es ihnen nicht gleichtun. Zwar kann Schlagfertigkeit ebenfalls eine Stütze sein, doch manchmal lassen vor allem verunsicherte Menschen mit sich reden, wenn ihr Angriff ein verzweifelter Versuch war, eigene Probleme zu kompensieren, indem sie andere verletzten.

Anzeige
Hinweis in eigener Sache:  Du fühlst dich im Job frustriert und brauchst einen klaren Plan für deinen Neustart? In unserem Guide „Die Exit-Strategie“ erfährst du, wie du deinen Absprung sicher meisterst – von der Kündigung bis zur Jobsuche. Hier geht’s zum Guide!
Anzeige