Immer mehr Menschen in Deutschland arbeiten auch im Rentenalter – und das nicht nur aus finanzieller Not. Oft sind es Freude an der Arbeit, der soziale Kontakt oder das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung, die sie motivieren.

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Warum arbeiten Menschen im Rentenalter?

Laut einer Erhebung des Statistischen Bundesamts im Rahmen der EU-Arbeitskräfteerhebung 2023 arbeiten 13 % der 65- bis 74-Jährigen in Deutschland trotz Rentenbezugs. Männer sind dabei mit 16 % häufiger erwerbstätig als Frauen (10 %). Besonders auffällig: Je höher das Bildungsniveau, desto häufiger arbeiten die Menschen auch im Ruhestand weiter. 18 % der Rentner mit hohem Bildungsabschluss sind berufstätig, während es bei denen mit mittlerem oder niedrigerem Bildungsniveau nur etwa 11 bis 12 % sind.

Arbeiten aus finanzieller Notwendigkeit

Für etwa ein Drittel der arbeitenden Rentner (33 %) ist die finanzielle Notwendigkeit der Hauptgrund, weiter einer Beschäftigung nachzugehen. Die steigenden Lebenshaltungskosten, insbesondere die Mieten und Energiekosten, machen es für viele schwierig, allein von der Rente zu leben. Diese Menschen arbeiten, um ihre Lebensqualität zu sichern und über die Runden zu kommen. Sie müssen zudem oft Minijobs annehmen oder ihre frühere Tätigkeit in reduzierter Form fortsetzen, um sich den Alltag leisten zu können.

Gesellschaftlicher Wandel: Ein neues Bild vom Ruhestand

Das Bild vom Ruhestand hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Noch vor wenigen Generationen galt der Ruhestand als Zeit der Ruhe und Erholung – nach einem langen Arbeitsleben war es selbstverständlich, sich komplett aus dem Beruf zurückzuziehen. Doch dieser klassische Ruhestand gilt heutzutage als überholt. In einer alternden Gesellschaft, in der Menschen länger gesund und leistungsfähig bleiben, wird der Übergang ins Rentenalter oft flexibler gestaltet. Zudem rücken der demografische Wandel und der Fachkräftemangel das Thema zunehmend in den Fokus.

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Für viele Unternehmen sind erfahrene Arbeitskräfte im Rentenalter eine wertvolle Ressource. Vor allem Berufe, die auf Expertise und Erfahrung setzen, bieten auch älteren Arbeitnehmern attraktive Perspektiven. Gleichzeitig erhöht der wachsende Druck auf das Rentensystem die Notwendigkeit, das eigene Einkommen im Ruhestand aufzustocken – auch wenn das für viele eher eine freiwillige Entscheidung ist.

Arbeit aus Freude und Leidenschaft

Fast genauso viele Rentner (29 %) arbeiten jedoch nicht wegen des Geldes, sondern weil sie ihre Tätigkeit lieben. Diese Menschen wollen aktiv bleiben, ihren Geist fordern und das Gefühl haben, weiterhin gebraucht zu werden. Sie sehen Arbeit als sinnstiftend und haben oft Berufe, die sie nicht einfach aufgeben möchten, weil sie ihnen Erfüllung bieten. Ob es der Handwerker ist, der seine Werkstatt noch weiterführt, der Lehrer, der gelegentlich Vertretungsstunden übernimmt, oder die selbstständige Beraterin – sie alle sind aus Leidenschaft dabei. Hier geht es nicht um die Notwendigkeit, sondern um die Möglichkeit, weiter das zu tun, was ihnen Spaß macht und bisher das berufliche Leben bestimmte.

Arbeit als Teil der Identität

Für viele Menschen ist Arbeit weit mehr als nur ein Mittel zum Zweck. Sie definiert einen Großteil der eigenen Identität. Besonders nach einem langen Berufsleben kann der plötzliche Übergang in den Ruhestand emotional belastend sein. Die gewohnte Routine, die Verantwortung und das Gefühl, gebraucht zu werden, entfallen – und das kann zu einem Gefühl der Leere führen. Viele ältere Menschen arbeiten deshalb weiter, weil sie den psychologischen Nutzen von Arbeit schätzen:

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Arbeit gibt ihrem Tag Struktur, Sinn und ermöglicht es ihnen, weiterhin eine aktive Rolle in der Gesellschaft zu spielen.

Studien zeigen, dass Menschen, die im Alter aktiv bleiben – sei es durch Erwerbsarbeit oder ehrenamtliches Engagement – sich oft körperlich und geistig fitter fühlen als diejenigen, die sich komplett zurückziehen. Arbeit hält nicht nur geistig wach, sondern stärkt auch das soziale Netz und sorgt für regelmäßigen Austausch mit anderen Menschen.

Unterschiede zwischen den Berufen: Wer arbeitet weiter?

Besonders Menschen in geistigen Berufen, wie zum Beispiel Berater, Lehrkräfte oder Selbstständige, bleiben häufig auch im Rentenalter beruflich aktiv. Diese Tätigkeiten lassen sich oft flexibel und in einem geringeren Umfang ausüben, was den Übergang in den Ruhestand erleichtert. Körperlich anstrengende Berufe, wie etwa auf dem Bau oder in der Pflege, werden hingegen seltener fortgeführt. Hier machen körperliche Belastungen es schwerer, im Alter weiterzuarbeiten.

Auch der Unterschied zwischen Angestellten und Selbstständigen ist bemerkenswert. Selbstständige können oft selbst entscheiden, wie lange und in welchem Umfang sie weiterarbeiten. Ihre berufliche Tätigkeit ist häufig ein Teil ihres Lebensstils, und der Übergang in den Ruhestand ist fließend. Viele genießen die Freiheit, selbstbestimmt zu arbeiten, und reduzieren lediglich ihre Arbeitszeit, statt ganz aufzuhören.

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Unternehmen übergeben, aber nicht loslassen – Als Mentor das eigene Lebenswerk begleiten

Andere stehen vor einer neuen Rolle, wenn sie ihr Unternehmen an die nächste Generation, oft an ihre Kinder, übergeben. Hier agieren sie nicht mehr im operativen Geschäft, sondern eher im Hintergrund als Berater und Mentoren. Dieser sanfte Übergang ermöglicht es ihnen, weiterhin aktiv am Erfolg ihres Lebenswerks mitzuwirken, ohne den vollen Druck des Tagesgeschäfts zu spüren.

Gerade in familiengeführten Unternehmen ist dies ein häufiger Weg: Die Erfahrung der Älteren wird geschätzt, sie helfen, strategische Entscheidungen zu treffen und das Unternehmen durch schwierige Phasen zu steuern, während die jüngere Generation nach und nach die Führung übernimmt.

Dieser Prozess bietet nicht nur den Vorteil, das Unternehmen langfristig zu stabilisieren, sondern gibt den Senioren auch eine sinnvolle Aufgabe, die ihnen weiterhin Identität und Sinn im Ruhestand verleiht. Sie können ihr Wissen weitergeben, ohne den vollständigen Rückzug zu erleben, der oft mit dem Eintritt in die Rente verbunden ist. Viele fühlen sich so gebraucht und bleiben Teil der Gemeinschaft, während sie gleichzeitig Raum für neue Ideen und frischen Wind lassen.

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Blick in die Zukunft: Arbeiten im Alter als neuer Normalfall?

Mit dem anstehenden Austritt der „Babyboomer“-Generation steht die Gesellschaft vor einer großen Herausforderung. Einerseits wird das Rentensystem zunehmend unter Druck geraten, da immer mehr Menschen eine Altersrente beziehen, während gleichzeitig die Anzahl der Beitragszahler sinkt. Andererseits bleiben viele Menschen länger fit und möchten auch im Alter nicht untätig sein. Dies könnte dazu führen, dass das Arbeiten im Ruhestand in Zukunft immer mehr zur Norm wird – sei es aus finanziellen Gründen oder aus dem Wunsch heraus, aktiv zu bleiben.

Ein weiterer Faktor ist der Fachkräftemangel (bis 2035 fehlen 7 Millionen Fachkräfte), der dazu führt, dass Unternehmen vermehrt auf die Expertise und Erfahrung älterer Arbeitnehmer zurückgreifen. Diese Entwicklung könnte dazu führen, dass flexible Rentenmodelle wie die Teilrente oder die sogenannte Flexirente noch attraktiver werden. Sie ermöglichen es, im Rentenalter weiter zu arbeiten, ohne komplett auf den Rentenbezug zu verzichten.

Weiterarbeiten nach der Rente: Nicht nur fürs Geld

Die Gründe, warum Menschen im Rentenalter weiterarbeiten, sind vielfältig. Zwar ist die finanzielle Not für viele ein wesentlicher Faktor, doch fast genauso häufig geht es um Freude, soziale Kontakte und das Gefühl, weiterhin gebraucht zu werden. Für einige ist es eine bewusste Entscheidung, das Berufsleben nicht abrupt zu beenden, sondern den Übergang in den Ruhestand schrittweise zu gestalten. Der klassische Ruhestand, in dem man sich nur noch erholt und das Leben genießt, scheint für immer mehr Menschen nicht mehr das erstrebenswerte Ziel zu sein.

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Arbeiten im Alter ist heute oft eine bewusste Entscheidung – und das kann eine Bereicherung sein. Die Möglichkeit, aktiv und engagiert zu bleiben, gibt vielen Menschen das Gefühl, auch im höheren Alter noch mitten im Leben zu stehen. In einer alternden Gesellschaft könnte dies in Zukunft sogar zu einem festen Bestandteil des Arbeitslebens werden.

Würdest du im Ruhestand weiterarbeiten, auch wenn es finanziell nicht notwendig wäre? Wenn ja, warum?

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