Sie erzählen viel, leisten aber wenig: „Loud Laborers“, die lauten Arbeiter, die Eigenwerbung betreiben, um Likes buhlen und dem Team schaden.

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Überkompensierende Arbeitnehmer, die in den sozialen Medien oft präsent sind, sind aktuell das neue Trendthema in der US-amerikanischen Arbeitswelt. Auch hierzulande gibt es sie.

Laute Arbeiter“ (Loud Laborers) werden als „Workplace Attention Seeker“ beschrieben. Also: Menschen, die Aufmerksamkeit durch ihren Job und am Arbeitsplatz suchen. Sie sind heute in fast jedem Unternehmen präsent. Der Begriff soll auf André Spicer zurückzuführen sein, einem Experten für Organisationsverhalten, welcher an der University of London lehrt und sich dem sozialen Handeln und Wirken von Einzelpersonen und Gruppen in Unternehmen widmet.

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Eigenwerbung, Likes, Anerkennung

Man hätte die Loud Laborers einfach vergessen, so Spicer, während man viel über die Quiet Quitter diskutiere. Doch sie seien ein Thema: Für laute Arbeiter bestünde der Sinn ihres Jobs vor allem darin, viel darüber zu sprechen, was sie scheinbar alles getan und erledigt haben– und die Arbeit sei „ein nachträglicher Gedanke“, betont der gebürtige Neuseeländer.

Sie hätten Probleme mit ihrem Selbstwertgefühl, so Führungscoach Nicole Price. Während Quiet Quitter Dienst nach Vorschrift machen, ohne laut zu protestieren, sollen die Lauten hingegen – der Begriff lässt es bereits erahnen – die Aufmerksamkeit ständig auf sich ziehen, indem sie viel über ihre Arbeit sprechen, vor allem öffentlich, aber wenig davon erledigen. Getreu dem Motto: Viel reden, wenig machen.

Die öffentliche Aufmerksamkeitssuche spielt eine zentrale Rolle. Denn oft handelt es sich um Menschen, die sich gut präsentieren können und so die Aufmerksamkeit anderer tatsächlich auf sich ziehen. Im Fokus stünde die Suche nach Anerkennung von anderen, indem beispielsweise nach LinkedIn-Likes gebuhlt und Inhalte über die eigene Arbeit ständig auf Social Media geteilt werden, die eigentliche Arbeit aber zum Beispiel bei den Kollegen hängenbleibt.

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„Do it for the gram“: Inszenierung ist kein neues Phänomen

Wer öffentlich auf Missstände der Arbeitswelt aufmerksam macht, muss nicht automatisch als überkompensierender Arbeitnehmer abgestempelt werden, der auf Anerkennung und Likes aus ist. Oft genug sind Probleme am Arbeitsplatz erst ans Licht gekommen, wenn sie öffentlich in den sozialen Medien thematisiert worden sind. Dennoch ist es schwierig, Menschen, die Veränderungen bewirken möchten, von echten Attention Seekern zu unterscheiden.

Sozialpsychologin Erin A. Vogel, die sich unter anderem auf das Sozialverhalten von Menschen im Zusammengang mit den sozialen Medien spezialisiert hat, betont, dass diese heute eine „schnelle und einfache Möglichkeit“, seien, um von anderen bestätigt zu werden. „Do it for the gram“ ist damit kein neues Phänomen, sondern eines, das mittlerweile seit vielen Jahren bekannt ist. Man gewöhne sich daran, diese Art von Aufmerksamkeit zu bekommen, sagt Vogel. Jeder – auch Menschen, die anders nie die Chance bekommen würden – hätte dadurch die Möglichkeit, auf sich aufmerksam zu machen.

Gruppendynamik: In jedem Team gibt es die Lauten

Beim Loud-Laborer-Phänomen geht es nicht nur um die öffentliche Präsentation in der virtuellen Welt. Wenn eine Gruppe eine Aufgabe vorgesetzt bekommt, so Spicer, existiere schon aus evolutionsbiologischer Sicht immer mindestens eine Person, die „am lautesten seufzt“. Muss ein Team im Unternehmen etwas erledigen, ist deshalb stets mit denen zu rechnen, die laut auf sich aufmerksam machen wollen – aber heute reiche dies nicht mehr aus, so der Experte für das Sozialverhalten von Gruppen, die im beruflichen Kontext zusammenarbeiten.

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Laute Arbeiter fokussierten sich immer mehr auf das Prahlen und das Sprechen über ihre Ziele und Visionen. Über das, was sie alles noch vorhätten. Dabei bleibe die eigentliche Arbeit wieder auf der Strecke. Besser gesagt: Sie wird überschattet oder verdrängt.

Loud Laborer: Warum tun sie das, was sie tun?

Es gibt mehrere Erklärungen für das spezielle Verhalten. Betont wird oft die Überkompensation, wie Psychologin Vogel sie beschreibt. Spicer erwähnt, dass die Zunahme von virtueller Arbeit unter anderem dazu führt, dass das, was Beschäftigte alles schaffen und erledigen, von Vorgesetzten und Teams nicht gesehen oder ausreichend anerkannt wird. Um dem Bedürfnis nach Anerkennung und Bestätigung nachzukommen, müssten somit andere Wege eingeschlagen werden, um auf sich aufmerksam zu machen. Der Selbstdarstellungswahn wird deshalb oft auf die Befriedigung narzisstischer Bedürfnisse zurückgeführt.

Dabei geht es keinesfalls nur um pathologischen Narzissmus oder eine negative Konnotation: Jeder Mensch, so Psychologen, trägt einen narzisstischen Persönlichkeitsanteil in sich, der bei einigen stärker und bei anderen nur wenig ausgeprägt ist – und soziale Medien bieten die perfekte Plattform, um narzisstische Bedürfnisse zu befriedigen.

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Nachteile für Teams und Unternehmen

Für Unternehmen und auch für die Arbeit in Teams ist diese Art von Inszenierung aus mehreren Gründen schädlich:

  • Vermittlung eines falschen Bildes: Die Inszenierung von überkompensierenden Beschäftigten kann dazu führen, andere, auch potenziellen Bewerber, Kunden oder Geschäftspartner, auf negative Weise zu beeinflussen.
  • Die Leistung wird beeinträchtigt: Studien haben ergeben, dass Selbstdarstellung in Gruppen dazu führen kann, dass ganze Teams und Organisationen davon beeinträchtigt werden. So kann die Leistung sich verschlechtern.
  • Der Teamzusammenhalt wird gefährdet: Wer ständig Aufmerksamkeit auf sich zieht, zieht auch den Neid anderer auf sich und schafft möglicherweise eine Arbeitsatmosphäre, die auf Konkurrenz und Kampf basiert. Gegenseitiger Zuspruch, Vertrauen und Zusammenhalt in der Gruppe bleiben auf der Strecke.
  • Sinkende Arbeitsmoral: Wer immer wieder auf der Suche nach Sichtbarkeit ist und die Erledigung der eigentlichen Arbeit vernachlässigt, wird möglicherweise auch andere im Team oder angehende Beschäftigte der jüngeren Generation, die ein Vorbild suchen, dazu animieren, ob absichtlich oder nicht, dies zu tun. Die Arbeitsmoral sinkt. Es wird mehr geredet – weniger erledigt.

Was können Führungskräfte tun?

Die Aufmerksamkeit auf echte Leistung und Geschafftes lenken – eine Aufgabe, die Führungskräften zukommt. Nicht selten stehen laute, auffällige Arbeitnehmer, die vorgeben, produktiv und zielorientiert an ihren Aufgaben zu arbeiten, im Fokus von Führungskräften. Denn sie versuchen alles und gehen jeden Schritt, um Anerkennung zu bekommen. Und sie bekommen sie für ihre Inszenierung, wenn sie echt wirkt. Eine wichtige Aufgabe von Führungskräften besteht heute deshalb darin, tatsächlich Geleistetes anzuerkennen und nicht nur denen Aufmerksamkeit zu schenken, die sich sichtbar machen.

Man solle echte Anstrengung anerkennen, so Expertin Price, und dies könne geschehen, wenn Chefs sich auch auf die leisen, unauffälligen Mitarbeiter konzentrieren, die im Hintergrund die eigentliche Arbeit erledigen. Für die Lauten, die Aufmerksamkeitssuchenden kann dieses Vorgehen ein deutliches Signal sein, denn auf diese Weise kann eine Arbeitskultur gefördert werden, in der echte Arbeit und Leistung anerkannt werden und nicht nur das theoretische Gerede darüber.

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Besonders wichtig: Ehrliches Feedback geben

Um den Bedürfnissen aller Mitarbeiter gerecht zu werden und um ihnen Gewissheit zu geben, ist es außerdem wichtig, sie fair zu behandeln. Jedem steht ein ehrliches Feedback zu seiner Arbeit zu. Fehlt diese Art von Kommunikation, verwundert es wenig, dass Beschäftigte andere Wege und Möglichkeiten suchen, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Für Führungskräfte sind regelmäßige Feedbackgespräche eine Möglichkeit, um den Fokus von Arbeitnehmern, die eher zu den „Lauten“ gehören, auf die Arbeit zu lenken, die erledigt werden muss.

Nicht nur Verständnis ist wichtig. Ehrlichkeit hat oberste Priorität: Auch wenn es zu Konflikten kommen kann, sollte nicht verschwiegen werden, was gerade schiefläuft, damit gemeinsam an Lösungen gearbeitet werden kann. Andernfalls bleibt die eigentliche Arbeit weiterhin auf der Strecke und die Lauten, die nach Aufmerksamkeit suchen, bleiben weiterhin laut.

Bild: DragonImages/istockphoto.com

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Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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