Deutschland stagniert – demografisch wie wirtschaftlich. Während immer mehr Menschen in den Ruhestand gehen, fehlt es an Nachwuchs. Doch ausgerechnet in dieser angespannten Lage zeigt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft unter knapp 5.000 Beschäftigten: 77 Prozent der Beschäftigten wären bereit, mehr zu arbeiten, wenn der Staat die richtigen Anreize schafft.

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Mehr arbeiten? Ja – aber nur, wenn es sich lohnt

Was die Befragten wollen, ist klar: 72 Prozent nennen niedrigere Steuern und Sozialabgaben als wichtigste Voraussetzung. Erst dann würden sie ihre Arbeitszeit ausweiten. Anders gesagt: Mehrarbeit lohnt sich für viele schlicht aktuell nicht. Diese Bereitschaft zieht sich durch alle Beschäftigungsformen: Vollzeit, Teilzeit, geringfügig. Selbst unter Vollzeitbeschäftigten liegt die Quote bei 76 Prozent.

Auch interessant: Die Arbeitszeitmodelle selbst sind nicht das Problem. Es sind steuerliche und organisatorische Barrieren, die einer produktiveren Arbeitswelt im Weg stehen.

Homeoffice, Flexibilität, Verantwortung

57 Prozent der Befragten sagen, sie würden mehr arbeiten, wenn sie häufiger im Homeoffice oder mobil tätig sein könnten. Ebenso viele wünschen sich flexiblere Arbeitszeiten – also mehr Freiheit, ihre tägliche Arbeitszeit an ihre persönliche Lebenssituation anzupassen.

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Auch der Inhalt der Arbeit spielt eine Rolle. Interessantere Aufgaben oder mehr Verantwortung können zusätzliche Motivation schaffen. Andere nennen eine bessere Kinderbetreuung oder eine ausgewogenere Aufteilung familiärer Pflichten als Bedingung, um überhaupt über Mehrarbeit nachzudenken. Der Wunsch nach Flexibilität ist also eine zentrale Voraussetzung.

Wer will mehr arbeiten? 

Besonders auffällig ist der Altersunterschied: 86 Prozent der unter 30-Jährigen sind grundsätzlich bereit, mehr zu arbeiten. Bei den 55-Jährigen und Älteren sind es nur 69 Prozent. Vor allem die Jüngeren stehem dem aufgeschlossen gegenüber, während Ältere, gut nachvollziehbar, zurückhaltender reagieren. Dennoch: Auch unter den Älteren wäre die Bereitschaft höher, wenn die Steuerlast sinkt.

Schon gewusst? Trotz steigender Arbeitslosenzahlen bleiben Fachkräfte in vielen Branchen knapp. Laut der aktuellen Fachkräfteengpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit zeigt sich in 163 von rund 1.200 Berufen ein Engpass – das entspricht etwa jedem achten Beruf. Besonders betroffen sind weiterhin Gesundheits- und Pflegeberufe, das Handwerk, Bau, Berufskraftfahrer sowie Erzieherinnen und Erzieher. Damit richtet sich fast jede zweite offene Stelle in Deutschland an Menschen mit einem Engpassberuf. Der Fachkräftemangel bleibt damit eine der größten Herausforderungen für den Wirtschaftsstandort. (Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Presseinfo Nr. 25 vom 28.05.2025)

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Keine Unterschiede zwischen Geschlechtern oder Branchen

Überraschend: Weder Geschlecht noch Branche, Qualifikation oder Bürotätigkeit spielen eine signifikante Rolle bei der Frage, ob jemand mehr arbeiten würde. Auch die Unternehmensgröße, Tarifbindung oder die wirtschaftliche Lage des Betriebs verändern die Bereitschaft kaum. Das bedeutet: Die Hebel liegen nicht im Unternehmen, sondern im Staat.

Führungskräfte wollen – und könnten – mehr

Am größten ist die Bereitschaft zur Mehrarbeit bei Führungskräften. Kein Wunder: Verantwortung und Einfluss führen häufiger dazu, dass sich Mehrarbeit auch im Portemonnaie bemerkbar macht.

Zudem zeigen die Daten: Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung sind etwas häufiger bereit, länger zu arbeiten als Menschen mit Studium. Umgekehrt sehen Akademiker eine bessere Betreuungsinfrastruktur als wichtigeren Faktor für Mehrarbeit.

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Mehrarbeit lässt sich nicht verordnen – sie muss sich lohnen

Will heißen: Nur wer netto spürbar mehr verdient, wird auch bereit sein, mehr zu leisten. Höhere staatliche Transferzahlungen bringen zwar kurzfristig Entlastung, erhöhen aber mittelfristig den Abgabenkeil – und machen Mehrarbeit dadurch unattraktiver.

Wenn die Regierung wirklich etwas gegen den Arbeitskräftemangel tun will, sollte sie nicht bei Arbeitszeit oder dem Renteneintrittsalter ansetzen, sondern bei Steuern, Sozialabgaben und Flexibilität. Es ist nicht die „arbeitsunwillige Gesellschaft“, die den Wohlstand gefährdet, sondern ein System, das Mehrarbeit kaum belohnt.

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